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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 8.1908/​1909

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Heft 2 (12. Oktober 1908)
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Schmutzer, Andreas: Eine Denkmal-Geschichte in Koburg
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Das Segantini-Museum in St. Moritz
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https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0026

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Die Werkstatt der Kunst.

Heft 2.

würde. Unverzüglich sollte die Büste ftg kleiner gemacht
werden. Nun besteißigte ich mich, sachlich auseinanderzu-
setzen, daß unmöglich die Büste zu groß sein könnte und
bat, doch an Drt und Stelle (an der Steinarchitektur selbst)
Kontrolle zu üben. Das Modell der Büste war nämlich mit
Architekturteilen geformt und sie konnte meiner Mei-
nung nach nicht rein für sich einer Beurteilung unterzogen
werden. Den Aufforderungen, Aenderungen vorzunehmen,
wäre ich gern nachgekommen, aber da solche außer unseren
Abmachungen lagen, beanspruchte ich, daß mir Reise und
Arbeitstage extra vergütet würden. Dies wurde von seiten
des dortigen Magistrats bezw. dessen Stellvertreter in Person
des dortigen Baurats stets umgangen, ja der Baurat
ließ, ohne meine Arbeit mir gänzlich zur Verfügung zu
stellen oder dieselbe prompt zu begleichen, meine Büste
kopieren, und zwar von einem vollständig unbekannten,
aus der Porzellanbranche zur Kunst übergegangenen ganz
jungen Modelleur. Letzterer hat
allerdings durch die Gnade,
Se. König!. Hoheit den Herzog
und Ihre Hoheit die Frau
Herzogin zu porträtieren, ein
Privileg, ohne Schule jeden-
falls und Erfahrungen sich
gleichberechtigt mit Künstlern
zu fühlen! Diese Kopie nach
meiner Büste soll nach Aussage
des Stifters einen Zoll ungefähr
kleiner fein. Die Büste selbst
steht jetzt aber nicht in einer ge-
schlossenen Nische, sondern frei
und in der Fläche von Säulen
und Gebälk umkränzt. — Meine
Schritte, die ich, durch das Vor-
gehen genötigt, unternahm, um
Strafantrag wegen Verletzung
des Urheberrechts bezw. Ver-
leitung dazu zu stellen, wurden
von seiten des Staatsanwaltes
als hinfällig erklärt, da eine
neue Büste entstanden sei.*)
Nun ist aber nach persönlicher
Augenscheinnahme tatsächlich
nicht nur Haltung, Silhouette,
Medaillon, sogar die Nägel,
über die ich Gehänge legte,
mein geistiges Produkt. Neben-
sächlichkeiten und nur Gehänge
sind neu entstanden, letztere
wurden statt Eichenlaub —
Rosengehänge. Ls ist alles,
was einigermaßen der kopierten
Büste zugute kommt, mein
geistiges Eigentum, und alles
andere kennzeichnet die Minder-
begabung betreffenden Modeleurs. Schon die Raumverhält-
niffe, wo die Arbeit kopiert wurde, und das eigene Ein-
geständnis des betreffenden Modelleurs, daß er kopiere,
ließen erkennen, daß nicht eine frei entstandene Arbeit vorge-
nommen und Schwierigkeiten überwunden zu werden brauchten,
die ich bei meiner Arbeit hatte finden und überwinden müssen.
Alle die eingeladenen Herren, die bei Besichtigung der Büste
zugegen waren, versicherten mir, daß meine Arbeit gut sei
und daß sie weiter nichts auszusetzen hätten, als eben die
vom Baurat betonte Größe. Aus den Aussprachen mit

*) Anmerkung der Schriftleitung. Die D b erflä ch lich keit
kannt. — Uebrigen; gehörte d i e s e Angelegenheit gar nicht vor die Staats-
anwaltschaft, weil diese Behörde nur solche urheberrechtlichen Delikte ver-
folgt, bei denen der Nachbildner b ö s w i l l i g gehandelt hat. Hier arbeitete
der Plagiator aber im Auftrage einer Behörde, deren Kompetenz er nicht
anzuzweifeln brauchte. Lr handelte damit nicht böswillig, sondern nur

dem Baurat stellte ich fest, daß ihm plötzlich nicht die Ver-
hältnisse der ganzen Figur zu groß seien, sondern nur die
des Kopfes für sich allein. Alle meine Vorstellungen, daß
ich nach dem Urteil großer Gießereien f cm Schwindemaß
— (er behauptete, f mm sei genügend, was nicht zutrifft) —
rechnen müßte, fruchteten nichts.
Nunmehr ließ sich erkennen, daß alles andere vorlag,
nur nicht ein stichhaltiges verschulden meinerseits. Be-
trachtet man überhaupt die Vergewaltigung mit dein Kopieren,
so muß man fragen, hat man keinen Schutz gegen solche
Handlungsweise?! wenn man Zahlenverhältnisse der
Plastik zur Architektur verlangt, sollte nur ein Mindest-
maßstab l : 20 im allgemeinen festgelegt werden. Da in
meinem Falle die Plastik, als Porträtbüste, in diesem Maß-
stabe f: 20 nicht mal die Naturgröße erreichte, so mußte
sie „logisch" als Architektur behandelt werden. Bei Ab-
nahme eines solchen Denkmals hat nicht allein der Stifter,
der wohl die Person am besten
kannte, sondern auch der Archi-
tekt mit dem Künstler die
Besichtigung im Atelier vor-
zunehmen. — welche Rolle
spielte eigentlich der Stifter
selbst? Hätte man nicht die
Architektur mit wenig Mitteln,
und wie hier zum Vorteile, ver-
bessern können, ohne gleich eine
teure Abänderung der Plastik
zu bestimmen, zum Nachteile des
Werkes? Obgleich mir die Ver-
gütung bewilligt wurde, ist doch
mein moralischer Schaden durch
Vernichtung meines jahrelangen
Fleißes und Strebens nicht wett
zu machen, und deshalb möchte
ich in sachlicher weise meine
Kollegen warnen, in solchen
Fällen auf der Hut zu sein.
Berlin 8XV.,
Wartenburgstraße fH.
H-rutre Lcbmutrer,
Bildhauer.

.— Das m
Segantmi-Museum
H! m St. Moritz.
In St. Moritz im Engadin
ist ein Seg an tini-Museum
eröffnet worden. Der Berner
„Bund" schreibt darüber: wenn man von St. Moritz-Dorf auf
der Landstraße gegen Eampfer wandert, so kommt man an
eine Stelle, von der man einen herrlichen Blick auf den St.
Moritzer See und die Berge um den Piz Languard genießt;
die Häusermassen von St. Moritz selbst sind dem Auge durch
eine Baumgruxpe verdeckt. Von hier schweift der Blick
hinüber auf den Schafberg, wo Segantini in den
letzten Jahren seines Lebens die herrlichsten Werke ge-
schaffen, wo er die letzten Blicke auf seine geliebten Berge
geworfen hat. Man konnte kaum eine bessere Stelle finden.
Hier erhebt sich nun ein ernstes Bauwerk, aus gewaltigen
Rohsteinen aufgeführt. Es ragt in den waldigen Hang
oberhalb der Straße hinein. Das Ganze ist in edlen, ein-
fachen Formen gehalten, ein rechtes Weihehaus! Ueber
dem hohen, turmartigen Hauptgebäude wölbt sich eine
Kuppel; darunter große runde Fenster, die das Licht ver-
teilen, so daß keine direkten Strahlen in die Räume fallen.
Dem Hauptbau ist eine Vorhalle mit Giebeldach, großem
Rundbogenfenster und weitem Portal vorgelagert, zu dem
 
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