Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 8.1908/1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0210
DOI Heft:
Heft 15 (11. Januar 1909)
DOI Artikel:Westheim, Paul: Lichtbildkunst
DOI Artikel:Die wirtschaftliche Situation und die mangelnde Organisation der Künstler
DOI Artikel:Die Bilderstürmer des Reichstages und die Verteidiger der Jankschen Bilder
DOI Artikel:Erklärung
DOI Artikel:Berichtigung
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0210
202
Die Werkstatt der Kunst.
Lieft s5.
liefert sie exakt, in „den modernsten Genres", genau nach
Maß — — Und für einen Taler Aufgeld erhält inan den
Vater oder die Schwiegermutter mit den zartesten Eierfarben
wundervoll übermalt. Vetter Fritz, der Kommis, der am
Sonntag nachmittag die Kaffeegesellschaft oder das Freibad
am Wannsee kodakt, ist ein Künstler, und der Mann, der
seither im Atelier mit verständnisvollem Blick Gruppen
arrangiert hat, geht ins Kaffeehaus und knipst nur noch,
wenn er in Stimmung ist... .
Künstler! Du lieber Gott, einen Lionardo, einen
Michelangelo nennt man Künstler. Der Photograph, wenn
er mit Geschmack und Geschick arbeitet, treibt ein anstän-
diges Gewerbe. Ein Gewerbe, dessen Leistungen erfreuen
oder schrecklich deprimieren können. Vuul Westüsiru.
Ole xvirlscbastlicbe Situation uncl die
mangelnde Organisation der Künstler
In der „Berliner Morgenpost" schreibt Georg Her-
mann einen guten Artikel über „Berlin als Kunstmarkt",
dem wir die nachstehenden, allgemein zu beherzigenden
Schlußworte entnehmen:
„Aber endlich ist der Prozentsatz der gekauften Bilder
gegenüber den Werken, die geschaffen werden, doch ein
außerordentlich geringer. Und sicherlich ist der Prozentsatz
der Künstler, die überhaupt regelmäßig und ständig ver-
kaufen oder Aufträge haben, auch kein allzu großer. Ls
wäre Aufgabe der leitenden Stellen unserer
Künstlerschaft, genau einmal darüber Erhebungen an-
zustellen, und nicht etwa aus falscher Scham irgendwelche
Fakten zu verschweigen, sondern ein klares Bild der
sozialen Lage unserer heutigen Künstlerschaft zu geben.
Es ist den Idealen gegenüber, die die Kunst vertritt, keines-
wegs unwürdig, einmal zu fragen: wovon leben denn
unsere Künstler? einmal nachzuforschen, wie viel ge-
heimes Elend und wie viel schwere Armut es hier gibt.
Und wenn hierüber Material vorliegt, dann sich einmal zu
überlegen: was ist dagegen zu tun! vor allem: was hat
dieKünstlerschaft von Genossenschafts wegen da-
gegen zu tun? Der Kunsthandel an sich kann sich immer
nur auf Namen und auf gangbare Ware beschränken, kann
Neues lancieren, aber niemals die allgemeinen Kunstbe-
dürfnifse befriedigen. Die Künstlerschaft hilft sich hier selbst:
mit Ausstellungen an der Lehrter Bahn und in der Sezession.
Aber viele Käufer scheuen hier vor dem Kauf zurück, weil
sie glauben, daß die Bilder besonders teuer sind, und weil
der weg des Kaufens durch das Sekretariat für sie außer-
ordentlich umständlich ist. Die Zahl der verkauften Kunst-
werke ist zur Zahl der ausgestellten meist lächerlich gering.
Da der Künstler wenig verkauft, muß er für das einzelne
Kunstwerk naturgemäß mehr nehmen; denn er kann ja
immer nur damit rechnen, daß er von zehn Arbeiten eine
an den Mann bringt. Im Lsolland des siebzehnten Jahr-
hunderts, welches plötzlich eine Generation großer Maler
hervorbrachte, war die Künstlerschaft in kaufmännischen
Dingen weit besser organisiert, als es heute irgendeine
Künstlerschaft der Welt ist. Da gab es große viertel- und
halbjährliche Versteigerungen, und da alles fortging, konnten
naturgemäß die Preise der einzelnen Werke niedriger fein
und die Künstler konnten trotzdem auf ihre Rechnung
kommen. Deutschland gi bt Mi l lion en u nd Millio nen
für ganz schlechte „Kunstwerke" aus, für fabrik-
mäßig he rge st ellte Gelbilder, die in breite goldene
Rahmen gesperrt werden und den en man ein Schild -
chen mit irgendeinem schwungvollen Künstler-
namen ausnagelt, wenn nur dieses Geld einer Halb-
wegs anständigen Kunstübung zuflöffe, so wäre schon allen
Seiten geholfen.
Und so will ich der Berliner Künstlerschaft
beider Lager für das beginnende Jahr fyoy eine
starke und rückhaltlose Organisation wünschen,
die sich nicht damit begnügt, ein paar Ausstellungen mit
feierlichen Reden zu eröffnen und einmal im Winter ihre
Mitglieder durcheinandertanzen zu lassen, sondern die
sich wirklich der großen sozialenFragen annimmt,
die für den besten Teil unserer Künstler schäft
ebensoviel bedeuten und ebenso schwer und be-
drückend für sie sind wie nur für irgendeinen
Teil unserer Arbeiterschaft.
Vie Bilderstürmer des keickstages und i
HI die Verteidiger der Ilankscken kilder JO
begegnen sich, wie man uns mitteilt, in dem Ausspruch:
„a Rent' (Arendt) hat der Künstler zum mindesten nicht
verdient!" — Bekanntlich hatte der Reichstagsabgeordnete
Or. Arendt (und Vr. Pfeiffer), der dem Künstler die be-
stellten Bilder nicht einmal bezahlen will, durch seine seichte
und vollkommen dilettantische Kritik die Angelegenheit in
ein ihrer unwürdiges, persönliches Fahrwasser getrieben,
aus der sie nur eine wirklich sachliche und fach-
männische Besprechung der etwaigen Mängel der
Iankschen Bilder wieder herausführen könnte. Aber eine
solche, dem Objekt einzig angemessene Kritik fehlt
bisher! Also müssen wir, ohne uns aus die Sache weiter
einzulassen, doch sagen: Fritz von Ostini hatte ganz recht
mit seiner Meinung, daß auf diesen „Block" ein ganz
grober Keil gehöre.
Inzwischen sind die Iankschen Bilder endgültig
aus dem Reichstagssaal entfernt worden. — Mit dem
Künstler soll eine pekuniäre Einigung erzielt worden sein.
Erklärung
wir empfingen folgendes Schreiben:
Frankfurt am Main, 28. Dezember fy08.
wir teilen Ihnen Höst, mit, daß der „Eentral-
Anzeiger für den Bilderhandel" am f. Oktober d. I.
in unsere Sünde überging, wir stehen weder mit der
„Deutschen Kunst Vereinigung Berlin-München-
Dresden-Düsseldorf",noch mit perrn EarlSch len sing
in irgendwelcher Verbindung. Unter unseren Vorgängern
war der „Lentral-Anzeiger für den Bilderhandel" offizielles
Organ der obengenannten Vereinigung. Auf Anfrage
unserseits teilen uns unsere Vorgänger heute mit, daß sie
schon vor längerer Zeit alle Beziehungen zu Serrn
Schleusing sowie zu der „Kunstvereinigung" ab-
gebrochen haben, und zwar s. Z. sofort, als dieselben
durch den Artikel des „Berliner Tageblattes" von den
Machenschaften des Lserrn Schleusing erfahren haben.
Wir wären Ihnen fehr verbunden, wenn Sie die
Liebenswürdigkeit hätten, dies in Ihrer gesch. Zeitschrift
bekannt zu geben und empfehlen wir uns
hochachtungsvoll
Lentralanzeiger für den Bilderbandel.
Oericktigung
In der vorigen Nummer haben wir die Mitglieder
der „Preußischen Landeskunstkommission zur Be-
ratung über Verwendung der Fonds für Kunst-
zwecke" aufgezählt. Leider ist dabei der Name des Serrn
Prof. I. Sch euren berg vergessen worden, was wir hier-
mit berichtigen. — Sowohl im diesjährigen als auch im
vorjährigen Berliner Adreßbuch, das wir als Ouelle
benutzt hatten, fehlt in der Liste der Mitglieder der
„Landeskommission usw." der Name des Serrn Prof.
Scheurenberg ebenfalls. — Red.
Die Werkstatt der Kunst.
Lieft s5.
liefert sie exakt, in „den modernsten Genres", genau nach
Maß — — Und für einen Taler Aufgeld erhält inan den
Vater oder die Schwiegermutter mit den zartesten Eierfarben
wundervoll übermalt. Vetter Fritz, der Kommis, der am
Sonntag nachmittag die Kaffeegesellschaft oder das Freibad
am Wannsee kodakt, ist ein Künstler, und der Mann, der
seither im Atelier mit verständnisvollem Blick Gruppen
arrangiert hat, geht ins Kaffeehaus und knipst nur noch,
wenn er in Stimmung ist... .
Künstler! Du lieber Gott, einen Lionardo, einen
Michelangelo nennt man Künstler. Der Photograph, wenn
er mit Geschmack und Geschick arbeitet, treibt ein anstän-
diges Gewerbe. Ein Gewerbe, dessen Leistungen erfreuen
oder schrecklich deprimieren können. Vuul Westüsiru.
Ole xvirlscbastlicbe Situation uncl die
mangelnde Organisation der Künstler
In der „Berliner Morgenpost" schreibt Georg Her-
mann einen guten Artikel über „Berlin als Kunstmarkt",
dem wir die nachstehenden, allgemein zu beherzigenden
Schlußworte entnehmen:
„Aber endlich ist der Prozentsatz der gekauften Bilder
gegenüber den Werken, die geschaffen werden, doch ein
außerordentlich geringer. Und sicherlich ist der Prozentsatz
der Künstler, die überhaupt regelmäßig und ständig ver-
kaufen oder Aufträge haben, auch kein allzu großer. Ls
wäre Aufgabe der leitenden Stellen unserer
Künstlerschaft, genau einmal darüber Erhebungen an-
zustellen, und nicht etwa aus falscher Scham irgendwelche
Fakten zu verschweigen, sondern ein klares Bild der
sozialen Lage unserer heutigen Künstlerschaft zu geben.
Es ist den Idealen gegenüber, die die Kunst vertritt, keines-
wegs unwürdig, einmal zu fragen: wovon leben denn
unsere Künstler? einmal nachzuforschen, wie viel ge-
heimes Elend und wie viel schwere Armut es hier gibt.
Und wenn hierüber Material vorliegt, dann sich einmal zu
überlegen: was ist dagegen zu tun! vor allem: was hat
dieKünstlerschaft von Genossenschafts wegen da-
gegen zu tun? Der Kunsthandel an sich kann sich immer
nur auf Namen und auf gangbare Ware beschränken, kann
Neues lancieren, aber niemals die allgemeinen Kunstbe-
dürfnifse befriedigen. Die Künstlerschaft hilft sich hier selbst:
mit Ausstellungen an der Lehrter Bahn und in der Sezession.
Aber viele Käufer scheuen hier vor dem Kauf zurück, weil
sie glauben, daß die Bilder besonders teuer sind, und weil
der weg des Kaufens durch das Sekretariat für sie außer-
ordentlich umständlich ist. Die Zahl der verkauften Kunst-
werke ist zur Zahl der ausgestellten meist lächerlich gering.
Da der Künstler wenig verkauft, muß er für das einzelne
Kunstwerk naturgemäß mehr nehmen; denn er kann ja
immer nur damit rechnen, daß er von zehn Arbeiten eine
an den Mann bringt. Im Lsolland des siebzehnten Jahr-
hunderts, welches plötzlich eine Generation großer Maler
hervorbrachte, war die Künstlerschaft in kaufmännischen
Dingen weit besser organisiert, als es heute irgendeine
Künstlerschaft der Welt ist. Da gab es große viertel- und
halbjährliche Versteigerungen, und da alles fortging, konnten
naturgemäß die Preise der einzelnen Werke niedriger fein
und die Künstler konnten trotzdem auf ihre Rechnung
kommen. Deutschland gi bt Mi l lion en u nd Millio nen
für ganz schlechte „Kunstwerke" aus, für fabrik-
mäßig he rge st ellte Gelbilder, die in breite goldene
Rahmen gesperrt werden und den en man ein Schild -
chen mit irgendeinem schwungvollen Künstler-
namen ausnagelt, wenn nur dieses Geld einer Halb-
wegs anständigen Kunstübung zuflöffe, so wäre schon allen
Seiten geholfen.
Und so will ich der Berliner Künstlerschaft
beider Lager für das beginnende Jahr fyoy eine
starke und rückhaltlose Organisation wünschen,
die sich nicht damit begnügt, ein paar Ausstellungen mit
feierlichen Reden zu eröffnen und einmal im Winter ihre
Mitglieder durcheinandertanzen zu lassen, sondern die
sich wirklich der großen sozialenFragen annimmt,
die für den besten Teil unserer Künstler schäft
ebensoviel bedeuten und ebenso schwer und be-
drückend für sie sind wie nur für irgendeinen
Teil unserer Arbeiterschaft.
Vie Bilderstürmer des keickstages und i
HI die Verteidiger der Ilankscken kilder JO
begegnen sich, wie man uns mitteilt, in dem Ausspruch:
„a Rent' (Arendt) hat der Künstler zum mindesten nicht
verdient!" — Bekanntlich hatte der Reichstagsabgeordnete
Or. Arendt (und Vr. Pfeiffer), der dem Künstler die be-
stellten Bilder nicht einmal bezahlen will, durch seine seichte
und vollkommen dilettantische Kritik die Angelegenheit in
ein ihrer unwürdiges, persönliches Fahrwasser getrieben,
aus der sie nur eine wirklich sachliche und fach-
männische Besprechung der etwaigen Mängel der
Iankschen Bilder wieder herausführen könnte. Aber eine
solche, dem Objekt einzig angemessene Kritik fehlt
bisher! Also müssen wir, ohne uns aus die Sache weiter
einzulassen, doch sagen: Fritz von Ostini hatte ganz recht
mit seiner Meinung, daß auf diesen „Block" ein ganz
grober Keil gehöre.
Inzwischen sind die Iankschen Bilder endgültig
aus dem Reichstagssaal entfernt worden. — Mit dem
Künstler soll eine pekuniäre Einigung erzielt worden sein.
Erklärung
wir empfingen folgendes Schreiben:
Frankfurt am Main, 28. Dezember fy08.
wir teilen Ihnen Höst, mit, daß der „Eentral-
Anzeiger für den Bilderhandel" am f. Oktober d. I.
in unsere Sünde überging, wir stehen weder mit der
„Deutschen Kunst Vereinigung Berlin-München-
Dresden-Düsseldorf",noch mit perrn EarlSch len sing
in irgendwelcher Verbindung. Unter unseren Vorgängern
war der „Lentral-Anzeiger für den Bilderhandel" offizielles
Organ der obengenannten Vereinigung. Auf Anfrage
unserseits teilen uns unsere Vorgänger heute mit, daß sie
schon vor längerer Zeit alle Beziehungen zu Serrn
Schleusing sowie zu der „Kunstvereinigung" ab-
gebrochen haben, und zwar s. Z. sofort, als dieselben
durch den Artikel des „Berliner Tageblattes" von den
Machenschaften des Lserrn Schleusing erfahren haben.
Wir wären Ihnen fehr verbunden, wenn Sie die
Liebenswürdigkeit hätten, dies in Ihrer gesch. Zeitschrift
bekannt zu geben und empfehlen wir uns
hochachtungsvoll
Lentralanzeiger für den Bilderbandel.
Oericktigung
In der vorigen Nummer haben wir die Mitglieder
der „Preußischen Landeskunstkommission zur Be-
ratung über Verwendung der Fonds für Kunst-
zwecke" aufgezählt. Leider ist dabei der Name des Serrn
Prof. I. Sch euren berg vergessen worden, was wir hier-
mit berichtigen. — Sowohl im diesjährigen als auch im
vorjährigen Berliner Adreßbuch, das wir als Ouelle
benutzt hatten, fehlt in der Liste der Mitglieder der
„Landeskommission usw." der Name des Serrn Prof.
Scheurenberg ebenfalls. — Red.