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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 8.1908/​1909

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Heft 39 (28. Juni 1909)
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D.W.D.K.: Die Kunst in Wiesbaden
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Die Werkstatt der Kunst
Organ für ctie Interessen äer bilclenclen Künstler

I^eäakteur: ^riiz hellv-ag.

VIII. Jakrg. * hekl 39. O 28. Juni 1909.

Vie Kunst in Miesbacten

In Wiesbaden bewegt sich das ganze Jahr, besonders
aber im Sommer ein Strom distinguierter Fremder nnd
Passanten, der dieser Stadt das Gepräge eines vornehmen,
internationalen Kurortes gibt. Um so mehr war es zu verwun-
dern, daß an ihm kein rechtes Kunstleben ausblühen wollte.
Wohl hat sich der Kunsthändler R. Banger seit
Jahren, auch mit gutem Erfolge, bemüht, in seinen großen
Kunstsälen gute Gemälde in wechselnden Ausstellungen
vorzusühren. Ja, er ist in seinen Bestrebungen über die
üblichen Grenzen des eigentlichen Kunsthandels hinaus-
gegangen, indem er an praktischen Beispielen die Fort-
schritte der modernen Gartenarchitektur zeigte. Seit einiger
Zeit hat auch der Kunstsalon Aktuaryus durch die Pflege
guter Kunst an der pebung des Kunstverständnisses eifrig
mitgearbeitet.
Um so schwerwiegender ist der Tadel, der den zur
Kunstpflege in erster Linie berufenen Naffauifchen
Kunstverein treffen muß, weil er seine Aufgabe in gröb-
lichster weise vernachlässigt hat. Er veranstaltete wohl
periodische Kunstausstellungen im Museum, aber sie spotten
sowohl in Pinsicht auf das Gebotene, als auch besonders
in ihrer Form wirklich jeder Beschreibung, wir wissen
nicht, in welchen Winkel des deutschen Reiches man gehen
müßte, um derartige Zustände wieder zu finden. Irr den
hohen Parterreräumen des Museums sind die wände bis
an die Decke buchstäblich mit Gemälden bedeckt, und zwar
sind die Bilder ganz ohne jedes Abstimmen, ohne irgend-
einen plan wahllos, nur nach der bestimmenden Größe
des gerade freien Fleckes durcheinander gehängt. Man
sieht alte Gemälde z. B. von Snyders im braunen Galerie-
ton neben einer knallig-violetten modernen Landschaft und
so fort. Statt den zahlreichen Bestand an guten und
minder guten Kunstschätzen abteilungsweise vorzuführen,
konnte sich der Galerieverwalter von „seinen Bildern" nicht
trennen und verdarb damit jede mögliche Wirkung. Und
vor diesem festen Galeriebestand stehen auf Staffeleien die
Gemälde des wechselnden Tnrnus, — das Allerminder-
wertigsie, was überhaupt aufzutreiben ist. Man kann es
gar nicht abschätzen, was für Schaden der Nassauische
Kunstverein mit dieser Art von „Kunstausstellung" in
Wiesbaden angerichtet haben mag! Pier ist wohl die
Ursache zu suchen, die ein rechtes Kunstleben in der großen
Fremdenstadt immer im Keime vernichtete, von einem
Kunstgenuß konnte in diesen Räumen keine Rede sein,
wohl aber von einer unübertrefflichen Anleitung, wie man
es nicht machen darf. All das ist gewiß keine Ueber-
treibung; wer es anders weiß, der gebe seine Berichtigung.
Die Stadtverwaltung tat ihrerseits einen guten Griff,
als sie den Bau des neuen Kurhauses dem Architekten
Prof. Friedrich von Thiersch übertrug, der wieder für
die Decken- und Wandgemälde den Prof. Fritz Lrler heran-
zog. Die vielbesprochenen Bilder müssen wie schmetternde
Fanfaren die armen Kunstvereinsbesncher aus der Museums-
hypnose erweckt haben!

Dauernden Erfolg wird hoffentlich die „Erste große
Kunstausstellung Wiesbaden ldvy" bringen, die mit
erstaunlicher Schnelligkeit aus dem Boden gewachsen ist
und doch im großen und ganzen eine reife Frucht zeit-
genössischen Kunstschaffens und praktischer Ausstellungs-
technik darstellt. Sie ist eigentlich so ganz nebenher her-
vorgebracht worden, denn die Kunstabteilung ist in das
Programm der „Ausstellung für pandwerk und Gewerbe"
erst später eingegliedert worden. Allerdings bildet sie jetzt
ihren Mittelpunkt. Auch mit dieser Wiesbadener Ausstel-
lung schien es zuerst schief zu gehen. Man hatte, ohne
praktische Erfahrung in derlei Dingen, eine große Anzahl
von Künstlern eingeladen — eine Auswahl ihrer Werke
zu schicken! Das verursachte natürlich enorme Kosten, weil
die Lingeladenen mit Recht volle Frachtvergütung bean-
spruchten. Man muß hervorheben, daß sie sie auch erhalten
haben. Aber nach derartigen Fehlern war es nur begreif-
lich, daß man sich nach einem erfahrenen Ausstellungsleiter
umsah, der in Direktor Schall aus Baden-Baden gefunden
wurde. Dieser hat, obwohl ihm die pände durch die be-
reits erfolgten zahlreichen Einladungen sehr gebunden waren,
im Verein mit Robert poffmann, peinrich Jobst, Josef
Kowarzik, Phil. Modrow, Theodor Ghlsen und besonders
Pans völcker, doch noch eine, nicht nur für Wiesbadener
Verhältnisse ganz respektable Ausstellung geschaffen. Der
Bau zeigt innen und besonders außen sehr schöne Verhält-
nisse und ist mit geringen Mitteln erbaut und ausgestattct
nach Plänen von Pans völcker. Ls sind recht viel gute
Gemälde zu sehen und besonders aber die Plastik ist gut
vertreten, von der man vordem wohl kaum Gutes zu sehen
bekommen hat.
Jedenfalls ist dem Nassauischen Kunstverein nun ein-
mal gezeigt worden, was an seinem Grte geleistet werden
kann, wenn nicht mit hergebrachtem Schlendrian, sondern
mit berufenen Kräften gearbeitet wird. Möge er in seinem
jetzt geplanten Neubau mit dem alten System brechen und
sich die ohne seine Verdienste, ja im Gegensatz zu seinem
bisherigen wirken geschaffene günstige Lage dauernd zunutze
machen. Dann kann auch in Wiesbaden ein Kunstverständnis
und eine Kunstpflege erblühen, die allen Beteiligten zur
Ehre und zum Vorteil gereichen wird. v. W. v. K.

Oruckfebler-kericktigung

In der vorigen Nummer ist in der Aufzählung der
Mitglieder des Vorstandes der „Gesellschaft für deutsche
Kunst im Auslande" hinter den Namen des perrn Prof.
GttoP. Engel irrtümlich gesetzt worden: Vizepräsident
des Deutschen Künstlerbund es. Serr Prof. Mtto v.
Engel ist nicht im Vorstand des „Deutschen Künstlerbundes"
und unseres wissens überhaupt nicht Mitglied dieser
Korporation. O. W. O. X.
 
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