Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 8.1908/1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0361
DOI Heft:
Heft 26 (29. März 1909)
DOI Artikel:Seliger, Max: Zur Frage unserer deutschen Künstler-Fachschulen anno 1908
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Die Werkstatt der Kunst
Organ für die Interessen cker bilctenclen Künstler
l^eäaktem: ^rilz IZeUxvag.
VIII. Jakrg. Heki 26. 29. März 19S9.
Tur ^rage unserer cteullcken Künstler-^acklekulen anno 1908
(Schluß zu Heft 2^.)
In Hamburg, Riel oder Danzig sollten wohl eher
die Marineklassen der Malerakademien sein als in
Berlin. Manche Vorschulklassen oder Meisterateliers
könnten vielleicht verringert, andere verwandtere
zusammengelegt und vermehrt werden, um bestimmte
Gebiete stärker und organischer pflegen zu können.
Unter den Gründen, die mich bewegen, einer
stärkeren Ausprägung unserer Runst-, Runstgewerbe-
und Gewerbeschulen in der Richtung einer oder
einiger verwandter Spezialitäten das Wort zu reden,
ist ein hervorragender der, daß es dann leichter ist,
die-Lehre feiner zu gliedern und die einzelnen Glieder
besser zu entwickeln, weil sie in günstigere Verhält-
nisse kommen. Wenn eine Schule 20 Rlassen des
ganzen kunstgewerblichen Gebietes der Welt in etwa
s0 Spezialfächern nebeneinander pflegt und einen
Etat von 20 000 Mk. hat, so bekommt jede Rlasse
für Werkzeug, Maschinen und andere Lehrmittel
sOOO Mk. und jedes Gebiet 2000 Mk. Dann
kommt für die Vertiefung der Lehre überhaupt
nicht viel heraus und der Fortschritt ist sehr unter-
bunden. Hat sie aber überhaupt nur 2 Spezial-
gebiete zu beackern, und für jedes sO Rlassen, so
kommt von demselben Etat zwar auf die einzelne
Rlasse nur sOOO Mk., aber auf jedes Spezialgebiet
doch schon allein fOOOO Mk. Hat die Schule aber
für ein Gebiet die ganzen 20000 Mk. und dabei
ihre Lehre in (0 Rlassen gegliedert, so erhält jede
Rlasse jährlich 2000 Mk. zu Anschaffungen für den
Unterricht und die Gesamtspezialität also 20000 Mk.
Darin liegt ein nicht zu unterschätzender Vorteil
eines spezialisierenden Unterrichtes. In dieser
größeren Ausstattung mit Mitteln einerseits und
andrerseits in der durch die nachbarlichen Anregungen
verwandter oder ähnlicher Arbeitsweise und Arbeits-
ziele und in der Verkleinerung des Arbeitspensums
liegt auch die Möglichkeit für die Lehrer, noch tiefer
und meisterlicher in die einzelnen Gebietsstücke ein-
zudringen und so die ganze Gesamtspezialität besser
zu beackern.
Ich will gern zugeben, daß in der Einseitigkeit
auch eine gewisse Gefahr liegt. Aber wir wissen
auch, daß in der Beschränkung der Meister eher
möglich ist und sich am besten zeigt, und wir wissen
auch, daß die großen Erfolge unserer heutigen
Wissenschaft nur möglich wurden, weil die Rräfte
sich spezialisierten und freiwillig beschränkten, weil
sie anders sich nicht so gut vertiefen und konzentrieren
konnten. Wer heute streben würde, den ganzen
riesenhaft gewordenen Arbeitskreis eines Gebietes
oder der Welt, zu umfassen und heute auf diesem
und morgen auf jenem Gebiete sich zu betätigen,
der müßte notwendig ein fortwährender Anfänger
und Schüler bleiben.
Den Schutz gegen völliges Erblinden gegen die
übrige Spezialitätenwelt und das allgemeine Leben
bieten schon allein unsere Reichtümer an äußerst
beweglichen bildlichen und schriftlichen jOressen-
druckwerken, die die Leistungen der anderen Gebiete
in ihrem gegenwärtigen Streben und in ihren
wesentlichsten Zügen vorführen.
Bei der Ausbildung der Lehrer für Spezial-
gebiete müßte allerdings besonders darauf geachtet
werden, daß sie auf einem allgemeineren Fundament
fest fußen, und besonders müßte ihr architektonischer
Sinn gehörig ausgebildet werden. Darunter ver-
stehe ich die Fähigkeit, verschiedene Dinge zusammen-
zufassen, zu einer Einheit zu verarbeiten, überhaupt
Lebendiges zu organisieren, es für die wirkliche Welt
zu formen, und mit ihr Verbindung zu behalten.
Hierzu wäre ein Sonderkapitel zu schreiben.
Betonen möchte ich noch, daß für die Aus-
bildung oder Entwicklung jedes Organismus, auch
jenes unserer Spezialschulen, eine gewisse Zeit der
Ruhe, der Stetigkeit und Treue nötig ist — sonst
kann kein Organismus ausreifen. Ein fortwährendes
Umändern und Wechseln grundsätzlicher Einrichtungen
kann das Wirksamwerden der besten Einzeleinrich-
tungen verhindern.
Im Interesse des Runstgewerbes und der künf-
tigen wirtschaftlichen Sicherheit der Runstgewerbe-
schüler läge es wohl auch, wenn sie alle vor dem
Eintritt in die Runstgewerbeschule in einem Hand-
werk die übliche praktische Lehrzeit durchgemacht hätten.
Aber ein Direktor, der alleine heute in diesem
Sinne sein Schulprogramm zu ändern strebte, würde
sich nur der Schüler berauben und sie in die Ron-
kurrenzschulen treiben, die noch die Freiheit geben.
Nur ein gemeinschaftlicher Beschluß der bundes-
staatlichen Regierungen, der gleichzeitig bei allen
Schulen in Rraft träte, der auch im Einvernehmen
mit den Gewerbe- und Handelskammern geschaffen
würde (heute sind Lehrlinge in manchen Gewerben
oft gar nicht oder nur schwer unterzubringen!),
könnte eine derartige, vielleicht aber recht heilsame, in
der Zukunft wirksame Maßregel zur Beschränkung und
Organ für die Interessen cker bilctenclen Künstler
l^eäaktem: ^rilz IZeUxvag.
VIII. Jakrg. Heki 26. 29. März 19S9.
Tur ^rage unserer cteullcken Künstler-^acklekulen anno 1908
(Schluß zu Heft 2^.)
In Hamburg, Riel oder Danzig sollten wohl eher
die Marineklassen der Malerakademien sein als in
Berlin. Manche Vorschulklassen oder Meisterateliers
könnten vielleicht verringert, andere verwandtere
zusammengelegt und vermehrt werden, um bestimmte
Gebiete stärker und organischer pflegen zu können.
Unter den Gründen, die mich bewegen, einer
stärkeren Ausprägung unserer Runst-, Runstgewerbe-
und Gewerbeschulen in der Richtung einer oder
einiger verwandter Spezialitäten das Wort zu reden,
ist ein hervorragender der, daß es dann leichter ist,
die-Lehre feiner zu gliedern und die einzelnen Glieder
besser zu entwickeln, weil sie in günstigere Verhält-
nisse kommen. Wenn eine Schule 20 Rlassen des
ganzen kunstgewerblichen Gebietes der Welt in etwa
s0 Spezialfächern nebeneinander pflegt und einen
Etat von 20 000 Mk. hat, so bekommt jede Rlasse
für Werkzeug, Maschinen und andere Lehrmittel
sOOO Mk. und jedes Gebiet 2000 Mk. Dann
kommt für die Vertiefung der Lehre überhaupt
nicht viel heraus und der Fortschritt ist sehr unter-
bunden. Hat sie aber überhaupt nur 2 Spezial-
gebiete zu beackern, und für jedes sO Rlassen, so
kommt von demselben Etat zwar auf die einzelne
Rlasse nur sOOO Mk., aber auf jedes Spezialgebiet
doch schon allein fOOOO Mk. Hat die Schule aber
für ein Gebiet die ganzen 20000 Mk. und dabei
ihre Lehre in (0 Rlassen gegliedert, so erhält jede
Rlasse jährlich 2000 Mk. zu Anschaffungen für den
Unterricht und die Gesamtspezialität also 20000 Mk.
Darin liegt ein nicht zu unterschätzender Vorteil
eines spezialisierenden Unterrichtes. In dieser
größeren Ausstattung mit Mitteln einerseits und
andrerseits in der durch die nachbarlichen Anregungen
verwandter oder ähnlicher Arbeitsweise und Arbeits-
ziele und in der Verkleinerung des Arbeitspensums
liegt auch die Möglichkeit für die Lehrer, noch tiefer
und meisterlicher in die einzelnen Gebietsstücke ein-
zudringen und so die ganze Gesamtspezialität besser
zu beackern.
Ich will gern zugeben, daß in der Einseitigkeit
auch eine gewisse Gefahr liegt. Aber wir wissen
auch, daß in der Beschränkung der Meister eher
möglich ist und sich am besten zeigt, und wir wissen
auch, daß die großen Erfolge unserer heutigen
Wissenschaft nur möglich wurden, weil die Rräfte
sich spezialisierten und freiwillig beschränkten, weil
sie anders sich nicht so gut vertiefen und konzentrieren
konnten. Wer heute streben würde, den ganzen
riesenhaft gewordenen Arbeitskreis eines Gebietes
oder der Welt, zu umfassen und heute auf diesem
und morgen auf jenem Gebiete sich zu betätigen,
der müßte notwendig ein fortwährender Anfänger
und Schüler bleiben.
Den Schutz gegen völliges Erblinden gegen die
übrige Spezialitätenwelt und das allgemeine Leben
bieten schon allein unsere Reichtümer an äußerst
beweglichen bildlichen und schriftlichen jOressen-
druckwerken, die die Leistungen der anderen Gebiete
in ihrem gegenwärtigen Streben und in ihren
wesentlichsten Zügen vorführen.
Bei der Ausbildung der Lehrer für Spezial-
gebiete müßte allerdings besonders darauf geachtet
werden, daß sie auf einem allgemeineren Fundament
fest fußen, und besonders müßte ihr architektonischer
Sinn gehörig ausgebildet werden. Darunter ver-
stehe ich die Fähigkeit, verschiedene Dinge zusammen-
zufassen, zu einer Einheit zu verarbeiten, überhaupt
Lebendiges zu organisieren, es für die wirkliche Welt
zu formen, und mit ihr Verbindung zu behalten.
Hierzu wäre ein Sonderkapitel zu schreiben.
Betonen möchte ich noch, daß für die Aus-
bildung oder Entwicklung jedes Organismus, auch
jenes unserer Spezialschulen, eine gewisse Zeit der
Ruhe, der Stetigkeit und Treue nötig ist — sonst
kann kein Organismus ausreifen. Ein fortwährendes
Umändern und Wechseln grundsätzlicher Einrichtungen
kann das Wirksamwerden der besten Einzeleinrich-
tungen verhindern.
Im Interesse des Runstgewerbes und der künf-
tigen wirtschaftlichen Sicherheit der Runstgewerbe-
schüler läge es wohl auch, wenn sie alle vor dem
Eintritt in die Runstgewerbeschule in einem Hand-
werk die übliche praktische Lehrzeit durchgemacht hätten.
Aber ein Direktor, der alleine heute in diesem
Sinne sein Schulprogramm zu ändern strebte, würde
sich nur der Schüler berauben und sie in die Ron-
kurrenzschulen treiben, die noch die Freiheit geben.
Nur ein gemeinschaftlicher Beschluß der bundes-
staatlichen Regierungen, der gleichzeitig bei allen
Schulen in Rraft träte, der auch im Einvernehmen
mit den Gewerbe- und Handelskammern geschaffen
würde (heute sind Lehrlinge in manchen Gewerben
oft gar nicht oder nur schwer unterzubringen!),
könnte eine derartige, vielleicht aber recht heilsame, in
der Zukunft wirksame Maßregel zur Beschränkung und