Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 8.1908/1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0557
DOI issue:
Heft 40 (5. Huli 1909)
DOI article:Die Düsseldorfer Kunstausstellungen
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Die Werkstatt der Kunst
Organ kür ckie Inreresfen cler bilclencten Künstler
^eäakteur: ^ritz yellv-ag.
VIII. Jakrg. Ijekl 40. Z. Juli 1909.
Vie Düsseldorfer Kunstausstellungen
Bekanntlich sind im Düsseldorfer Kunstpalaste
zwei große, räumlich geschiedene Ausstellungen ver-
anstaltet worden, deren erste die profane, moderne
Kunst umfaßt, ein erfreulich hohes Niveau besitzt
und geeignet ist, das böse, hoffentlich endgültig ver-
pönte Wort von der „Düsseldorferei" gründlich zu
widerlegen. — Die zweite Ausstellung macht den
bemerkenswerten Versuch, zuerst auf historischer
Grundlage den Anteil zu zeigen, den die Kirche in
früheren Jahrhunderten an der Kunst genommen
hat. Bie erhebt sich aber weit über den Rahmen
derartiger retrospektiver Veranstaltungen, indem sie
daran ein Bild der heutigen, leider recht ziellosen,
kirchlichen Kunstpflege anschließt, — mit dem aus-
drücklichen, sehr dankenswerten Programm: durch
einen Vergleich von früher und jetzt zur Erkenntnis
begangener Fehler und Unterlassungen anzuregen
und den Weg aufzuzeigen, auf dem Kirche und
Kunst — jene als Auftraggeber und diese als Ver-
künder seelischen Volksempfindens — wieder Zu-
sammengehen und sich gegenseitig fördern und stützen
könnten.
Ls wurden bei der Eröffnung einige Reden ge-
halten, die wir nachstehend im Wortlaut wieder-
geben, weil sie die Wünsche der beteiligten Kreise
aufs deutlichste aussprechen.
Der Vorsitzende der Ausstellung für christliche
Kunst, Prof. Dr. Board, führte aus:
„Line Spezialausstellung, die durch ihren Lharakter
für sich selbst spricht, bedarf im allgemeinen keiner Ein-
führung, wohl aber eine Kunstausstellung, die bei mög-
lichster Vielseitigkeit nach dem Grundsätze reiner (Objektivität
aufgebaut ist. Der Gedanke, Werke christlicher Kunst ohne
Rücksicht auf Konfession, ohne Rücksicht auf bestimmte
künstlerische Anschauungen und Richtungen unter einem
Dache zu vereinigen, mag auf den ersten Blick etwas Be-
fremdendes an sich haben. Aber nur auf den ersten Blick.
Denn bei näherem vertrautwerden wird es dem Unbe-
fangenen klar, daß alle die vielfarbigen und verschieden-
artig gestalteten Gebilde, die wir in diesem Gebäude zu-
sammengebracht haben, doch vom gleichen Geiste, von dem
Geiste belebender Schöpferkraft, beseelt sind, der jedem
Kunstwerke, wenn es eben auf den Namen eines solchen
Anspruch machen darf, die weihe gibt.
Deshalb haben wir getrost Altes und Neues neben-
einander gestellt, in der sicheren Voraussicht, daß selbst die
schärfsten Gegensätze durch den gemeinsamer: künstlerischen
wert ausgeglichen werden.
Immerhin müssen wir, wenn wir unsere Ausstellung
in einen Rahmen spannen, in dem sich die Vertreter einer
idealistischen Richtung, wie die Nazarener, mit denen der
ausgesprochensten realistischen Richtung begegnen, von
vornherein erwarten, daß sich nach der einen oder anderen
Seite hin Widerspruch erhebt. Das ist es aber auch, was
wir wollen und wünschen. Denn nur aus der rückhaltlosen
Aeußerung, aus der offenen Aussprache kann das ins
rechte Licht gerückt werden, was an künstlerischen werten,
die nicht ohne weiteres in die Augen springen, in den
vorgeführten Werken steckt. Nur durch vergleich kann
das Gute herausgehoben, das Schlechte zurückgeschoben,
das Bleibende festgelegt werden.
Mehr wie jedes andere künstlerische Unternehmen sind
wir bei unserer objektiven Schau auf das Wohlwollen der
Beurteiler angewiesen, von denen wir erwarten, daß sie
ohne Voreingenommenheit vor die verschiedenartigsten
Werke treten sollen. Aber darauf rechnen wir, denn unsere
Aufgabe ist mit der Zusammenstellung des Materials er-
füllt, die weit größere, die der Sichtung und Prüfung, zu
der wir die berufenen Kreise, vor allen die Geistlichkeit
einladen, beginnt.
wir denken nicht daran, irgendeine Auffassung als
die allein gültige in den Vordergrund zu stellen, halten es
aber für unsere Pflicht, alles das, was sich mit künstle-
rischer Kraft betätigt, selbst wenn es unseren Anschauungen
nicht zusagt, zu Worte kommen zu lassen.
Jede Ausstellung strebt nach praktischen Erfolgen,
nicht am wenigsten auch die unserige, von der wir wohl
sagen können, daß sie aus den Bedürfnissen der Zeit heraus
entstanden ist. Die letzten Jahrzehnte waren für die
deutsche Kunst eine Zeit schweren Ringens nach neuen
Ausdrucksmitteln. Allzu sehr ist bei dem intensiven Stu-
dium der Natur nur eines zurückgetreten, ohne das die
kirchliche Kunst nun einmal nicht auskommen kann: der
Gedanke, der geistige Inhalt des Kunstwerkes.
wenn wir eine poffnung an unsere Ausstellung
knüpfen, so ist es die, daß die moderne Kunst ihre Lehren
aus dem tiefen Gehalte, der vielen älteren Werken inne-
wohne, ziehen möge, und daß anderfeits die nicht zu unter-
schätzenden Errungenschaften der modernen Kunst in die
Kirche Eingang finden mögen. Das ist nur eine Frage
der Zeit, denn immer hat sich die Kirche mit der leben-
digen Kunst abzufinden gewußt. Sie muß allerdings in
bezug auf die würde der Gbjekte bestimmte Forderungen
stellen, die sich nicht vergewaltigen lassen, und bei allem
guten Willen unserer Zeit, die kirchliche Kunst aus alten
Geleisen in neue aussichtsvolle Bahnen zu lenken, muß
deshalb jeder versuch, die Kirche für eine neue Schmuck-
kunst zu gewinnen, als verfehlt bezeichnet werden, wenn
er nicht in engster Fühlung mit den Vertretern der Kirche
unternommen wird. Diese Rücksichtnahme auf Forderungen,
die durch Ritus und Tradition festgelegt sind, schließt durch-
aus keine Einschränkung der künstlerischen Freiheit in sich.
Ebenso wie die Kirche unter Wahrung ihrer berechtigten
Ansprüche stets die lebendige Kunst zu assimilieren ver-
standen hat, ebenso haben auch die Künstler aller Zeiten,
seien es die der prunkhaften Barock- oder die der weltlichen
Rokokozeit, es verstanden, ihren Anforderungen gerecht zu
werden. Sollte es heute anders sein?
Die Notwendigkeit, der kirchlichen Kunst frische Kraft
zuzuführen, ist in den letzten Jahren von berufener Seite
wiederholt betont worden, wir halten es für unsere
Pflicht, ernsthaft den versuch zu machen, in welchem Um-
fange und mit welcher Kraft die große persönliche und
Organ kür ckie Inreresfen cler bilclencten Künstler
^eäakteur: ^ritz yellv-ag.
VIII. Jakrg. Ijekl 40. Z. Juli 1909.
Vie Düsseldorfer Kunstausstellungen
Bekanntlich sind im Düsseldorfer Kunstpalaste
zwei große, räumlich geschiedene Ausstellungen ver-
anstaltet worden, deren erste die profane, moderne
Kunst umfaßt, ein erfreulich hohes Niveau besitzt
und geeignet ist, das böse, hoffentlich endgültig ver-
pönte Wort von der „Düsseldorferei" gründlich zu
widerlegen. — Die zweite Ausstellung macht den
bemerkenswerten Versuch, zuerst auf historischer
Grundlage den Anteil zu zeigen, den die Kirche in
früheren Jahrhunderten an der Kunst genommen
hat. Bie erhebt sich aber weit über den Rahmen
derartiger retrospektiver Veranstaltungen, indem sie
daran ein Bild der heutigen, leider recht ziellosen,
kirchlichen Kunstpflege anschließt, — mit dem aus-
drücklichen, sehr dankenswerten Programm: durch
einen Vergleich von früher und jetzt zur Erkenntnis
begangener Fehler und Unterlassungen anzuregen
und den Weg aufzuzeigen, auf dem Kirche und
Kunst — jene als Auftraggeber und diese als Ver-
künder seelischen Volksempfindens — wieder Zu-
sammengehen und sich gegenseitig fördern und stützen
könnten.
Ls wurden bei der Eröffnung einige Reden ge-
halten, die wir nachstehend im Wortlaut wieder-
geben, weil sie die Wünsche der beteiligten Kreise
aufs deutlichste aussprechen.
Der Vorsitzende der Ausstellung für christliche
Kunst, Prof. Dr. Board, führte aus:
„Line Spezialausstellung, die durch ihren Lharakter
für sich selbst spricht, bedarf im allgemeinen keiner Ein-
führung, wohl aber eine Kunstausstellung, die bei mög-
lichster Vielseitigkeit nach dem Grundsätze reiner (Objektivität
aufgebaut ist. Der Gedanke, Werke christlicher Kunst ohne
Rücksicht auf Konfession, ohne Rücksicht auf bestimmte
künstlerische Anschauungen und Richtungen unter einem
Dache zu vereinigen, mag auf den ersten Blick etwas Be-
fremdendes an sich haben. Aber nur auf den ersten Blick.
Denn bei näherem vertrautwerden wird es dem Unbe-
fangenen klar, daß alle die vielfarbigen und verschieden-
artig gestalteten Gebilde, die wir in diesem Gebäude zu-
sammengebracht haben, doch vom gleichen Geiste, von dem
Geiste belebender Schöpferkraft, beseelt sind, der jedem
Kunstwerke, wenn es eben auf den Namen eines solchen
Anspruch machen darf, die weihe gibt.
Deshalb haben wir getrost Altes und Neues neben-
einander gestellt, in der sicheren Voraussicht, daß selbst die
schärfsten Gegensätze durch den gemeinsamer: künstlerischen
wert ausgeglichen werden.
Immerhin müssen wir, wenn wir unsere Ausstellung
in einen Rahmen spannen, in dem sich die Vertreter einer
idealistischen Richtung, wie die Nazarener, mit denen der
ausgesprochensten realistischen Richtung begegnen, von
vornherein erwarten, daß sich nach der einen oder anderen
Seite hin Widerspruch erhebt. Das ist es aber auch, was
wir wollen und wünschen. Denn nur aus der rückhaltlosen
Aeußerung, aus der offenen Aussprache kann das ins
rechte Licht gerückt werden, was an künstlerischen werten,
die nicht ohne weiteres in die Augen springen, in den
vorgeführten Werken steckt. Nur durch vergleich kann
das Gute herausgehoben, das Schlechte zurückgeschoben,
das Bleibende festgelegt werden.
Mehr wie jedes andere künstlerische Unternehmen sind
wir bei unserer objektiven Schau auf das Wohlwollen der
Beurteiler angewiesen, von denen wir erwarten, daß sie
ohne Voreingenommenheit vor die verschiedenartigsten
Werke treten sollen. Aber darauf rechnen wir, denn unsere
Aufgabe ist mit der Zusammenstellung des Materials er-
füllt, die weit größere, die der Sichtung und Prüfung, zu
der wir die berufenen Kreise, vor allen die Geistlichkeit
einladen, beginnt.
wir denken nicht daran, irgendeine Auffassung als
die allein gültige in den Vordergrund zu stellen, halten es
aber für unsere Pflicht, alles das, was sich mit künstle-
rischer Kraft betätigt, selbst wenn es unseren Anschauungen
nicht zusagt, zu Worte kommen zu lassen.
Jede Ausstellung strebt nach praktischen Erfolgen,
nicht am wenigsten auch die unserige, von der wir wohl
sagen können, daß sie aus den Bedürfnissen der Zeit heraus
entstanden ist. Die letzten Jahrzehnte waren für die
deutsche Kunst eine Zeit schweren Ringens nach neuen
Ausdrucksmitteln. Allzu sehr ist bei dem intensiven Stu-
dium der Natur nur eines zurückgetreten, ohne das die
kirchliche Kunst nun einmal nicht auskommen kann: der
Gedanke, der geistige Inhalt des Kunstwerkes.
wenn wir eine poffnung an unsere Ausstellung
knüpfen, so ist es die, daß die moderne Kunst ihre Lehren
aus dem tiefen Gehalte, der vielen älteren Werken inne-
wohne, ziehen möge, und daß anderfeits die nicht zu unter-
schätzenden Errungenschaften der modernen Kunst in die
Kirche Eingang finden mögen. Das ist nur eine Frage
der Zeit, denn immer hat sich die Kirche mit der leben-
digen Kunst abzufinden gewußt. Sie muß allerdings in
bezug auf die würde der Gbjekte bestimmte Forderungen
stellen, die sich nicht vergewaltigen lassen, und bei allem
guten Willen unserer Zeit, die kirchliche Kunst aus alten
Geleisen in neue aussichtsvolle Bahnen zu lenken, muß
deshalb jeder versuch, die Kirche für eine neue Schmuck-
kunst zu gewinnen, als verfehlt bezeichnet werden, wenn
er nicht in engster Fühlung mit den Vertretern der Kirche
unternommen wird. Diese Rücksichtnahme auf Forderungen,
die durch Ritus und Tradition festgelegt sind, schließt durch-
aus keine Einschränkung der künstlerischen Freiheit in sich.
Ebenso wie die Kirche unter Wahrung ihrer berechtigten
Ansprüche stets die lebendige Kunst zu assimilieren ver-
standen hat, ebenso haben auch die Künstler aller Zeiten,
seien es die der prunkhaften Barock- oder die der weltlichen
Rokokozeit, es verstanden, ihren Anforderungen gerecht zu
werden. Sollte es heute anders sein?
Die Notwendigkeit, der kirchlichen Kunst frische Kraft
zuzuführen, ist in den letzten Jahren von berufener Seite
wiederholt betont worden, wir halten es für unsere
Pflicht, ernsthaft den versuch zu machen, in welchem Um-
fange und mit welcher Kraft die große persönliche und