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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 8.1908/​1909

DOI issue:
Heft 48 (27. September 1909)
DOI article:
Die deutschen Katholiken und die Pflege der Kunst, 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0669

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Die Werkstatt der Kunst
Organ für ckie Interessen äer bilclenclen Künstler

^eäakleur: I)eUxvag.

VIII. ^sakrg. heft 48. 2^. Sept. 1909.

Vie cteutfcken Ratkoliken unc! clie pflege cler Kunst

Die katholische Kirche macht große Anstren-
gungen, verlorenen Boden wiederzugewinnen und sich,
wie in früheren Jahrhunderten, hierbei der Kunst
zu bedienen. Wir haben die Berechtigung der
kirchlichen Ansprüche nicht zu prüfen; wohl aber
haben wir auf der bhut zu sein, wenn die Kunst zu
Zwecken, die vielleicht außer ihr liegen, benutzt
werden soll. Wir sind heute geneigt, jede Ten-
denz in den Kunstwerken zu vermeiden. Die ka-
tholische Kirche aber will diese Neigung bekämpfen
und schickt sich an, den Kampf auf alle Kultur-
gebiete zu übertragen.
Wie sehr sie sich bestrebt, ganze Arbeit zu
machen, konnte man aus einer Rede des Münchener
Rechtsanwaltes Rumpf entnehmen, die er auf dem
Katholikentag in Breslau ss>09 gehalten hat.
Wir empfehlen die von uns nachstehend und in
folgenden pesten abgedruckte Rede als ein drasti-
sches Kulturdokument der ganz besonderen Auf-
merksamkeit unserer Leser! Die Bchriftleitung.
* 2 *
Rede -es Rechtsanwalts Runrpf-München auf
-er Aatholikenversaininlung in Breslau.
pochansehnliche Versammlung!
Gewaltig und weitausgreifend sind die Aufgaben,
welche dem katholischer! Volksteil in Deutschland im Laufe
der letzten Dezennien erwachsen sind. Galt es zunächst und
vor allem, den deutschen Katholiken ihre politischen Rechte
nicht schmälern zu lassen, gegenüber mächtigen Anstürmen
ihre rechtliche Gleichstellung ihnen zu erkämpfen und zu
sichern und damit die allgemeine staatsbürgerliche Freiheit
für alle Teile und Schichtungen des Volkes zur Geltung zu
bringen, so sollte ihnen bald entsprechend dem wachsenden
Schwergewicht ihrer geschlossenen Einheit Gelegenheit
werden, auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens an der
materiellen und kulturellen Förderung des Volkes wert-
vollste Mitarbeit zu leisten, ja nicht selten führend und
wegeweisend hierin voranzugehen. Durch solche positive
Leistungen haben die deutschen Katholiken und ihre Ver-
tretung nicht nur allgemein nationale, wirtschaftliche und
soziale werte von höchster Bedeutung dem deutschen Volke
mitgcschaffen und miterrungen und damit den destruktiven
Tendenzen nicht mit der brutalen Faust des Machthabers,
sondern mit der heilenden pand des Arztes entgegengewirkt;
sie haben damit auch den eigenen kulturellen Aufstieg des
katholischen Volksteiles angebahnt und in nicht unerheb-
lichen: Maße bereits weiter gefördert.
Dieser kulturelle Aufstieg des durch die geschichtliche
Entwicklung auf manchen Gebieten allmählich etwas zu-
rückgedrängten katholischen Volksteiles, er zielt mit nichten
etwa auf eine verletzende Ueberstügelung oder gar Nieder-
drückung anderer Volksteile, auf eine Ausnahmestellung
unter diesen ab; sein Kiel ist lediglich die durch die Ge-
rechtigkeit gebotene und deshalb Recht und Frieden för-

dernde kulturelle Gleichstellung der deutschen Katho-
liken mit ihren nach Weltanschauung andersgerichteten
Volksgenossen. Unter Gleichstellung in diesem Sinne ver-
stehe ich, einmal, daß wir Katholiken auf allen Gebieten
der Kultur es den anderen gleichtun, daß wir Gleiches
leisten wie die anderen; sodann, daß man uns nicht
hindere, auch es uns nicht erschwere, den Anderen es
gleichzutun, Gleiches wie sie zu leisten; und zum dritten,
daß wir bei gleichen Leistungen auch gleiches gelten wie
die anderen. Große Aufgaben und weite Ziele öffnen
sich da dem vorwärtsschauenden Auge. Die Gleichstellung
der Katholiken in der Berufung zu den öffentlichen Aem-
tern und Gewalten, ihre wirtschaftliche und soziale Gleich-
stellung auf den einzelnen Gebieten des wirtschaftlichen
und sozialen Lebens, ihre gesellschaftliche Gleichstellung
innerhalb der einzelnen Gesellschaftsklassen, ihre Gleich-
stellung auf dem Gebiete der Wissenschaften und deren
Betrieben, im Bereiche der Literatur und der Künste und
deren Uebung: das sind der Aufgaben und Ziele welche,
die den deutschen Katholiken, soweit ihre eigenen Gesamt-
interessen in Betracht kommen, für die nächste Zukunft
gesetzt sind. Sie zu lösen, zu erreichen sind alle Geistes-,
Willens- und Gemütskräfte im katholischen Volksteil auf-
gerufen, damit unser kultureller Aufstieg dereinst seinen
Abschluß finde in einem kulturellen Pochstand der
deutschen Katholiken, bei edlem friedlichem Wetteifer mit
den anderen Volksgenossen, zum veil und Segen des ge-
meinsamen Vaterlandes, der gesamten Nation. —- Meine
Damen und Herren! warum führe ich dieses an zum
Beginne einer Rede, die das Thema behandeln soll: Die
deutschen Katholiken und die Kunftpflege? Ich antworte
darauf: Die Kunst ist die schönste und feinste Blüte aller
Volkskultur. Nicht die Pervorbringung wirtschaftlicher
Güter im reichsten Maße und in vollendetster Art, nicht
die Bezwingung der Naturgewalten durch ein immer tiefe-
res Eindringen in die Naturgesetze und eine damit pand
in pand gehende rastlose Vervollkommnung der Techniken,
nicht der Aufschwung und der glänzendste Ausbau der
reinen Geisteswissenschaften und die Triumphe mensch-
licher Verstandeskraft und Geistesschärfe: sie alle vermögen
nicht, schon Kunst hervorzubringen. Zu dieser materiellen
Kultur einerseits und zu dieser, wenn ich so sagen darf,
Verstandeskultur andererseits muß noch eine andere Kultur
sich gesellen, um den Boden zu bereiten, auf daß daraus
still und hehr die Wunderblume der Kunst aufsprieße und
zu reicher Blüte und duftender Fülle sich entfalte. Diese
andere Kultur ist die Kultur der Gemüts- und der sittlichen
Kräfte. Erst diese Kultur erfaßt, bildet und stärkt den
im Menschen liegenden Drang zum Guten und Schönen;
erst sie läßt das heilige Feuer der Begeisterung vollkräftig
aus dem Nerzen schlagen und hegt und schützt es mit vesta-
lischem Eifer; s i e nährt und befruchtet aus reichsten Schätzen
die Phantasie und löst ihr die Schwingen zum pöhenflug
über die trockenen Niederungen der Alltäglichkeit. Aus
Phantasie und Begeisterung aber und aus einem hoch-
gestimmten Empfinden werden die künstlerischen Ge-
danken geboren, aus dieser «Duelle entströmt auch für jene
begnadeten Menschen, welche wir Künstler nennen, die
Schöpferkraft künstlerischen Gestaltens. „Kes Avunckes
pensees vierment ctn coeur" zitierte Pans Rosenhagen
vor wenigen Tagen erst in einer kunstkritischen Besprechung
 
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