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Die Republik — 1849

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No. 102 - No. 124 (1. Mai - 31. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44148#0455

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Düſseldorf, 11. Mai. Seit geſtern Morgen
herrſchen alle Kroatenbeſtialitäten in unserer Stadt.
„„Mein herrliches Kriegsheer‘! ſchießt, in Kaſernen und
Häuſern verſteckt, friedlich über die Straßen gehende
Bürger zuſammen. Ich finde keine Sprache, die feigen
Meuchelmorde zu ſchildern, die von dieſen elenden
Schergen der Manteuffel’ſchen Blutherrſchaft verübt
worden sind! Es ſind eine Unzahl von Todten und
Verwundeten, darunter Greiſe, Frauen, und die Mei
ſten haben ihre Wunden von den preußiſchen Buſch-
kleppern in den Rücken erhalten! ~ Aus dem Rath-
hauſe, wo über 100 Mann Soldaten poſtirt waren,
ſînd eine Menge Scbhüſſe auf ruhig vorübergehende
Menſchen gefallen. Selbſt auf jene Männer, welche
die Verwundeten und Todten vom Plate ſcbafsen woll-

ten, ſchoſſen dieſe würdigen Knechte des Hohenzoller’-

ſchen Rautritterhauſes.

Soeben erfahre ich noch von ſehr ehrenbaften Bürs
gern, daß ein Lieutenant Beſſel, der ſich ſchon bei dem
frühern Belagerungszuſtand mit einer ſchamloſen Frech-
heit und Junkerrohheit benahm, eigenhändig aus dem
Rathhauſe vier Menſcten erſchoß, welche ruhig vor-
übergiengen. Die Zahl der Todten und Verwundeten
schlägt man bis jetzt auf 60 bis 70 an.

Paderborn, 9. Mai. Die Einkleidung der Land-
wehr hat begonnen. Heute ſind vorerſt die Landwehr-
männer aus Paderborn nnd der nächſten Umgegend
einberufen. Dieſe traten heute Nacbtwittag zuſammen,
um den Theil ihrer Kleidungéſtücke, der nicht ſchon
am Morgen ertheilt, in Empſang zu nehmen. Die
Erbitterung, die ſich ſchon am Morgen in vielfacher
Weise, jedoch mehr in Privatgeſprächen und Lebehochs
auf die Demokratie, kundgegeben, kam am Nachmittage
zum Ausbruch. Ein Landwehrmann erging ſich in
lauten und ziemlich derben Ausdrücken über die Unge-
ſeßlickeit der Einberufung der Landwehr, ~ über die
vielen Ungerecbtigkeiten, die außerdem vorgekommen,
. daß man grundloſe Reklamationen berückſichtiget,
begründete dagegen unberückſicktigt gelaſſen habe. Er
ließ ſich dabei, nachdem er ſich einmal in die Hitze
geredet und bei den Umſtehenden lauten Beifall geerud-
tet hatte, einige unhöfliche Erwiederungen gegen einen
der Offiziere, der ihn zur Ruhe ermahnen wollte, zu
Schulden kommen. Dg trat der Major auf ihn zit,
fuhr ihn hart an und gab = als er auf die Auffor-
derung, still zu ſchweigen, ſich nicht gleich zur Ruhe
bringen ließ, ~ den Befehl zu ſeiner Arretirung. Das
rief einen tobenden Ausbruch des Unwillens hervor.
Sämmumtliche Landwehrmänner verließen ihre Reihen,
drängten sich um den Majvr und: auaKein Arreſt!
Keinen Landwehrmann arretirt!» erſcholl drohend aus
Aller Munde. Der Major nahm mit ſauerſüßem
Lächeln den Befehl zur Abführung zurück. Wahrlich,
er mochte ſich glücklich preiſen, daß er es gethan hat;
deun er konnte bei den drohenden Mieneu und Stel-
lungen der Leute das Sctlimmſte erwarten. Die Dis-
ziplin war vernichtete Ein anderer Landwehrmann
trat vor und sprach mit erhobener Stimme : Warum

ſind wir einberufen, Herr Major: Krieg haben wir

nicht. Die Uebung ist uns geschenkt. Sollen wir
vielleicht auf unſere Väter und Brüder jchießen? oder
gegen das Volk ? Hierzu werden wir uns nicht gebrau-
chen lassen.» :
“'Ein t 7.zer Jubel begleitete die Rede; der Herr
Landwehr-Major wußte nichts Anderes zu erwiedern,
als :
er wisse ſelbſt noch nicht, wozu die Landwehr
verwendet werden ſolle – die Herrn Redner
ſchienen ihm sehr kluge Leute zu ſein, die aber
wahrſcheinlich ihre Weisheit anderswoher, als aus
ihrem eigenen Kopfe geholt, was ſeiner Zeit ſchon
. an's Tageslicht kommen werde,
Erneuter höhniſcher Jubel folgte diesen Worten.
Heute Abend fraterniſirte die Landwehr mit dem
Volk. So viel iſt ſicher, daß ſich die Landwehr nicht

zu volksfeindlichen Zwecken mißbraucheu läßt. Hier-
für ſprechen die fortwährenden Lebehochs auf die De-
mokratie, auf Koſſuth und die Ungarn. – Es heißt,
sst würde die Stadt unter keiner Bedingung ver-
aſſen. )

Leipzig, 9. Mai. Einem Privatbriefe von dieſem
Datum entnehmen wir folgende Stellen: »Die Haltung
der Leipziger Geldſäcke gegenüber der Dresdener Be-
wegung iſt ſcheußlich. Ich hörte geſtern die Aeuße-
rang thun: »Leipzig iſt Ein großer Spucknapf« , und
wahrlich, beſſer könnte man dieſe Stadt voll Krämer-
ſeelen nicht charakteriſiren. Brachten doch geſtern die
Hallunken der ſächſiſchen Regierung, welche zum Ab-
ſchlachten ihrer geliebten Unterthanen das Schwarz-
weißthum eingeladen, auf dem Rathhauſe ein drei-
maliges Hoch !! ~ In Betreff der hier ſtattgehabten
Unruhen bemerke ich nachträglich, daß die große Bar-
rikade bei Felſchens aus lauter Kiſten mit Meßwaaren
erbaut war, daß aber auch nicht ein Stück Waare
entwendet worden, obgleich die Proletarier die ganze
Nacht hindurch freie Verfügung darüber hatten. Da-
von ſchweigen die Zeitungen, während ſie die Thaten
der Kommunalgarde auspoſaunen, die erſt am Morgen
den Muth bekam, die noch von etwa 20 – 30 Mann
vertheidigte Barrikade anzugreifen. «

Liegnitz, 9. Mai. Hier finden ſtarke Truppen-
bewegungen nach Sacbſen hin ſtatt. Meines Dafür-
haltsns dürften binnen Kurzem Revolutionen unter dem
Militär selbſt ausbrechen. Die Offiziere zeigten ſich
in letzter Zeit ſehr üppig und dies weckte rack eſinnen-
den Haß. Auch ſcheint es, als ob das Militär zu
begreifen anſängt, um was es geht. Beim Abgange
eines der Frühzüge, den der General von Stößer ver-
abſchiedete, fing ein Offizier zu ſckreien au : «Es lebe
der König!! Die Manunſchaſten aber riefen: «Es
lebe Liegnitz» nnd «es lebe Sachſen!« Hinterher ſan-
gen ſie Volkslieder.

Wöürzburg, 15. Mai. Das nurch ſeinen ächt
königlich bateriſchen Sinn bekannte hieſige 42. In-
fanterie-Regiment hat geſtern bewiesen, daß es auch in
den dunkelſten Regionen des Soldatenlebens hell zu
werden beginnt. Beim Appell warfen Soldaten und
Unteroffiziere ihre Königskronen *) den Offizieren vor
die Füße, indem ſie erklärten, ſie würden ſich nicht zur
Vernichtung der Reicbsverfaſſung mißbrauchen laſſen,
noch sich dazu hergeben, auf das Volk zu ſchießen.
Ein gleicher Geiſt herrſcht unter der baieriſchen Artil-
lerie, deren Offizierkoros namentlich für die Durch-
führung der Reichsverfaſſung einzuſtehen entſchlossen
iſt.

München, 12. Mai. Ich theile Ihnen vor dem
Poſtſchluß noch eiligſt die wichtige Nachricht mit, daß
sämmtliche Soldaten des Leibregiments, welches heute
Mittag die auf dem Marsfelde aufgeſchlagenen Zelte
hätte beziehen sollen, einſtimmig erklärt haben, dahin
nicht abzugehen, ſondern wenn man ſie nicht in der
Kaſerne unterbringen könne, wieder nach Hauſe zurück-
zukehren. Der König begab ſich persönlich in die Ka-
ſerne, aber all’ sein Zureden war vergebens. Das
ganze Regiment befindet ſich in der größten Auf-
regung. (Fr. J.]

Ungarn.

Peſth, 4. Mai. Das bei Warasdin angelangte,
etwa 8000 Mann ſtarke Corps von Jellacbich iſt am
1. Mai von den Ungarn, die von allen Seiten her-
beiſtromten , total aufgelöst und vernichtet worden. –
Ebenſo haben die Ungarn die übrige öſterreicbiſche
Armee wiederholt nachdrücklich geſchlagen. Ihre Streif-
korps gehen ſchon bis wenige Stunden vor Wien. –



*) Bravo wackere baieriſche Soldaten ! werft von Euch die
Zeichen der Sklaverei Nur der Hund irägt den Namen
seines Gebieters am Halsbande. ~~
 
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