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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 8.1908/​1909

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Heft 34 (24. Mai 1909)
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Eine Kunstrede des bayerischen Thronfolgers
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Die Münchener Akademie der bildenden Künste
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https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0474

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H66

Die Werkstatt der Runst.

Heft Z-p

Farbe allein! Denn, was inan mit der Farbe allein
anfängt, das sieht man jetzt nur zu oft. Sogenannte
Kunstwerke sind ost nichts weiteres als Farbenklexe, und
ich glaube, mancher Künstler vergangener Jahrhunderte
würde sich im Grabe umdrehen, wenn behauptet würde,
daß diese Kunstwerke ihren alten Kunstwerken ebenbürtig
sein sollen. Denken Sie sich zurück, was Michelangelo ge-
macht hat; er hat seine großen Bilder alle als Kartons
fertig gezeichnet, er hat sie sogar nackt gezeichnet, damit
keine Verbildung darin vorkommt. Und jetzt sagt man,
daß die Farbe allein das Richtige sei. Ich sage, Farbe
und Zeichnung vereint, das ist das Richtige! So
ist es jetzt auch mit der Bildnerei. Sie muß vor allem
richtig sein, sie soll auch ästhetisch schön sein, denn nicht
alles, was aus der Welt edel ist, ist wert, daß es ewig
bleibt, sondern nur das wirklich Gute und Schöne.
Der Herr v. Miller hat von dem Regenten gesprochen,
daß er ein Freund der Kunst und der Künstler sei. Er ist
da in die Fußstapsen seines großen Vaters Ludwig I. ge-
treten, der die Kunst erneuert hat. Aber ich möchte sagen,
das ist ja ein kleiner Teil davon. Wo Sie in der Welt
herumgehen und wo Sie Andenkerl an das Haus Wittels-
bach finden — deren es viele in der Welt, nicht nur in
Bayern, zerstreut gibt —, werden Sie überall Andenken
künstlerischer Art finden. (Bravorufe.) Möge das in Zu-
kunft so sein!
Beim 80. Geburtstage Sr. K. H. des Prinzregenten
habe ich eine Ansprache an die Schüler der Kunstakademie
gerichtet. Ich habe damals eine Aeußerung getan, die
viele von ihnen nicht verstanden haben und worüber sie
sich den Kopf zerbrochen haben. Ich habe gesagt, sehen
Sie auf meinen Sohn! Und ich glaube, ich habe recht!
Ich bin jetzt auch schon Mitte der so er Jahre, und ich
weiß nicht, ob ich jemals etwas persönlich für die Kunst
werde schassen können. Was ich aber gewiß weiß, ist, daß
mein ältester Sohn ein seltener Kenner der Kunst
ist, und zwar vor allem der älteren Kunst. Ich bedaure,
daß er nicht hier ist. Ich glaube, wenn er einmal etwas
zu sagen haben wird, wird die Kunst nicht zu kurz kommen.
(Bravorufe.) Und so sehen Sie, daß von den ältesten
Zeiten bis aus die jüngsten die Tradition, die in unserem
kunstsreundlichen Hause herrscht, nicht untergehen wird.
Meine Aufgabe ist es, daran zu erinnern. Ich habe
anfangs fchon hingewiesen auf das, was meiner Ansicht
nach Aufgabe der Kunst sein soll: nicht die losgelöste Kunst,
sondern die praktische, ins Leben greifende Kunst zu pstegen.
Ich wünsche, daß Sie das Ihren Schülern beibringen, und
wünsche, daß nur diejenigen, welche berufen sind,
Künstler zu werden, in der eigentlichen Kunst
mitwirken, aber daß alle diejenigen, welche keine
Künstler sind, dahin streben möchten, daß die
Kunst das ganze Leben durchdringen und ver-
edeln möge. Möge die Akademie in dieser Hinsicht
wirken! Und mit diesen: Wunsche erhebe ich mein Glas
und rufe:
Hoch die Akademie der bildenden Künste!

Vie Mimckener Akademie der bilden-
.....HI den Künste ._.._H

Anläßlich der Jahrhundertfeier der „Kgl. Akademie
der bildenden Künste" hielt deren Syndikus, Herr Kgl.
Professor Eugen von Stieler eine Festrede, deren Wort-
laut wir nachstehende Sätze entnehmen.
„Die ersten Anfänge eines öffentlichen Kunftunter-
richtes gehen in Bayern auf das Jahr zurück.
Jin Jahre ^770 hat Kurfürst Max III. auf Anregung
des Hofstatuarius Roman Anton Boos, des Hofmalers
Lhristian Wink und des Hofstukkadors Faver Feichtmayer
,zur mehreren Aufnahme und Förderung der Künste in
Bayern' eine Zeichenschnle in München errichtet, die schon

im darauffolgenden Jahre den Namen einer ,kurfürstlichen
Maler- und Bildhauer-Akademie' führte.
Ihre erste Heimstätte hatte diese Akademie in der
langen Schwabinger Gasse im kurfürstlichen Mauthaus, da,
wo sich heute der Prunkbau der Bayerischen Hypotheken-
und Wechselbank erhebt. übersiedelte sie in das
Wilhelminische Gebäude, wo ihr die aus zwei Zimmern
bestehende Hausmeisterwohnung angewiesen wurde. Dreißig
Jahre lang hat sie ihrem Fundus entsprechend ein kümmer-
liches, wenig beachtetes Dasein geführt.
Erst t800, nachdem Max Joseph IV. den kurfürstlichen
Thron bestiegen hatte, wurde ernstlich an die so dringend
notwendige Umgestaltung gegangen. Dem Gedanken, in
München eine Kunstakademie zu gründen, die den bereits
in Berlin, Wien, Dresden und Düsseldorf bestehenden
mindestens ebenbürtig wäre, brachte der neue Kurfürst das
wärmste Interesse entgegen. Er ordnete Erhebungen über
die anderwärts gemachten Erfahrungen an, Gutachten von
Männern, denen man Sachkenntnis zutraute, wurden ein-
geholt. All die gesammelten Anregungen und Vorschläge
in die Form einer Verfassung für das neu zu gründende
Institut gebracht zu haben, ist das Verdienst des Philo-
sophen Friedrich Wilhelm Schelling, des erster: General-
sekretärs unserer Akademie. Die von ihm verfaßte Kon-
stitutionsurkunde vom Mai t808 ist das Merk eines
großen und freien Geistes. Durch die Gründung der Aka-
demie soll der Kunst die ihr gebührende Stellung im Staats-
organismus und im öffentlichen Leben gewährt werden.
Darin liegt ihre hohe kulturelle Bedeutung. Der leitende
Gedanke bei der Gründung war die Hebung der Kunst als
Bildungsmittel für das Volk.
Um die Absicht des Königs zu verwirklichen, die Kunst
dem Volke nahezubringen, hätte man freilich andere Männer
an die Spitze der Akademie stellen müssen, Künstler, die
ihre Anregungen nicht bei den alten Griechen und Römern,
sondern in der sie umgebenden Gegenwart, in deutschem
Wesen, deutscher Sage und Dichtung zu suchen bereit waren.
Es mag wohl sein, daß im Jahre t808 für die leitende
Stelle an der Akademie keine Kraft zur Verfügung stand,
die geeignet war, die Kunst ins Volk zu tragen; jedenfalls
war gerade für diese Ausgabe der zum Direktor ernannte
Johann Peter Langer nicht der richtige Mann, so sehr
seine Verdienste um die ihm anvcrtraute Lehranstalt aner-
kannt werden müssen.
Die großen Ziele freilich, die die Konstitution gesteckt
hatte, wurden nur zum kleinsten Teile erreicht; doch darf
man dafür Langer und seine Mitarbeiter nicht allein ver-
antwortlich machen. Die Konstitution hatte der Akademie,
die ihrer ganzen Organisation nach nur Mittelschule war,
Aufgaben zugewiesen, die nur von einer Hochschule gelöst
werden konnten. Schlimm war es insbesondere um die
Entwickelung der Eigenart bestellt, die ein liebevolles Ein-
gehen auf die Bestrebungen jedes einzelnen Schülers zur
Voraussetzung hat.
Für den zweiten Abschnitt im Leben unserer Akademie
waren zwei große Geister richtunggebend, deren Zusammen-
treffen eine selten glückliche Fügung für München, Bayern
und die ganze deutsche Kunst gewesen. Ein weitblickender
kunstbegeisterter Fürst, der es verstand, hohe künstlerische
Aufgaben zu stellen, und ein Meister, der diese Aufgaben
zu lösen und das große Wollen seines Königs in Taten
umzusetzen vermochte.
König Ludwig I. und Peter Lornelius haben der nun
folgenden Epoche der Kunstentwickelung Münchens den
Stempel ihres Genius aufgedrückt.
Als Kronprinz hatte Ludwig t8I8 in Rom Eornclius
kennen gelernt und sofort stand bei ihm der Entschluß fest,
den Meister dauernd für München zu gewinnen. Er wußte
wohl, daß Kunst nicht gelehrt werden kann wie Wissen-
schaft, positiv und sachlich, daß im Kunstunterricht die Ein-
wirkung des Lehrers aus den Schüler eine ausgeprägt persön-
 
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