Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 8.1908/1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0013
DOI issue:
Heft 1 (5. Oktober 1908)
DOI article:Hellwag, Fritz: Das Preisausschreiben der "Woche" für Sommer- und Ferienhäuser
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Die Werkstatt der MM
Organ für äie Interessen cter biläenclen Künstler
8eäakteur: tzeUwag.
VIII. Jakrg. I)ekt i. Z. Oktober 1908.
Oas preisLuslekreiberi cler „Mocke" kür Sommer- unck ^erienbäuler
In der minderen Tagespresse wird versucht, eine
Mißstimmung gegen den obengenannten Wettbewerb und
gegen die daran beteiligten Preisrichter zu erzeugen. Als
Veranlassung dazu dient der anscheinende Mißerfolg, den
die Firma Scherl bezw. die von ihr beauftragten Unter-
nehmer mit der Ausführung einzelner Entwürfe erzielt haben
und der die unrichtige Aufstellung und unzureichende Er-
ledigung des Wettbewerbes beweisen soll; ferner wird dieser
Angriff versucht, weil sich im Preisgericht der Geh. Regie-
rungsrat Or. Muthesius befindet und es nachgerade bei
einer gewissen Gruppe zum guten Ton (oder besser zum
schlechten Ton!) zu gehören scheint, diesen geschätzten Künstler
und Vorkämpfer unserer Kulturbestrebungen mit Verdächti-
gungen zu verfolgen, wo er sich nur in der Geffentlichkeit zeigt.
Alle uns bisher zu Gesicht gekommenen Preßangriffe
verschleiern den Tatbestand insofern, als sie die an-
geblich mißglückte Ausführung der Entwürfe mit
dem Wettbewerb identifizieren, während beide absolut
nichts miteinander zu tun haben.
Der Gedanke des Wettbewerbes war durch-
aus literarisch. Es sollte durch die Gewinnung von
Entwürfen die „Möglichkeit des billigen Laufes erwiesen
und allgemeine Anregung en über dessen Gestaltung und
künstlerische Fassung gegeben" werden. Es war deshalb
nicht beabsichtigt, Entwürfe zu schaffen, die nun an einem
beliebigen Grte kopiert werden könnten. Also ist an eine
Ausführung dieser Entwürfe vor: vornherein nichtgedacht
worden.
Wir können die ganze Angelegenheit in drei Teile
zerlegen: Erstens die Aufstellung des Wettbewerbes,
zweitens die Tätigkeit des Preisgerichtes und drittens
die Ausführung der Entwürfe in der, in Neufinken-
krng und Wandlitz vorliegenden Form.
Erstens: Dem Wettbewerb lag eine zwiefache er-
zieherische Idee zugrunde. Ls sollte den Architekten Ge-
legenheit gegeben werden, ihre künstlerische Kraft an mög-
lichst vereinfachten Problemen, die „scharfsinnige Ausnützung
aller Möglichkeiten, Zusammendrängung und Sparsamkeit
in jeder Pinsicht" verlangten, zu erweisen. Es sollte gezeigt
werden, daß das, was bisher von den Baumeistern und
Bauunternehmern nach Schema K so geschmackwidrig und
gcmütlos geleistet wurde, in wirklich künstlerischer Durch-
führung gemacht werden könnte. Dabei war weniger das
Gewicht auf den Begriff des Künstlerischen als auf die
sachliche Richtigkeit und Zweckmäßigkeit zu legen.
Infolgedessen war auch nicht beabsichtigt, billiger zu
sein als die Bauunternehmer und Maurermeister, und die
Propaganda bezog sich weniger auf die zur Kalkulation
angegebenen Baupreise als auf den Ersatz des Unästhe-
tischen durch das Aesthetische.
Da der Wettbewerb als theoretische Lösung mit
propagandistischer Wirkung gedacht war, so hatte
man für die Kalkulation der Baukosten einen allge-
meinen Linheitsbauxreis von Mk. für den Kubik-
meter umbauten Raumes angenommen. Lin solcher
Durchschnittssatz war nötig, weil sich der Wettbewerb auf
ganz Deutschland bezog und die Architekten des ganzen
Deutschen Reiches eingeladen waren! Daß der Durchschnitts-
preis von Mk. richtig bemessen war, wird von maß-
gebenden Autoritäten anerkannt und bisher hat es niemand
bestritten, daß für Ferien- und Sommerhäuser in länd-
lichen Gegenden, die nicht in der Nähe von Großstädten
liegen, dieser Satz durchaus zutreffend sei, ja, daß man in
vielen Gegenden solche kleinen pänser sogar zum Satze
von t2—l3 Mk. bauen könne. — Der zweite erzieherische
Zweck des Ausschreibens lag darin, das Publikum in seiner
Idee, daß es in seinen Sommer- und Ferienhäusern den
gleichen Wohnungsgrundriß haben müßte wie in den Stadt-
(Arbeits-)Wohnungen, zu widerlegen und es von dem ein-
fach im Maßstabe verkleinerten TFp der Vorstadtvilla ab-
zubringen; ferner, ihm den Begriff des sogenannten
Sommerhauses verständlich zu machen und näher zu bringen.
Dem Mißlichen, das in einem solchen Wettbewerbe ohne
bestimmten Bauplatz und Bauherrn der Natur der Sache
nach liegt, sollte dadurch begegnet werden, daß jeder Teil-
nehmer sein paus nicht nur für eine bestimmte Gegend
Deutschlands, sondern auch für einen durch speziellen
Lageplan genau zu charakterisierenden Bauplatz zu ent-
werfen hatte, über dessen Bodenbeschaffenheit (ob eben
oder hügelig), Lage zur Pimmelsrichtung, Verhältnis zur
Straße und zur etwa vorhandenen Aussicht ganz bestimmte
Angaben gemacht werden mußten, sofern nicht dem Ent-
wurf ein wirklich vorhandener Platz zugrunde gelegt worden
war. Die Aufgabe für die Teilnehmer war also, wie aus
obigen Angaben hervorgeht, in dem Wettbewerb klar
genug formuliert.
Zweitens: Das Preisgericht, dem außer Muthe-
sius noch die namhaften Künstler Theodor Fischer,
Richard Riemerschmid und Schultze-Naumburg an-
gehörten, ist bei der Prüfung der in hoher Zahl einge-
laufenen Wettbewerbarbeiten fo verfahren, daß zunächst
alle Entwürfe ausgeschaltet wurden, die den Voraussetzungen
im Baupreise nicht entsprachen. Dann wurden auch bei
den übrigbleibenden Entwürfen die Kalkulationen genau
nachgexrüft und endlich in letzter und in hauptsächlichster
Linie waren die künstlerischen Lösungen der Grundriß-
gestaltung usw. maßgebend. Das künstlerisch gute Ergebnis
des Wettbewerbes wird allgemein anerkannt, was die
Kostenberechnung betrifft, so ist sie, wenn nur die Kalku-
lationen als richtig befunden wurden, nicht anzufechten, da
der angenommene Durchschnittssatz von t6 Mk. für den
Kubikmeter umbauten Raumes im Prinzip von Autoritäten
als richtig anerkannt wird.
Drittens: Mit der Ausführung einzelner Ent-
würfe in Neufinkenkrug und Wandlitz hat das Preis-
gericht, wie gesagt, nicht das mindeste zu tun! Man
kann es den Preisrichtern auch wirklich nicht verdenken,
daß sie für diese Ausführungen nicht verantwortlich sein
wollen, denn einmal war es unsinnig, pänser, die für ganz
andere Gegenden Deutschlands und zum Teil für hügeliges
Terrain und besondere Bodenbedingungen usw. gedacht
waren, an einer beliebigen Stelle auf flaches Land neben-
einander zu stellen, und dann (das trifft vor allem auf die
Ausführungen in Neufinkenkrug zu) ist es angesichts der
scharfen, vorsichtigen und klaren Formulierung des Preis-
ausschreibens direkt als ein verbrechen an dem guten Ge-
danken desselben zu bezeichnen, daß die beabsichtigten kleinen
Sommerhäuser von den Baugesellschaften zu „Eigen-
heimen, welche den dauernden Aufenthalt im
Sommer und Winter ermöglichen" (Katalogvermerk),
umzustempeln versucht wurden, ein Vorgehen, das unbedingt
zum Fiasko und zur Diskreditierung des ganzen Unter-
Organ für äie Interessen cter biläenclen Künstler
8eäakteur: tzeUwag.
VIII. Jakrg. I)ekt i. Z. Oktober 1908.
Oas preisLuslekreiberi cler „Mocke" kür Sommer- unck ^erienbäuler
In der minderen Tagespresse wird versucht, eine
Mißstimmung gegen den obengenannten Wettbewerb und
gegen die daran beteiligten Preisrichter zu erzeugen. Als
Veranlassung dazu dient der anscheinende Mißerfolg, den
die Firma Scherl bezw. die von ihr beauftragten Unter-
nehmer mit der Ausführung einzelner Entwürfe erzielt haben
und der die unrichtige Aufstellung und unzureichende Er-
ledigung des Wettbewerbes beweisen soll; ferner wird dieser
Angriff versucht, weil sich im Preisgericht der Geh. Regie-
rungsrat Or. Muthesius befindet und es nachgerade bei
einer gewissen Gruppe zum guten Ton (oder besser zum
schlechten Ton!) zu gehören scheint, diesen geschätzten Künstler
und Vorkämpfer unserer Kulturbestrebungen mit Verdächti-
gungen zu verfolgen, wo er sich nur in der Geffentlichkeit zeigt.
Alle uns bisher zu Gesicht gekommenen Preßangriffe
verschleiern den Tatbestand insofern, als sie die an-
geblich mißglückte Ausführung der Entwürfe mit
dem Wettbewerb identifizieren, während beide absolut
nichts miteinander zu tun haben.
Der Gedanke des Wettbewerbes war durch-
aus literarisch. Es sollte durch die Gewinnung von
Entwürfen die „Möglichkeit des billigen Laufes erwiesen
und allgemeine Anregung en über dessen Gestaltung und
künstlerische Fassung gegeben" werden. Es war deshalb
nicht beabsichtigt, Entwürfe zu schaffen, die nun an einem
beliebigen Grte kopiert werden könnten. Also ist an eine
Ausführung dieser Entwürfe vor: vornherein nichtgedacht
worden.
Wir können die ganze Angelegenheit in drei Teile
zerlegen: Erstens die Aufstellung des Wettbewerbes,
zweitens die Tätigkeit des Preisgerichtes und drittens
die Ausführung der Entwürfe in der, in Neufinken-
krng und Wandlitz vorliegenden Form.
Erstens: Dem Wettbewerb lag eine zwiefache er-
zieherische Idee zugrunde. Ls sollte den Architekten Ge-
legenheit gegeben werden, ihre künstlerische Kraft an mög-
lichst vereinfachten Problemen, die „scharfsinnige Ausnützung
aller Möglichkeiten, Zusammendrängung und Sparsamkeit
in jeder Pinsicht" verlangten, zu erweisen. Es sollte gezeigt
werden, daß das, was bisher von den Baumeistern und
Bauunternehmern nach Schema K so geschmackwidrig und
gcmütlos geleistet wurde, in wirklich künstlerischer Durch-
führung gemacht werden könnte. Dabei war weniger das
Gewicht auf den Begriff des Künstlerischen als auf die
sachliche Richtigkeit und Zweckmäßigkeit zu legen.
Infolgedessen war auch nicht beabsichtigt, billiger zu
sein als die Bauunternehmer und Maurermeister, und die
Propaganda bezog sich weniger auf die zur Kalkulation
angegebenen Baupreise als auf den Ersatz des Unästhe-
tischen durch das Aesthetische.
Da der Wettbewerb als theoretische Lösung mit
propagandistischer Wirkung gedacht war, so hatte
man für die Kalkulation der Baukosten einen allge-
meinen Linheitsbauxreis von Mk. für den Kubik-
meter umbauten Raumes angenommen. Lin solcher
Durchschnittssatz war nötig, weil sich der Wettbewerb auf
ganz Deutschland bezog und die Architekten des ganzen
Deutschen Reiches eingeladen waren! Daß der Durchschnitts-
preis von Mk. richtig bemessen war, wird von maß-
gebenden Autoritäten anerkannt und bisher hat es niemand
bestritten, daß für Ferien- und Sommerhäuser in länd-
lichen Gegenden, die nicht in der Nähe von Großstädten
liegen, dieser Satz durchaus zutreffend sei, ja, daß man in
vielen Gegenden solche kleinen pänser sogar zum Satze
von t2—l3 Mk. bauen könne. — Der zweite erzieherische
Zweck des Ausschreibens lag darin, das Publikum in seiner
Idee, daß es in seinen Sommer- und Ferienhäusern den
gleichen Wohnungsgrundriß haben müßte wie in den Stadt-
(Arbeits-)Wohnungen, zu widerlegen und es von dem ein-
fach im Maßstabe verkleinerten TFp der Vorstadtvilla ab-
zubringen; ferner, ihm den Begriff des sogenannten
Sommerhauses verständlich zu machen und näher zu bringen.
Dem Mißlichen, das in einem solchen Wettbewerbe ohne
bestimmten Bauplatz und Bauherrn der Natur der Sache
nach liegt, sollte dadurch begegnet werden, daß jeder Teil-
nehmer sein paus nicht nur für eine bestimmte Gegend
Deutschlands, sondern auch für einen durch speziellen
Lageplan genau zu charakterisierenden Bauplatz zu ent-
werfen hatte, über dessen Bodenbeschaffenheit (ob eben
oder hügelig), Lage zur Pimmelsrichtung, Verhältnis zur
Straße und zur etwa vorhandenen Aussicht ganz bestimmte
Angaben gemacht werden mußten, sofern nicht dem Ent-
wurf ein wirklich vorhandener Platz zugrunde gelegt worden
war. Die Aufgabe für die Teilnehmer war also, wie aus
obigen Angaben hervorgeht, in dem Wettbewerb klar
genug formuliert.
Zweitens: Das Preisgericht, dem außer Muthe-
sius noch die namhaften Künstler Theodor Fischer,
Richard Riemerschmid und Schultze-Naumburg an-
gehörten, ist bei der Prüfung der in hoher Zahl einge-
laufenen Wettbewerbarbeiten fo verfahren, daß zunächst
alle Entwürfe ausgeschaltet wurden, die den Voraussetzungen
im Baupreise nicht entsprachen. Dann wurden auch bei
den übrigbleibenden Entwürfen die Kalkulationen genau
nachgexrüft und endlich in letzter und in hauptsächlichster
Linie waren die künstlerischen Lösungen der Grundriß-
gestaltung usw. maßgebend. Das künstlerisch gute Ergebnis
des Wettbewerbes wird allgemein anerkannt, was die
Kostenberechnung betrifft, so ist sie, wenn nur die Kalku-
lationen als richtig befunden wurden, nicht anzufechten, da
der angenommene Durchschnittssatz von t6 Mk. für den
Kubikmeter umbauten Raumes im Prinzip von Autoritäten
als richtig anerkannt wird.
Drittens: Mit der Ausführung einzelner Ent-
würfe in Neufinkenkrug und Wandlitz hat das Preis-
gericht, wie gesagt, nicht das mindeste zu tun! Man
kann es den Preisrichtern auch wirklich nicht verdenken,
daß sie für diese Ausführungen nicht verantwortlich sein
wollen, denn einmal war es unsinnig, pänser, die für ganz
andere Gegenden Deutschlands und zum Teil für hügeliges
Terrain und besondere Bodenbedingungen usw. gedacht
waren, an einer beliebigen Stelle auf flaches Land neben-
einander zu stellen, und dann (das trifft vor allem auf die
Ausführungen in Neufinkenkrug zu) ist es angesichts der
scharfen, vorsichtigen und klaren Formulierung des Preis-
ausschreibens direkt als ein verbrechen an dem guten Ge-
danken desselben zu bezeichnen, daß die beabsichtigten kleinen
Sommerhäuser von den Baugesellschaften zu „Eigen-
heimen, welche den dauernden Aufenthalt im
Sommer und Winter ermöglichen" (Katalogvermerk),
umzustempeln versucht wurden, ein Vorgehen, das unbedingt
zum Fiasko und zur Diskreditierung des ganzen Unter-