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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 8.1908/​1909

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Heft 24 (15. März 1909)
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Zur Frage unserer deutschen Künstler-Fachschulen anno 1908
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https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0333

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Die Werkstatt der Kunst
Organ kür ckie Interessen «ter bilctencten Künstler

keäaktem: sritz yellwag.
VIII. ^akrg. H Helt 24. s ,Z. März 1909.

2^ur ^rage unserer cleullcken Künstler-^acksckulen anno 1908


Angesichts der Sorge der Negierungen, das un-
heimliche Anwachsen der Ausgaben zu verhindern,
drängt sich einem Künstler auch die Frage auf, ob
wir so viele Kunstakademien, Kunstschulen und Kunst-
gewerbeschulen brauchen oder ob wir sie gar für
größere Schülermassen vermehren sollten.
wäre nicht ein gesunder Grundsatz auf diesem
Gebiete: Nicht mehr, sondern bessere Schulen? Ist
das Heer der Künstler und das Künstlerelend nicht
schon groß genug?
Trotz des rapiden Anwachsens der Kunstaus-
stellungen, die nur den fähigeren Teil und kaum die
Hälfte der Schaffenden zeigen, und trotz der einzig-
artigen Denkmallust ist nicht genug Absatz vor-
handen für die gewaltige (Quantität Kunstarbeit
bei der zu schnellen Fruchtbarkeit der viel zu vielen!
Die Folge der vielen Schulen ist auch durchaus
noch nicht die durchschnittliche (Qualität der Künstler-
bildung und der Kunstarbeit. Sie bewirkt wohl
einen Reichtum an Richtungen, Arten und Zielen,
aber gleichzeitig ein Streben vieler Unberufener
nach halber Tüchtigkeit und zu schneller Ausbildung.
Durch unsere zahlreichen amtlichen und ungezählten
privaten Wal-, Zeichen- und Rkodellierschulen (man
vergleiche nur die Annoncen in den bezügl. Fach-
blättern) ist wohl das Interesse für die Kunst ge-
stiegen, aber der Respekt vor dem Handwerk der Kunst
und den Aufgaben der Kunst auch gesunken. Trotz
der enormen Vermehrung des Walunterrichtes, durch
den allein sich eine große Anzahl Künstler über Wasser
halten, weil sie nicht genug Aufträge und Verkäufe
haben, nm davon leben zu können, ist die Technik
nicht rationeller und solider, eher leichtfertiger ge-
worden. Der Staat legt leider auch zu wenig Wert
auf die technische Gesundheit der für ihn geschaffenen
Bilder — sonst müßten die Schüler in den staat-
lichen Walschulen längst allesamt obligatorischen
Unterricht in Themie und Physik und Waterialien-
kunde erhalten. Von den Wängeln der Technik
weiß die Gesellschaft zur Förderung rationeller Wal-
verfahren in Wünchen ein Klagelied zu singen.
Jüngst sagte mir Prof. lür. Libner vom Versuchs-
laboratorium an der Kgl. Techn. Hochschule in
Wünchen, „auch wenn die Farbstoffe und Binde-
mittel noch so ehrlich und gut verfügbar sind, können
sie doch noch sehr unvernünftig und zu schlecht
haltenden Malereien verarbeitet werden".
Wir könnten die behördlichen Schulen verbessern
durch höhere Anforderungen und engere Begrenzung

der Lehrprogramme, gemäß der im Orte ihres
Wirkens und ihrer Umgebung entwickelten Tradi-
tionen, Industrien, natürlichen Hilfsquellen oder
der Vorzüge ihrer Lage. Durch eine Art Speziali-
sierung würden viele Schulen eher einen Charakter
bekommen und sich mit manchen Klaffen nicht so
vielfach wiederholen und ablösen brauchen. Aller-
dings ist der bisherige Wodus für die Bürger einer
Stadt sehr bequem. Ls spielen bei der bisherigen
Entwicklung und bei manchen teuren Wiederholungen
gleicher Einrichtungen und Ziele doch auch Eitel-
keiten der Städte oder einzelner entscheidender Per-
sonen mit. Die Ausbildung des Charakters der
Schulen sollte aber sorgfältigste nach den örtlichen
Bedürfnissen und einem organischen plane, weniger
nach der Verwendung einzelner leuchtender Lehr-
kräfte geschehen, die aus irgendwelchen Zufällen
ihre Spezialität hoch entwickelten oder in einer
schon blühenden Schule wirken möchten. Jetzt ist
ein wahres Preisringen um den Besitz einzelner
Lehrkräfte eingerissen, die doch unmöglich in jedem
Nahmen die bestmögliche Nützung und Fruchtbarkeit
finden können. Ls kommt auf diese Kräfte ja nicht
allein an, es muß ihrer Saat in derselben Schule
oder in der örtlichen Industrie auch der Boden
richtig zubereitet werden, oder ihre Saat muß dort
auch noch behütet und verwendet werden können.
Wir haben heute in Deutschland z. B. eine sehr
breite Kultur der Papierverarbeitung in den Kunst-
und Kunstgewerbeschulen, richten immer noch kostbare
Werkstätten ein und stellen Lehrer dafür an, während
die vorhandenen älteren Einrichtungen noch nicht
einmal voll ausgenützt werden. So kommt es denn,
daß für solche Ueberflußklassen bisweilen keine
Schüler gleichzeitig da sind oder künstlich einzelne
unechte durch vorübergehend verteilte Stipendien
oder sonstige Wege geschaffen werden. Auch unsere
in letzter Zeit eingerichteten Buchbinderwerkstätten
sind alle nicht gehörig gefüllt, und die wenigen
Schüler werden von allen Schulen liebend umworben.
Das Annoncenwesen einzelner Fachschulen steht in
hoher Blüte und die Werbetrommel muß bezeich-
nenderweise heute schon auch für die Schulen tüchtig
gerührt werden. Das ist kein gesunder Zustand.
Die Behörden und ihre Schulen im Reiche
sollten, statt sich nachzuahmen, eher streben, die Lücken
an Schulen für einzelne Gebiete zu ermitteln und
dann auszufüllen. Auf einigen Gebieten geschieht
noch recht wenig, obwohl dort Kultur gut wäre
 
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