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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 8.1908/​1909

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Heft 32 (10. Mai 1909)
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Pechmann, Günther von: Der Künstler und die Industrie
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Preisausschreiben / Staatliche Aufträge etc. / Denkmal-Schutz und -Pflege / Aus Akademien und Kunstschulen / Personalien / Auszeichnungen / Todesfälle / Vereine / Gerichtssaal / Urheberrecht / Kunsthandel und Versteigerungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0449

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Heft 32.

Die Werkstatt der Kunst.


wirken aller Erwerbsstände und Behörden mit der Künstler-
schaft Münchens gebracht hat. Zu diesem Zwecke soll sie
eine Auskunftsstelle bilden, die Ratschläge und Auskünfte
in allen künstlerischen Fragen erteilt. Sie soll möglichst
viele Verbindungen anknüpfen zwischen Handel, Industrie,
vandwerk und Künstlern; sie strebt Förderung des gegen-
seitigen Verständnisses an: der Kenntnis der Techniken auf
der einen Seite, der Kenntnis der Geschmacksanforderungen
auf der andern. Ohne Rücksichtnahme auf seine Zuge-
hörigkeit zu irgendeiner Künstlervereinigung werden die
Entwürfe eines jeden Künstlers vermittelt, der in München
und Münchens weiterer Umgebung wohnt. Die Vermitt-
lung von Auskünften und Entwürfen geschieht an jeden
Interessenten: an Behörden und Privatleute, Vereine und
Einzelpersonen zu eigener Ausführung oder Auftraggebung.
Daß es überhaupt möglich ist, ein solches Unternehmen
in die Wege zu leiten, das weist daraufhin, in welch aus-
gedehnten: Maße für das künstlerische Schaffen auf ge-
werblichem Gebiete eine Klärung hinsichtlich der rein künst-
lerischen Fragen getreten ist. Diese Klärung ist eine Folge
des Zurücktretens allzu individualistischer Strömungen hinter
dem Bestreben, gute, zweckmäßige Formen zu finden, die
ganz allgemein moderne Empsindungsweise ausdrücken und
dem Material und der modernen Technik entsprechen. Die
Hauptarbeit, die heute geleistet werden muß, liegt auf
wirtschaftlichem Gebiet: es handelt sich darum, das künstle-
rische Schaffen der gewerblichen Produktion in ihrem ganzen
Umfange einzugliedern.
Ausgeschieden wurde das künstlerische Schaffen aus
der gewerblichen Produktion gleichzeitig mit der Verdrängung
handwerksmäßiger Arbeit durch die modernen kapitalistischen
Produktionsformen. Es ist deshalb erklärlich, daß die
ersten versuche auf Veredelung der gewerblichen Arbeit
ihr Ziel nicht anders erreichen zu können glaubten, als
durch eine Ersetzung der modernen Produktionsformen durch
die alten handwerksmäßigen Formen. So haben vor allem
John Ruskin und William Morris diesen weg einge-
schlagen. Die wirtschaftlichen Mächte, welche das Empor-
kommen der kapitalistischen Produktionsformen begünstigten,
waren natürlich stärker als alle versuche, eine Rückbildung
des gewerblichen Lebens auf künstlichem Wege herbeizu-
führen. So war das einzige, was jene letzten Endes er-
reichten, daß die mit Riesenkapitalien, Maschinen, Tech-
nikern und Kaufleuten arbeitende moderne gewerbliche
Produktion auf maschinellem Wege die alten handwerks-
mäßigen Techniken zu imitieren strebte.
Diejenigen Industrien, welche dabei gelernt hatten, die
alten Stile zu kopieren, wußten später ebenso gewandt,
aber auch mit gleicher Verständnislosigkeit für die Zusammen-
hänge zwischen Material, Technik und Form die sehr
individuell gestalteten Arbeiten moderner Künstler zu
kopieren und für ihre Zwecke auszuschöpfen. Darüber,
daß beide Wege Irrwege waren, bestehen heute kaum
mehr Meinungsverschiedenheiten. Wir stehen vor der Frage,
wie sich künstlerische Gesichtspunkte in die moderne ge-
werbliche Produktion einführen lassen unter voller Berück-
sichtigung der Eigenarten dieser Produktion, sogar unter
Verwertung dieser Eigenarten für den künstlerischen Zweck.
Dieser Aufgabe soll die Vermittlungsstelle*) der
Münchener „Vereinigung für angewandte Kunst" dienen.
Will man erkennen, welche Wege im einzelnen einzuschlagen
sind, so muß man sich darüber klar werden, weshalb mit
dem Aufkommen kapitalistischer prodnktionsformen der
künstlerische Geist aus der Produktion verschwand. Man
gibt häufig zu einseitig der Maschine die Schuld daran,
oder vielmehr der Maschinentechnik, von mindestens eben-
sogroßem Einfluß waren die durch die Maschine herbei-
geführten neuen Betriebsformen, die das persönlich ein-
heitlicheASchaffen des Handwerkers zerlegten in zwei ge-
trennte Funktionen: in die des Technikers und in die des
Kaufmanns, während sie für die erste Tätigkeit des Hand-

werkers, nämlich die des entwerfenden Künstlers, keinen
Ersatz schuf, wo sich das Bedürfnis nach künstlerischer
Arbeitsleistung einstellte, da lag die Fürsorge hierfür in
den Händen eines kaufmännischen oder technischen Leiters,
der nun entweder sogenannte Künstler in das technische
Bureau des Betriebes einstellte oder die Entwürfe von
auswärts bezog. Irgendein selbständiges Urteil über den
künstlerischen Wert dessen, was er auf diesem Wege erhielt,
konnte er nicht haben: dazu fehlte ihm Vorbildung und
Schulung des Geschmacks. Hierzu kam bei vielen Industrien
die Notwendigkeit, in rascher Aufeinanderfolge dem Markt
neue Erzeugnisse zuzuführen, für welche in der Eile und
innerhalb des rastlosen Fortganges des Betriebes eine gute
Form nicht gesucht und gefunden werden konnte. Es fehlte,
abgesehen von den geeigneten Kräften, auch an der Zeit,
die jede gute Form zu ihrer Durchbildung braucht.
Nach einzelnen geglückten versuchen scheint jetzt doch
immermehr die Erkenntnis vorzudringen, daß eine Besse-
rung in diesen Dingen nur dann Platz greifen kann, wenn
die Gestaltung gewerblicher Erzeugnisse einer Persönlichkeit
übertragen wird, welche die nötige Begabung, Vorbildung
und vor allem auch die Zeit dazu hat, gute neue Formen
zu entwickeln, sie allmählich heranreifen zu lassen, um sie
dann dem Techniker zur Verfügung zu stellen: also einem
selbständig schaffenden Künstler.
Damit ist noch lange nicht die Forderung ausgesprochen,
daß nun jedes gewerbliche Erzeugnis, jeder einzelne Massen-
artikel ein Kunstwerk sein müsse in der höchsten Bedeutung
dieses Wortes. Ls handelt sich nur darum, die beste Form
für ihn zu finden, eine Form, die zweckmäßig und material-
gerecht ist und der Ausführung mit den Mitteln moderner
Technik entspricht.
Line Vermittlungsstelle, die den verschiedenen gewerb-
lichen Zweigen gute Formen zuführen will, wird es nicht
dabei genügen lassen können, einzelne Entwürfe zu ver-
mitteln. Was in München angestrebt wird, das ist haupt-
sächlich die Herbeiführung persönlicher Verbindungen zwischen
Gewerbetreibenden und Künstlern. Erst längeres, gemein-
sames Arbeiten wird fruchtbar sein. Die Produzenten
müssen sich die Erfahrung aneignen, daß gute künstlerische
Arbeit nicht ebenso rasch geleistet wie bestellt werden kann.
Nicht jeder Tag bringt eine gute Idee; es liegt im Wesen
der künstlerischen Arbeit, daß sie in Muße heranreifen will.
Die Münchener Vermittlungsstelle will ihre Tätigkeit
nicht auf München beschränken; sie vermittelt Auskünfte
und Entwürfe nach allen Orten Deutschlands. Eine ähn-
liche Einrichtung besteht vorerst nur in Sachsen. Es ist
das die „Sächsische Landesstelle für Kunstgewerbe" in Dresden,
die dort mit wirksamer Unterstützung der Regierung die
gleichen Aufgaben zu erfüllen strebt.
In München sind die Vorbedingungen für solche Be-
strebungen besonders günstig; die Ausstellung „München
t908" hat den Boden dafür bereitet. Die Leiter der
Münchener Vermittlungsstelle verfügen infolge der vor-
bereitenden Arbeiten für die Ausstellung über eine um-
fassende Personalkenntnis, die es ihnen ermöglicht, für jede
besondere Aufgabe die geeignetsten Kräfte heranzurufen.
Das bietet die beste Gewähr für ein gutes Gelingen des
neuen Unternehmens. Q. v. pecllnaLnri.
F. Bruckmann A.-G., München.)

Laufende Areisausfckreiben

> srteciigter Mettbewerbe ;u 7: alittit cb en Lwecken.
; Oie Scbritlisitung.
München. Die „Württembergische Metallwarenfabrik Geis-
lingen/St.", Abteilung für Galvanoplastik, hat den Bayer.
Kunstgewerbe-Verein beauftragt, durch einen Wett-
bewerb „Modelle für Aschenurnen" zu beschaffen. Der
Verein ladet seine Mitglieder und in München inkl.
 
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