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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 8.1908/​1909

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Heft 14 (4. Januar 1909)
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Lorenz-Murrowana, E. H.: Sogenannte Wiener Bilder, 4
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https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0196

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^88

Die Werkstatt der Kunst.

Heft fH.

Sogenannte Mener Vilcter. IV.

wir erhalten folgendes Schreiben:
Zu Ihrer letzten Besprechung in Heft 9, „Soge-
nannte Wiener Bilder", möchte ich im Interesse vieler
Kollegen folgendes beitragen.
Sie fragen, ob Wiener Künstlern ein Bilderhändler
Adolf Lion bekannt ist. Diese Frage glaube ich wohl ver-
neinen zu dürfen. Unter der Bezeichnung „Wiener Bilder"
sind nicht die Werke der Künstlerschast Wiens gemeint,
wie vielfach irrtümlich auch vom Publikum angenommen
wird, sondern Bilder, die in Wien zu Dutzenden fabrik-
mäßig hergestellt und von dort durch Händler auf den
Markt gebracht werden.
In Wien kommen hauptsächlich zwei große Firmen in
Betracht, welche Bilder in dieser Weise anfertigen.
Mit ihnen werden sämtlicheKulturstaaten überschwemmt.
Abnehmer sind wieder Kunsthandlungen niederer Gat-
tung oder „fliegende" Bilderhändler.
Diese reisen von Stadt zu Stadt und veranstalten Aus-
stellungen und Auktionen, auf welchen sie möglichst hohe
Preise zu erzielen suchen.
Der Käufer ist dabei stets der Betrogene, auch wenn
er nach seiner Meinung „billig" kaufte.
In erster Linie handelt es sich um Bilder, welche
pseudonym gezeichnet sind. Man findet recht wohlklingende
Namen von Malern, die nie gelebt haben. Hauptsache ist
vor allem ein recht schön vergoldeter, reich verzierter Gips-
rahmen, durch welchen sich das kaufende Publikum blenden
läßt. —
Ich kenne viele Kunsthandlungen, die im Schaufenster
gute Bilder ausstellen und auch eventuell in Zeitungen
viel Reklame mit den besten Namen machen. Einige nam-
hafte Künstler sind im Innern der Handlung vielleicht auch
durch ein Werk vertreten. Der Preis dafür ist dann so
hoch, daß dieses Bild nie verkauft werden kann und somit
nur den Zweck der Staffage und Reklame erfüllt. Im
übrigen sind die Verkaufsräume mit „Wiener Bildern"
vollgepfropft.
Ich habe Auktionen besucht, wo „Wiener Bilder"
geradezu hohe Preise durch ihre blendende Ausmachung er-
zielt haben, während gute Werke in ihrer bescheidenen
Einfachheit dem Maler kaum die Auslagen brachten.
Wenn man z. B. durch Berlins Straßen schreitet (in
anderen Städten ist es auch so), trifft man oft Bilderläden
mit dem großen Reklameschild „Kunsthandlung". Wenn man
sich dieselbe näher besieht, so findet man schön bunt durch-
einander gewürfelte Bilder: Geldrucke, Photogravüren,
übermalte Photographien, pseudonym gezeichnete Bilder usw.,
nur keine Kunstwerke.
In der vorigen Woche sah ich im Schaufenster einer
solchen Handlung schon von weitem eine miserabel gemalte
Kopie (jedenfalls nach dem bekannten Geldruck gemalt)
„Die Ueberschwemmung in Ostpreußen" von Prof. Scherres
(Original in der Berliner Nationalgalerie).
An diesem Bilde prangte sogar ein Zettel mit der
Bezeichnung „Griginalgemälde".
Ist dies alles nicht unlauterer Wettbewerb? Darf
ein Händler, welcher mit Margarine handelt, sein Geschäft
einfach „Butterhandlung" nennen oder das Surrogat als
Naturbutter verkaufen?
Aehnliche Beispiele könnte man noch mehr anführen.
Leider gibt es kein Gesetz, welches den reellen Kunst-
handel genügend schützt.
wir sehen also, daß nur Selbsthilfe Wandel schaffen
könnte. Gerade die Künstlervereine hätten hier ein großes
Feld zu beackern.
Gegen all diese Mißstände anzukämpfen müßte vor
allem der Kunsthandel gesetzlich mehr geschützt, das Auktions-
wesen besser geregelt werden.
Der gesamten Künstlerschaft gehen jährlich Millionen
verloren,'die auf diese weise den Händlern zufallen.

Ebenso werden dadurch reelle Kunsthandlungen schwer
geschädigt und in ihrer Existenz bedroht.
Sie schreiben, Totschweigen wäre das beste Mittel.
Ich bin anderer Ansicht.
Durch die Tageszeitungen müßte das Publikum auf-
geklärt werden, und dies zu veranlassen, wäre Pflicht eines
jeden Künstlervereins, aber vor allem eine schöne Pflicht
der „Allgemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft". —
Das Publikum müßte durch die presse dahin belehrt
werden, daß es sich beim Kauf eines Bildes in erster Linie
erkundigen sollte, ob der Naler unter dem gezeichneten
Namen auch in Wirklichkeit existiert, wo er wohnt und ob
das Bild ein Original ist. Ueber dies alles müßte zugleich
eine schriftliche Garantie verlangt werden.
Jeder anständige Kunsthändler wird diese Fragen gern
beantworten und jede Garantie bieten. Der Käufer wird
dann dankbar sein, ein gutes Bild mit der wirklichen Be-
zeichnung des Künstlers und kein wohlklingendes „Pseudo-
nym" erstanden zu haben.
Ich spreche zugleich im Interesse und aus dem Herzen
vieler mir bekannter Kunsthändler, die mir schon seit Jahren
ihre Not klagten: „wenn bloß diese Schleuderkonkurrenz
der .Wiener Bilder' endlich aufhören möchte!"
Kunsthandlungen, wie sie oben gekennzeichnet wurden,
dürsten nur die Bezeichnung „Bilderhandlung" führen.
Diese äußere Kennzeichnung würde schon wesentlich
dazu beitragen, das Publikum aufzuklären und vor Irre-
führung und Schädigung zu schützen.
Die gesamte Künstlerschaft aber und der reelle Kunst-
handel hätten den Vorteil davon.
L. N. VorenL-IVlurrowLNL.

Man schreibt uns aus Königsberg i. Pr.:
Erfreulich ist es, daß Herr Direktor Dettmann und
die unterzeichneten Vereine das Königsberger Publikum
durch beifolgende Erklärung in der „K. A. Z." gewarnt
haben.
Der Direktor der Kunstakademie Professor
Ludwig Dettmann übersendet uns mit dem Er-
suchen um Aufnahme folgende Erklärung:
„In der Zeit vor Weihnachten werden dein
kauflustigen Publikum von Bilderhändlern,
die sich vorübergehend hier aufhalten, unter
der Bezeichnung von,Kun st werken'Bilder a n -
gepriesen, die mit ganz geringen Ausnahmen
minderwertig sind, infolge ihrer scheinbar
billigen Preise und einiger als Aushänge-
schild benutzter bekannter Namen aber Käufer
finden. Diese Ausstellungen sind öffentlich,
da sie zu unentgeltlichem Besuch laden; sie
unterstellen sich andererseits nicht der öffent-
lichen Kritik durch die presse, die das Publi-
kum schützen könnte. Im Interesse unserer
aufstrebenden heimatlichen Kunst, im Inter-
esse der hier schaffenden und ringenden Kün st -
ler aller Schattierungen und des Publikums,
das dort zumeist nur Rahmenwerte erwirbt,
halten wir es für unsere Pflicht, das Publikum
über die kün st lerische Belanglosigkeit der hier
dargebotenen Arbeiten aufzuklären.
Der Direktor derKunstakademie. Der Vor st and
des Kun st Vereins. Der Lokalverein Königs-
berg der Allgem. Deutschen Kunstgenossenschaft.
Der Ausschuß der Gesellschaft der Kün st ler und
Kun st freunde. DerVorstand desGoethebundes-
Königsberg i. pr."
Die Art, wie diese Bilderhändler ihre Geschäfte be-
treiben, wird durch nachstehende Anzeigen genügend charakte-
risiert.
 
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