Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 8.1908/1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0053
DOI issue:
Heft 4 (26. Oktober 1908)
DOI article:Rothe, Friedrich: Strafrechtliches aus dem Urheberrecht!
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0053
Die Werkstatt der Kunst
Organ für ctie Interessen der bilctenclen Künstler
Keäaktem: yeUxvag.
VIII. Jakrg. I)skt 4. 26. Oktober 1908.
StrakrecktUcbes aus dem vlrbeberrecbt!
Ls war von vornherein jedem mit der Materie
vertrauten klar, daß der durch das neue Kunstschutz-
gesetz den Künstlern gewährte strafrechtliche Schutz
kein ausreichender sein würde, da nur die vor-
sätzliche, nicht aber die fahrlässige Rechtsverletzung
unter Strafe gestellt wird, und der Nachweis des
Vorsatzes bei Verstößen gegen das Urheberrecht
äußerst schwer zu prüfen ist.
wie begründet die Bedenken waren, die die
Vertreter der Künstlerschaft bei der Beratung des
Gesetzes hiergegen erhoben, zeigt wieder einmal
treffend folgender Fall, der sich kürzlich ereignet hat.
Lin Berliner Bildhauer erblickte in einem Laden
die in Porzellan ausgeführte Reproduktion eines
seiner Werke, das in der Nationalgalerie steht. Die
Ermittelungen ergaben, daß die Reproduktion, zu
der der Künstler natürlich niemals seine Genehmi-
gung erteilt hatte, von einer größeren Thüringer
Porzellanfabrik herrührte. Der Künstler stellte Straf-
antrag gegen die Inhaber der Fabrik, die Staats-
anwaltschaft erhob Anklage und die Sache kam zur
Hauptverhandlung vor die Strafkammer. Hier ver-
teidigten sich die Angeklagten, die die Reproduktion
nach einer Abbildung aus einer illustrierten Zeitung
hergestellt hatten, damit, daß sie geglaubt hätten,
ein in der Nationalgalerie befindliches Werk sei
Allgemeingut der Nation und könne von jedem
nachgeahmt werden. Die Strafkammer war nicht
in der Lage, die Unwahrheit dieser Behauptung
fest zu stellen und sprach die Angeklagten frei, weil
sich eine vorsätzliche Rechtsverletzung nicht nachweisen
lasse. Bei der Urteilsbegründung soll, wie mir der
Künstler mitteilte, der Vorsitzende noch geäußert
haben, es sei immerhin zweifelhaft, ob dem Künstler
das Urheberrecht überhaupt zustehe, da sich sein
Werk in der Nationalgalerie befinde.
Abgesehen von dieser letzten, nur durch große
Unkenntnis des Urheberrechts erklärlichen Bemer-
kung wird man das Urteil der Strafkammer gar
nicht verurteilen können. Schuld an dem bedauer-
lichen Ausgange des Verfahrens sind nicht die
Richter, sondern das Gesetz, das den Künstler
nicht ausreichend schützt und dem Diebe des geistigen
Eigentums tausend Hintertüren offen läßt.
In einem andern Falle war ein Künstler in
Konflikt mit dem Strafgesetz gekommen.
Lin Bildhauer hatte unter der Herrschaft des
alten Kunstschutzgesetzes die Büste eines Kindes auf
Bestellung des Vaters geschaffen und in der Kunst-
ausstellung ausgestellt. Um das Neproduktionsrecht
für Ansichtskarten bewarb sich die Neue Photogra-
phische Gesellschaft. Der Künstler erteilte seine Zu-
stimmung zur Reproduktion unter der Bedingung,
daß der Vater des Kindes seine Einwilligung gebe,
und versuchte sich bald darauf telephonisch mit diesem
in Verbindung zu setzen. Auf seinen Anruf erschien
die Mutter des Kindes am Telephon. Der Künstler
teilte ihr mit, daß die Neue Photographische Gesell-
schaft die Büste „in Verlag bringen" wolle und bat
um die Erlaubnis, sie photographieren zu dürfen.
Diese erteilte die Mutter in der Annahme, daß
es sich nur um eine Abbildung für den Katalog
handle. Nunmehr brachte die Neue Photographische
Gesellschaft die Karte in den Handel, und zwar setzte
sie, entgegen der mit dem Künstler ausdrücklich ge-
troffenen Vereinbarung, den vollen Namen des
Kindes darunter.
Hierdurch erzürnt, erstattete der Besteller Straf-
anzeige und die Staatsanwaltschaft erhob Anklage
gegen den Künstler, weil er die Genehmigung des
Vaters als des Bestellers nicht eingeholt habe. Die
Strafkammer lehnte jedoch die Eröffnung des Haupt-
verfahrens ab, weil der Künstler habe annehmen
dürfen, daß der Besteller durch seine Ehefrau von
dem telephonischen Gespräch Mitteilung erhalten
habe, und wenn er nicht zustimme, die Erlaubnis
zurücknehmen werde. Da dies nicht geschehen sei,
habe sich der Künstler mit Recht in dem Glauben
befunden, daß die Genehmigung erteilt sei.
Die Entscheidung ist zutreffend. Zur Repro-
duktion der Büste war zweifellos die Zustimmung
des Vaters erforderlich, weil nach K 8 des Gesetzes
vom 9. Januar s876 das Urheberrecht bei Porträt-
büsten auf den Besteller übergeht. Strafbar ist
nach diesem Gesetz, wer vorsätzlich oder fahrlässig
eine unbefugte Nachbildung veranstaltet oder einen
andern zur Veranstaltung einer solchen veranlaßt.
von einer Veranstaltung durch den Künstler
kann nun freilich keine Rede sein, wohl aber wird
man sagen müssen, daß er durch die in gutem
Glauben gemachte, aber objektiv unrichtige Mit-
teilung an die Reproduktionsanstalt die Nachbildung
oder deren Verbreitung veranlaßt hat. Es kam
also in der Tat darauf an, ob der Künstler sich
im guten Glauben befand.
Nach dem neuen Kunstschutzgesetz hätte dagegen
auf feiten des Künstlers überhaupt kein ver-
stoß gegen das Gesetz vorgelegen. Die Zustimmung
Organ für ctie Interessen der bilctenclen Künstler
Keäaktem: yeUxvag.
VIII. Jakrg. I)skt 4. 26. Oktober 1908.
StrakrecktUcbes aus dem vlrbeberrecbt!
Ls war von vornherein jedem mit der Materie
vertrauten klar, daß der durch das neue Kunstschutz-
gesetz den Künstlern gewährte strafrechtliche Schutz
kein ausreichender sein würde, da nur die vor-
sätzliche, nicht aber die fahrlässige Rechtsverletzung
unter Strafe gestellt wird, und der Nachweis des
Vorsatzes bei Verstößen gegen das Urheberrecht
äußerst schwer zu prüfen ist.
wie begründet die Bedenken waren, die die
Vertreter der Künstlerschaft bei der Beratung des
Gesetzes hiergegen erhoben, zeigt wieder einmal
treffend folgender Fall, der sich kürzlich ereignet hat.
Lin Berliner Bildhauer erblickte in einem Laden
die in Porzellan ausgeführte Reproduktion eines
seiner Werke, das in der Nationalgalerie steht. Die
Ermittelungen ergaben, daß die Reproduktion, zu
der der Künstler natürlich niemals seine Genehmi-
gung erteilt hatte, von einer größeren Thüringer
Porzellanfabrik herrührte. Der Künstler stellte Straf-
antrag gegen die Inhaber der Fabrik, die Staats-
anwaltschaft erhob Anklage und die Sache kam zur
Hauptverhandlung vor die Strafkammer. Hier ver-
teidigten sich die Angeklagten, die die Reproduktion
nach einer Abbildung aus einer illustrierten Zeitung
hergestellt hatten, damit, daß sie geglaubt hätten,
ein in der Nationalgalerie befindliches Werk sei
Allgemeingut der Nation und könne von jedem
nachgeahmt werden. Die Strafkammer war nicht
in der Lage, die Unwahrheit dieser Behauptung
fest zu stellen und sprach die Angeklagten frei, weil
sich eine vorsätzliche Rechtsverletzung nicht nachweisen
lasse. Bei der Urteilsbegründung soll, wie mir der
Künstler mitteilte, der Vorsitzende noch geäußert
haben, es sei immerhin zweifelhaft, ob dem Künstler
das Urheberrecht überhaupt zustehe, da sich sein
Werk in der Nationalgalerie befinde.
Abgesehen von dieser letzten, nur durch große
Unkenntnis des Urheberrechts erklärlichen Bemer-
kung wird man das Urteil der Strafkammer gar
nicht verurteilen können. Schuld an dem bedauer-
lichen Ausgange des Verfahrens sind nicht die
Richter, sondern das Gesetz, das den Künstler
nicht ausreichend schützt und dem Diebe des geistigen
Eigentums tausend Hintertüren offen läßt.
In einem andern Falle war ein Künstler in
Konflikt mit dem Strafgesetz gekommen.
Lin Bildhauer hatte unter der Herrschaft des
alten Kunstschutzgesetzes die Büste eines Kindes auf
Bestellung des Vaters geschaffen und in der Kunst-
ausstellung ausgestellt. Um das Neproduktionsrecht
für Ansichtskarten bewarb sich die Neue Photogra-
phische Gesellschaft. Der Künstler erteilte seine Zu-
stimmung zur Reproduktion unter der Bedingung,
daß der Vater des Kindes seine Einwilligung gebe,
und versuchte sich bald darauf telephonisch mit diesem
in Verbindung zu setzen. Auf seinen Anruf erschien
die Mutter des Kindes am Telephon. Der Künstler
teilte ihr mit, daß die Neue Photographische Gesell-
schaft die Büste „in Verlag bringen" wolle und bat
um die Erlaubnis, sie photographieren zu dürfen.
Diese erteilte die Mutter in der Annahme, daß
es sich nur um eine Abbildung für den Katalog
handle. Nunmehr brachte die Neue Photographische
Gesellschaft die Karte in den Handel, und zwar setzte
sie, entgegen der mit dem Künstler ausdrücklich ge-
troffenen Vereinbarung, den vollen Namen des
Kindes darunter.
Hierdurch erzürnt, erstattete der Besteller Straf-
anzeige und die Staatsanwaltschaft erhob Anklage
gegen den Künstler, weil er die Genehmigung des
Vaters als des Bestellers nicht eingeholt habe. Die
Strafkammer lehnte jedoch die Eröffnung des Haupt-
verfahrens ab, weil der Künstler habe annehmen
dürfen, daß der Besteller durch seine Ehefrau von
dem telephonischen Gespräch Mitteilung erhalten
habe, und wenn er nicht zustimme, die Erlaubnis
zurücknehmen werde. Da dies nicht geschehen sei,
habe sich der Künstler mit Recht in dem Glauben
befunden, daß die Genehmigung erteilt sei.
Die Entscheidung ist zutreffend. Zur Repro-
duktion der Büste war zweifellos die Zustimmung
des Vaters erforderlich, weil nach K 8 des Gesetzes
vom 9. Januar s876 das Urheberrecht bei Porträt-
büsten auf den Besteller übergeht. Strafbar ist
nach diesem Gesetz, wer vorsätzlich oder fahrlässig
eine unbefugte Nachbildung veranstaltet oder einen
andern zur Veranstaltung einer solchen veranlaßt.
von einer Veranstaltung durch den Künstler
kann nun freilich keine Rede sein, wohl aber wird
man sagen müssen, daß er durch die in gutem
Glauben gemachte, aber objektiv unrichtige Mit-
teilung an die Reproduktionsanstalt die Nachbildung
oder deren Verbreitung veranlaßt hat. Es kam
also in der Tat darauf an, ob der Künstler sich
im guten Glauben befand.
Nach dem neuen Kunstschutzgesetz hätte dagegen
auf feiten des Künstlers überhaupt kein ver-
stoß gegen das Gesetz vorgelegen. Die Zustimmung