Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 8.1908/1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0084
DOI Heft:
Heft 6 (9. November 1908)
DOI Artikel:Schmidkunz, Hans: Ausstellungssorgen
DOI Artikel:Briefkasten der Schriftleitung
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Die Werkstatt der Kunst.
Heft 6.
der ausgestellten Werke. Kurz: die Katalogfrage! Für
diese ist schon viel geklagt und vorgeschlagen und einiges
in der jüngsten Zeit auch durchgeführt worden. Dio Schwierig-
keiten des Anordnens und Aufstellens der Objekte werden
allerdings stets Unvollkommenheiten in der Ueberficht über
die Werke und namentlich über deren Urheber erzeugen.
Um so mehr muß getan werden, um im Kataloge das
„Nachschlagen" zu erleichtern.
Noch wichtiger jedoch ist eine umfänglichere Bezeich-
nung der Werke selbst. Sowohl an diesen wie auch im
Kataloge tun ausführliche Angaben not, nicht nur über
Titel und Künstlernamen, sondern auch über Technik, Lser-
ftellungszeit, bisherige Schicksale (d. i. Ausstellungen usw.),
ja sogar über Beziehungen und Bedeutungen und was
derlei inhaltliche Angelegenheiten mehr sind. Natürlich
kommt dabei auch die Individualität des Künstlers in Be-
tracht: der eine spricht gerne viel, der andere gern wenig;
und verschiedene Inhalte (man denke z. B. an religiöse
Symbolik und an historische Details) sowie verschiedene
Techniken (man denke z. B. an die oft sogar von Kennern
nicht sofort und unbedingt zu unterscheidenden Arten der
Radierung usw.). verlangen auch verschiedene Ausführlich-
keit der Angaben.
Stehende Sammlungen haben es da natürlich leichter
als fliegende Ausstellungen, und zeigen bereits auch mehr
Eifer als diese. Zumal unsere Kunstgewerbemuseen leisten mit
ihren ständigen Katalogen schon viel gut Instruktives; das
zu Berlin läßt dies auch einigen (leider nicht allen) von
seinen aktuellen Vorführungen zugute kommen. Daß den
großen Iahrcsausstellungen und noch mehr den von Kunst-
salons veranstalteten Monatsausstellungen gleiches mehr
Mühe machen würde, liegt auf der pand. Aber ist nur
einmal eine energische Parole ausgegeben, so erwacht
auch der Ehrgeiz ihrer Befolgung.
Man sehe z. B. das dürftige Verzeichnis der Aus-
stellung Wilhelm Steinhausen, welche zu Berlin der Salon
Fritz Gurlitt im Oktober fqo8 veranstaltet hat! Nicht nur,
daß einzelne Angaben nicht stimmen: alles, was dort an
Aquarellen und graphischen Blättern ausgestellt war, er-
mangelte jeglicher Verzeichnung; und daß einige Litho-
graphien wohl zu einem Zyklus gehören, konnte man nur
eben vermuten. Wie zweckmäßig würde bei allen verkäuf-
lichen Werken, zumal denen der graphischen Künste, die
Angabe der Preise sein (bei letzteren ist sie nicht mehr un-
erhört)! Das könnte nicht nur der Kauflust dienen und
sie steigern, sondern auch den Kunsttheoretiker in seinen
Kenntnissen fördern, mittels deren er wiederum der wirt-
schaftlichen Praxis des Künstlers dienlich zu sein vermag.
All das Gesagte entspricht natürlich mehr dem Stand-
punkte des Kunstkenners, als dem des bloß Genießenden,
der sich vielleicht sogar gestört fühlt, wenn man ihm Er-
läuterungen bringt. Allein eine solche idyllische Ansicht
reicht nicht mehr an die Ansprüche des gegenwärtigen über-
vollen Getriebes heran. Und leider kommt man ohne die
Leute, welche der Notizen bedürfen, nicht mehr aus; nament-
lich der Kritiker kann der Kunst um so besser dienen, je
mehr Uebersicht er über deren tatsächliche Fülle und Be-
schaffenheit bekommt.
So können wir Kunstschriftsteller einstweilen von Bild-
werk zu Bildwerk wandern und uns so gut wie möglich
mit Notierungen helfen — auch solchen, die das Verzeichnis
oder der Katalog enthalten sollte. Kaum aber vertieft sich
unser Bleistift etwas eifriger in das Notizpapier, so rückt
uns auch schon ein Diener oder Beamter auf den pals,
vermutet eine Verletzung des Urheberrechtes durch ein Ab-
zeichnen, und zieht nach Einblick in unsere bloß schriftlichen
Skizzen befriedigt von dannen. Einmal ist es mir aller-
dings passiert, daß mir sogar bloße Notierungen vor einem
Werke rundweg verboten wurden; natürlich konnte ich dann
über dieses Werk um so weniger berichten, als wohl auch ein
großer Gedächtniskünstler die (Dualitäten von ein paar
tausend Werken schwer im Kopfe behalten und sie aus ihm
heraus schriftstellerisch verarbeiten kann.
Wohl ist es nur eine Utopie, aber doch kein müßiger
Gedanke, daß dem Kunstliteraten ausnahmsweise Dispens
von dem sonst so berechtigten urheberrechtlichen Verbot des
Abzeichnens gewährt werden sollte. Sein Interesse ist dabei
lediglich dies, sich seine Berufsarbeit im Dienste der Kunst
und der Künstler zu erleichtern und zu vervollkommnen
und dadurch sogar auch wieder der Anwendung des Ur-
heberrechtes zu nützen.
Doch auch abgesehen von solchen Einzelfragen ist eine
größere Aufmerksamkeit auf das Eindringen der Beschauer
in die Kunstwerke sowie auf das Eindringen dieser in jene
nötig. Wahrscheinlich würde darin mehr zu erreichen sein,
wenn — auch zugunsten anderer Vorteile — ein Vorschlag
verwirklicht würde, welchen Schreiber dieses kaum aus-
sprechen würde, wäre er ihm nicht von einem leibhaftigen
Künstler nahegelegt worden.
Museumsbeamte waren in früherer Zeit gewöhnlich
Künstler. Erst allmählich hat man eingesehen und nun
auch wohl allgemein durchgeführt, daß zu dieser Funktion
nicht der Praktiker, sondern der Theoretiker der Kunst taugt
und Zeit hat, also der Kunstgelehrte, speziell als Kunst-
historiker. Er ist ja zum Kunsterkenncn da; und nur er
besitzt die nötige umfassende Kenntnis und Objektivität und
Muße, während der Künstler znm Schaffen da ist und zum
individuell-subjektiven Auffassen berechtigt, sagen wir sogar:
verpflichtet ist. wenn jeder Künstler für sich allein oder
mit anderen zusammen „Partei" bildet, und wenn sich
selbst die Künstler gegenseitig „totschlagen", so betrauern
wir das, würdigen es aber als Folge ihrer künstlerischen
Subjektivität und würden hier über allzuviel Objektivität
sogar ungehalten sein. Der Künstler sieht alles in seiner-
weise; wohl ihm!
Der Kunsttheoretiker sieht die Dinge nicht in seiner
individuell-subjektiven weise, sondern so gut möglich in
allgemeingültiger weise. Darum ist er zum Vermitteln
von Kunstschätzen der richtige Mann und sollte nun auch,
wie man ihn zum Käufer und ksüter von Museumsobjekten
macht, so ebenfalls Juror und Leiter und Katalog-Autor
von Ausstellungen sein. Die von uns oben geforderten
Aufschlüsse über Kunstwerke finden nur in seinem ana-
lytischen, historischen, philologischen Geist ein genügendes
Interesse und literarisches Vermögen. Dabei könnten immer
noch den Fachmann der Theorie Fachleute der Praxis mit-
beraten, so wie den Direktoren von Museen zu den An-
käufen häufig Kommissionen von Künstlern zur Seite stehen,
in denen zumal der technische Standpunkt des Malenkönners,
ebenso der des Plastikers, Architekten usw., nicht zuletzt des
Restaurators, zur Geltung kommen kann oder soll. Aber
die pauxtarbeit einer Ausstellungsleitung gebührt dem Fach-
mann des Kunst kennens, nicht dem des Kunstkönnens.
— Vrieskalten äsr Sckriktleltung !—!
V. N. in Dresden, wir empfingen für Sie folgende
Auskunft:
„Die beiden Gesellschaften Locieto royale cle
Auruisruariczue undVes^mis cle la !Vl6 cl ai I! e cllart
sind sehr wichtige Gesellschaften. Die erste beschäftigt sich
hauptsächlich mit dem Sammeln älterer Münzen und mit
der wissenschaftlichen Seite, die zweite mit der Förderung
neuerer künstlerischer Medaillen.
Aus den Mitglieder-Verzeichnissen ist zu ersehen, daß
sich die ersten Persönlichkeiten des Landes und des Aus-
landes in diesen Gesellschaften befinden; der Kongreß,
den sie O lO, während der Brüsseler Weltausstellung, organi-
sieren werden, wird sehr wichtig sein.
Diesen Gesellschaften wird wahrscheinlich die Organi-
sation einer .Internationalen numismatischen Abteilung'
der Weltausstellung anvertraut. — Der Präsident der
Drills cke la Neckaille ist perr Buls, ehemaliger Bürger-
meister von Brüssel und bekannter Kunstschriftsteller, der
Die Werkstatt der Kunst.
Heft 6.
der ausgestellten Werke. Kurz: die Katalogfrage! Für
diese ist schon viel geklagt und vorgeschlagen und einiges
in der jüngsten Zeit auch durchgeführt worden. Dio Schwierig-
keiten des Anordnens und Aufstellens der Objekte werden
allerdings stets Unvollkommenheiten in der Ueberficht über
die Werke und namentlich über deren Urheber erzeugen.
Um so mehr muß getan werden, um im Kataloge das
„Nachschlagen" zu erleichtern.
Noch wichtiger jedoch ist eine umfänglichere Bezeich-
nung der Werke selbst. Sowohl an diesen wie auch im
Kataloge tun ausführliche Angaben not, nicht nur über
Titel und Künstlernamen, sondern auch über Technik, Lser-
ftellungszeit, bisherige Schicksale (d. i. Ausstellungen usw.),
ja sogar über Beziehungen und Bedeutungen und was
derlei inhaltliche Angelegenheiten mehr sind. Natürlich
kommt dabei auch die Individualität des Künstlers in Be-
tracht: der eine spricht gerne viel, der andere gern wenig;
und verschiedene Inhalte (man denke z. B. an religiöse
Symbolik und an historische Details) sowie verschiedene
Techniken (man denke z. B. an die oft sogar von Kennern
nicht sofort und unbedingt zu unterscheidenden Arten der
Radierung usw.). verlangen auch verschiedene Ausführlich-
keit der Angaben.
Stehende Sammlungen haben es da natürlich leichter
als fliegende Ausstellungen, und zeigen bereits auch mehr
Eifer als diese. Zumal unsere Kunstgewerbemuseen leisten mit
ihren ständigen Katalogen schon viel gut Instruktives; das
zu Berlin läßt dies auch einigen (leider nicht allen) von
seinen aktuellen Vorführungen zugute kommen. Daß den
großen Iahrcsausstellungen und noch mehr den von Kunst-
salons veranstalteten Monatsausstellungen gleiches mehr
Mühe machen würde, liegt auf der pand. Aber ist nur
einmal eine energische Parole ausgegeben, so erwacht
auch der Ehrgeiz ihrer Befolgung.
Man sehe z. B. das dürftige Verzeichnis der Aus-
stellung Wilhelm Steinhausen, welche zu Berlin der Salon
Fritz Gurlitt im Oktober fqo8 veranstaltet hat! Nicht nur,
daß einzelne Angaben nicht stimmen: alles, was dort an
Aquarellen und graphischen Blättern ausgestellt war, er-
mangelte jeglicher Verzeichnung; und daß einige Litho-
graphien wohl zu einem Zyklus gehören, konnte man nur
eben vermuten. Wie zweckmäßig würde bei allen verkäuf-
lichen Werken, zumal denen der graphischen Künste, die
Angabe der Preise sein (bei letzteren ist sie nicht mehr un-
erhört)! Das könnte nicht nur der Kauflust dienen und
sie steigern, sondern auch den Kunsttheoretiker in seinen
Kenntnissen fördern, mittels deren er wiederum der wirt-
schaftlichen Praxis des Künstlers dienlich zu sein vermag.
All das Gesagte entspricht natürlich mehr dem Stand-
punkte des Kunstkenners, als dem des bloß Genießenden,
der sich vielleicht sogar gestört fühlt, wenn man ihm Er-
läuterungen bringt. Allein eine solche idyllische Ansicht
reicht nicht mehr an die Ansprüche des gegenwärtigen über-
vollen Getriebes heran. Und leider kommt man ohne die
Leute, welche der Notizen bedürfen, nicht mehr aus; nament-
lich der Kritiker kann der Kunst um so besser dienen, je
mehr Uebersicht er über deren tatsächliche Fülle und Be-
schaffenheit bekommt.
So können wir Kunstschriftsteller einstweilen von Bild-
werk zu Bildwerk wandern und uns so gut wie möglich
mit Notierungen helfen — auch solchen, die das Verzeichnis
oder der Katalog enthalten sollte. Kaum aber vertieft sich
unser Bleistift etwas eifriger in das Notizpapier, so rückt
uns auch schon ein Diener oder Beamter auf den pals,
vermutet eine Verletzung des Urheberrechtes durch ein Ab-
zeichnen, und zieht nach Einblick in unsere bloß schriftlichen
Skizzen befriedigt von dannen. Einmal ist es mir aller-
dings passiert, daß mir sogar bloße Notierungen vor einem
Werke rundweg verboten wurden; natürlich konnte ich dann
über dieses Werk um so weniger berichten, als wohl auch ein
großer Gedächtniskünstler die (Dualitäten von ein paar
tausend Werken schwer im Kopfe behalten und sie aus ihm
heraus schriftstellerisch verarbeiten kann.
Wohl ist es nur eine Utopie, aber doch kein müßiger
Gedanke, daß dem Kunstliteraten ausnahmsweise Dispens
von dem sonst so berechtigten urheberrechtlichen Verbot des
Abzeichnens gewährt werden sollte. Sein Interesse ist dabei
lediglich dies, sich seine Berufsarbeit im Dienste der Kunst
und der Künstler zu erleichtern und zu vervollkommnen
und dadurch sogar auch wieder der Anwendung des Ur-
heberrechtes zu nützen.
Doch auch abgesehen von solchen Einzelfragen ist eine
größere Aufmerksamkeit auf das Eindringen der Beschauer
in die Kunstwerke sowie auf das Eindringen dieser in jene
nötig. Wahrscheinlich würde darin mehr zu erreichen sein,
wenn — auch zugunsten anderer Vorteile — ein Vorschlag
verwirklicht würde, welchen Schreiber dieses kaum aus-
sprechen würde, wäre er ihm nicht von einem leibhaftigen
Künstler nahegelegt worden.
Museumsbeamte waren in früherer Zeit gewöhnlich
Künstler. Erst allmählich hat man eingesehen und nun
auch wohl allgemein durchgeführt, daß zu dieser Funktion
nicht der Praktiker, sondern der Theoretiker der Kunst taugt
und Zeit hat, also der Kunstgelehrte, speziell als Kunst-
historiker. Er ist ja zum Kunsterkenncn da; und nur er
besitzt die nötige umfassende Kenntnis und Objektivität und
Muße, während der Künstler znm Schaffen da ist und zum
individuell-subjektiven Auffassen berechtigt, sagen wir sogar:
verpflichtet ist. wenn jeder Künstler für sich allein oder
mit anderen zusammen „Partei" bildet, und wenn sich
selbst die Künstler gegenseitig „totschlagen", so betrauern
wir das, würdigen es aber als Folge ihrer künstlerischen
Subjektivität und würden hier über allzuviel Objektivität
sogar ungehalten sein. Der Künstler sieht alles in seiner-
weise; wohl ihm!
Der Kunsttheoretiker sieht die Dinge nicht in seiner
individuell-subjektiven weise, sondern so gut möglich in
allgemeingültiger weise. Darum ist er zum Vermitteln
von Kunstschätzen der richtige Mann und sollte nun auch,
wie man ihn zum Käufer und ksüter von Museumsobjekten
macht, so ebenfalls Juror und Leiter und Katalog-Autor
von Ausstellungen sein. Die von uns oben geforderten
Aufschlüsse über Kunstwerke finden nur in seinem ana-
lytischen, historischen, philologischen Geist ein genügendes
Interesse und literarisches Vermögen. Dabei könnten immer
noch den Fachmann der Theorie Fachleute der Praxis mit-
beraten, so wie den Direktoren von Museen zu den An-
käufen häufig Kommissionen von Künstlern zur Seite stehen,
in denen zumal der technische Standpunkt des Malenkönners,
ebenso der des Plastikers, Architekten usw., nicht zuletzt des
Restaurators, zur Geltung kommen kann oder soll. Aber
die pauxtarbeit einer Ausstellungsleitung gebührt dem Fach-
mann des Kunst kennens, nicht dem des Kunstkönnens.
— Vrieskalten äsr Sckriktleltung !—!
V. N. in Dresden, wir empfingen für Sie folgende
Auskunft:
„Die beiden Gesellschaften Locieto royale cle
Auruisruariczue undVes^mis cle la !Vl6 cl ai I! e cllart
sind sehr wichtige Gesellschaften. Die erste beschäftigt sich
hauptsächlich mit dem Sammeln älterer Münzen und mit
der wissenschaftlichen Seite, die zweite mit der Förderung
neuerer künstlerischer Medaillen.
Aus den Mitglieder-Verzeichnissen ist zu ersehen, daß
sich die ersten Persönlichkeiten des Landes und des Aus-
landes in diesen Gesellschaften befinden; der Kongreß,
den sie O lO, während der Brüsseler Weltausstellung, organi-
sieren werden, wird sehr wichtig sein.
Diesen Gesellschaften wird wahrscheinlich die Organi-
sation einer .Internationalen numismatischen Abteilung'
der Weltausstellung anvertraut. — Der Präsident der
Drills cke la Neckaille ist perr Buls, ehemaliger Bürger-
meister von Brüssel und bekannter Kunstschriftsteller, der