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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 8.1908/​1909

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Heft 3 (19. Oktober 1908)
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Schmidkunz, Hans: Das Porträt
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Der Paragraph 20 des Kunstschutzgesetzes
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https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0043

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heft 3.

Die Werkstatt der Kunst.

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fehlungen: die abgebildete Gestalt kann gänzlich „heraus-
fallen", und sie kann „aufgesaugt" werden. Ist ein Bildnis
so auf seinen Hintergrund gemalt, daß alles plastisch durch-
geführt erscheint, während der Hintergrund mehr nur An-
strcicherarbeit bleibt, so „fällt es aus dem Rahmen";
anderenfalls „tritt es nicht hervor", wenn es unselbständig
in den Hintergrund hineingearbeitet, von ihm eingehüllt
oder gar von allem möglichen Beiwerk erdrückt ist. Soll
es mit seinem Hintergründe zusammen eine Gesamtfläche
bilden, die eine gesamte Raumwelt darstellt, so darf es doch
auch wieder nicht lediglich „Tapete" sein, und dies ebenso-
wenig, wie es hinwieder „Kulisse" sein dürfte.
Die „Tapete" liegt gerade heute ebenso nahe, wie die
„Kulisse" früheren Zeiten nahegelegen ist. Auch die Auf-
saugung durch den Hintergrund, dann die Erdrückung durch
das Beiwerk, ja sogar das Fehlen fast alles Hauptwerkes
von vornherein ist aus Sezessionsausstellungen bekannt.
Da mögen sich manche interessante Farbenskizzen und Kleider-
studien finden, die alles eher sind, als gerade ein Porträt.
Die Vorsicht, nicht ins „Genre" zu fallen, wo beim Porträt
geblieben werden soll, war wohl jedem guten Künstler seit
jeher eigen und mag heute nur noch dringender sein, als
sonst. — Schließlich ist auch die Frage der Aufstellung und
speziell Belichtung nicht zu vergessen, die allerdings noch
ein eigenes Kapital ergeben würde.
So können die vier doppelten Schwierigkeiten, zwischen
denen der Porträtist durchzusegeln hat, uns auch die Schwierig-
keiten erklären, von denen aus wir unsere Betrachtung be-
gonnen haben. Ueberwunden werden sie natürlich auch
mit solchen Aufklärungen nicht so bald werden. Zumal
die Unfähigkeit, über das Interesse am Inhalt, hier also
an der porträtierten Person, zum Interesse an der künstle-
rischen Sprache vorzudringen, ist ja beim Publikum der
härteste Schaden für die Kunst.
Bleibt noch die Frage, wie der Künstler das alles
seinem Besteller in Kürze klar machen soll, hier hilft
vielleicht nicht, aber gebührt wenigstens nur das Line:
das verlangen, die Kunst nicht mit der Technik, in diesem
Fall also den Maler usw. nicht mit dem Photographen zu
verwechseln. Wer sich an den Künstler wendet, erklärt
damit sein vertrauen auf ihn, und zwar speziell auf diesen
einen individuellen Künstler. Und wer das nicht versteht,
ist eben noch nicht um die Lcke heruin, an welcher der
U)eg vom Handwerke zur Kunst führt. Die Einsicht in
diesen Weg läßt sich allerdings nur durch eine künstlerische
Gesamtbildung des Volkes erzielen.

Der Paragraph 20 des Runstlehutz-
- geletzes. _

I.
Zu unserem Artikel über wasmuth wird uns
noch folgender Fall berichtet, der mit einem anderen Ver-
leger passierte.
„Für ein von mir erbautes Restaurant in Frankreich
war ein Verleger eingenommen, der davon eine kleine
Sonderpublikation herausgeben wollte, die mir nicht
nur in materieller Beziehung vorteilhaft, sondern auch sonst
von Wert gewesen wäre, da ein selbständiges Werk, sei es
auch klein, von größerem moralischen Nutzen ist als ver-
streute Abbildungen in den Zeitungen und Zeitschriften.
Da erschien plötzlich in einer österreichischen Architektur-
zeitschrift (verlagsniederlafsung auch in Leipzig) eine Reihe
von Abbildungen der Innenräume des Restaurants! Mein
Verleger trat darauf erzürnt voin Vertrag zurück, da er
jetzt kein Interesse mehr an der Publikation hatte. Weil
ich nun einen Schaden direkt nach weis en*) konnte, ver-
folgte ich die Sache. Obgleich ich meinem Auftraggeber
(Bauherrn) das feste versprechen abgenommen hatte, daß

er ohne meine spezielle Anweisung keine Aufnahme ge-
statten sollte, hatten die von dem österreichischen Verlag
beauftragten Photographen die Aufnahme der Innenräume
doch bewerkstelligt, weil sie dreist behaupteten, sie hätten
die Erlaubnis direkt von mir und ich hätte ihnen sogar
die Standpunkte angegeben! Dieser Schwindel hätte mir
nun erst recht eine handhabe bieten müssen. Allein es stellte
sich heraus, daß jener Verlag nur einen kleiner: Kolporteur
in Leipzig hatte, der aussagte, er hätte keine Ahnung von
dem Inhalt der Zeitschrift, weil er die verpackten hefte,
die er aus Oesterreich bekäme, nur an die einzelnen Ab-
nehmer zu versenden habe. Das deutsche Gericht teilte
mir mit, daß es nichts machen könnte, ich müßte die Firma
in Oesterreich verklagen und dazu einen österreichischen
Rechtsanwalt nehmen; die Prozeßerhebung in Oesterreich
würde sehr umständlich sein und sehr lange dauern, außer-
dem hätte ich dort nur geringe Aussicht auf Erfolg und
man gäbe mir den guten Rat, der durch Erfahrung be-
gründet sei, die Sache aufzugeben. — Komisch war der
Schluß der Affäre. Die Firma wußte sicher genau, daß
ich mein Recht nicht finden konnte, denn eines Tages er-
schien bei mir ein Reisender und bemerkte, ich möchte nur
ganz stille sein und nicht von gestohlenen Aufnahmen
sprechen, sonst würde die Firma wegen Schädigung
ihres Rufs mich belangen!"
II.
Auch das nachstehende Erlebnis wird unsere
Leser interessieren.
„Im andern Falle handelt es sich um die Ladenfassade
des Hofjuweliers W.; der Bauherr war nach der Fertig-
stellung und Abrüstung so befriedigt, daß er die Befürch-
tung aussprach, diese Architektur würde wohl bald in allen
Einzelheiten nachgeahmt werden, und er hatte den lebhaften
Wunsch, seine Fassade zu schützen. Es wurde aber
festgestellt, daß dies nicht möglich sei. So wollte er denn
wenigstens die Buchstaben seiner Firma, die ihm
sehr gefielen, gegen Nachahmung sichern; auch dies ging
nicht an, da die Buchstaben schon an der Fassade angebracht
waren; sie waren damit also schon an die Geffentlichkeit
gebracht worden. Ein Musterschutz wäre nur möglich ge-
wesen, wenn er auf Grund einer Photographie, vor der
Veröffentlichung durch Anbringen an der Fassade, nachge-
sucht hätte. Die Befürchtung des Bauherrn hat sich be-
stätigt, denn die Art und Weise dieser Fassade ist mehr
oder weniger schlecht verschiedentlich nachgemacht worden
und die Buchstaben sind, wenn auch neu modelliert, sehr
wenig verändert, jedoch in demselben Charakter und in der-
selben Linienführung, später für ein bekanntes Weinhaus
zur Verwendung gekommen. Die Ladenfassade hat also
wohl vielen Beifall gefunden, und der ausführende Stein-
metz und andre haben, da die Nachahmungen doch auf den
Wunsch der neuen Bauherren zurückzuführen sind, Aufträge
dazu erhalten; — nach dem Architekten ist auch nicht
eine Anfrage gewesen!"
III.
Nun noch ein dritter Fall, der hierher gehört.
„Ein Architekt hatte seinem Maurermeister, der für
ihn eine Villa in einer kleineren Stadt auszusühren hatte,
große Details für verschiedene Putzornamente gegeben und
dessen Leute für diese Technik noch angelernt. Der Maurer-
meister benutzte flugs genau dieselben Details für ein
paus, das er selbst baute, worüber natürlich jener Architekt
sehr ärgerlich war. Der forderte sofort seine Details zurück,
die selbstverständlich nicht mehr vorhanden waren, und wie
nun der Architekt über diesen Diebstahl sehr aufgebracht
wurde, verschüttete er es noch mit seinem Bauherrn, der
das Benehmen des Architekten gegen den Maurermeister
einer solchen Kleinigkeit (!) wegen unerhört unanständig
fand. Dieser Fall zeigt deutlich, welche Ansicht im
Publikum über das geistige Eigentum des Archi-
tekten herrscht!"
 
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