Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 8.1908/1909
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0573
DOI Heft:
Heft 41 (19. Juli 1909)
DOI Artikel:Esswein, Hermann: Vom Deutschen Künstlerverband
DOI Artikel:Die "Deutsche Kunstvereinigung Berlin-München-Dresden-Düsseldorf", [2]
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0573
Die Werkstatt der Kunst
Organ für ctie Interessen cler bildenden Künstler
^eäaklem: hellvsLg.
VIII. Jakrg. !)eft 41. 19» Juli 1909.
Vom veuls^en Rimstlerverbanck
„Deutscher Künstlerverband zur Wahrung der mate-
riellen Interessen" lautet der volle Titel der neuen Ver-
einigung, die hier ins Leben getreten ist und nach ihrer
am Montag, den 28. Juni, stattgehabten zweiten öffent-
lichen Versammlung bereits zahlreiche Mitglieder (an die
dreihundert) aufweist. Line definitive Vorstandswahl ist
noch nicht erfolgt, die letzte Versammlung leitete Herr Jean
pilliet mit Energie und parlamentarischem Geschick.
Die Mitglieder des Verbandes rekrutieren sich aus
allen Lebensaltern, aus allen Gruppen und sozialen Ab-
stufungen der Künstlerschaft. Sie suchen bei dem Verbände
offenbar alles andere eher, als die Propagierung bestimmter
ästhetischer Auffassungen, die Durchsetzung irgendeiner neuen
Richtung. Nicht künstlerische, sondern rein praktische Be-
dürfnisse, die Exklusivität der bestehenden Korporationen,
die immer seltener werdenden Verkaufsmöglichkeiten bei
uferloser Ueberxroduktion, mit einem Worte, der wirtschaft-
liche Druck, der hier wie heute allenthalben auf der Künstler-
schaft lastet, hat zu dieser interessanten Bewegung geführt.
Den geringsten Anteil an ihr hat der Ehrgeiz zurückgesetzter
oder sich zurückgesetzt Fühlender, denen nur daran liegt,
sich und ihr Schaffen in den Vordergrund des öffentlichen
Interesses zu bringen.
Handelt es sich also mit dem Deutschen Künstlerverband
um eine im Kern gesunde, zeitgemäße und hoffnungsvolle
Sache, so ist doch auch nicht zu verkennen, daß derselben
aus der geringen Erfahrung, die Künstlern in praktisch-
organisatorischen Dingen zu Gebote steht, allerhand Hem-
mungen und Schwierigkeiten erwachsen können. Die Debatte,
die auf der obenerwähnten Versammlung zustande kam,
war durchaus enttäuschend und die rasch errungenen Er-
folge nach außen, die günstige Aufnahme des Verbands-
gedankens durch die hiesige Tagespresse, die magistratliche
Verheißung einer Ausstellungshalle auf der Schwanthaler-
höhe für nächstes Jahr wollen wenig gegenüber der Un-
klarheit besagen, in der sich der Verband einstweilen noch
über seine Ziele und über die Wege befindet, sie zu er-
reichen.
Mir scheint, daß mit dem Zustandekommen periodischer
juryfreier Ausstellungen, dem Hauptprogrammxunkte, der
von dem Privatdozenten der hiesigen Universität, Herrn Or.
Burger, schwungvoll und geistreich in den Versammlungen
verfochten wird, noch lange nicht alles, noch lange nicht
das Wesentliche getan ist. Und selbst über die Art und
weise dieser Veranstaltungen brachte die zweite Versamm-
lung noch keine Aufklärung. Man hörte nur, daß eine
ziemlich hohe Platzgebühr eingehoben werden soll, daß man,
entgegen einer anfänglichen, rigoros ablehnenden Haltung
gegen die Künstlerinnen, diesen den korporativen Anschluß
an den Verband gestatten will. Mar: vernahm nach vielen
zwecklosen und zum Teil geradezu grotesken Expektorationen
einen sachlichen Redner, der mit Recht für die Aufnahme
landeseingesefsener Ausländer eintrat. Von anderer Seite
wurde mit Nachdruck der problematische Lharakter der an-
gestrebten Iuryfreiheit betont und darauf hingewiesen, daß
die Rolle der in Acht und Bann erklärten Jury einfach
an die — Hängekommission übergehen und so im Grunde
alles beim Alten bleiben würde. Positive Vorschläge, wie
dieser Gefahr zu steuern wäre, fehlten.
Umsonst wartete inan auch auf ein eigentliches, wirt-
schaftliches Programm, das den bedarfskünstlerisch
tätigen Mitgliedern, den Graphikern, Illustratoren, Plakat-
künstlern ufw. doch wohl viel mehr am Herzen liegen dürfte,
als die Aussicht, hier und da einmal ein paar Bilder aus-
stellen zu können, die damit ja noch lange nicht verkauft
sind. Dieser Verband zur Wahrung der materiellen Inter-
essen der Künstlerschaft nimmt meines Dafürhaltens viel
zu wenig Rücksicht auf die im Erwerbsleben Kämpfenden,
auf den geschäftlichen Verkehr mit Kunstanstalten, Ver-
lagen, Redaktionen, Gewerbtreibenden angewiesenen Kreise,
die heute in der Künstlerschaft fast vor denen überwiegen,
denen es noch vergönnt ist, in Ruhe ihre Bilder zu malen
und ihre Statuen zu meißeln. Wohl war anfangs davon
die Rede, ein Nusterzimmer für kunstgewerbliche und be-
darfs-graxhische Entwürfe einzurichten, aber der Gedanke
verschwand in der Versenkung. Von der Notlage der wirt-
schaftlich schwerringenden Bedarfskünstlerschaft hörte man
auch nicht ein Wort. Zum mindesten sollte man auf diesem
Gebiete wieder die Schaffung einer Sammelstelle für Be-
schwerden der im praktischen Geschäftsleben stehenden
Künstler, wie eine solche schon, angeregt von dem Graphiker
Ernst Neumann, in früheren Jahren hier bestand, ins
Auge fassen.
Der Deutsche Künstlerverband ist ja noch jung und
biegsam und wird durch die Mitglieder, die ihm jetzt zu-
geströmt sind, wohl ganz von selbst nach deren vitalsten Be-
dürfnissen gemodelt werden. Daß der Künstler ohne Bevor-
mundung durch seine eigenen Kollegen und — Konkurrenten,
ohne Jury seine Bilder dem Publikum und der Kritik vor-
führen dürfe, ist gewiß eine berechtigte, durchaus zeitgemäße
Forderung. Eine solche Ausstellung der Nichtinkorporierten
kann, selbst wenn sich starke eigenartige Persönlichkeiten
unter ihren Beschickern nicht finden sollten, immerhin einen
recht lehrreichen Einblick in den Durchschnitt des Schaffens
einer Kunststadt bieten. Sie zustande zu bringen, würden
die Künstler am besten tun, wenn sie neutralen, unpar-
teiischen Instanzen, den mit der Sache sympathisierenden
Kunstgelehrten, den Kritikern und selbst kunstverständigen
Laien das Arrangement der Säle überließen. Eine unsach-
liche und rauhbeinige Anrempelung, mit der einer der
Diskussionsredner für den etwas kathedermäßigen Ton der
Ausführungen des um den verband hochverdienten Herrn
Or. Burger Rache nahm, läßt in dieser Beziehung freilich
nichts Gutes erhoffen. Nsruaauri Lsswslu-Nünchen.
Oie „Deutsche liunllvereinigung Veriin-
...... München-Orescien-Düsselciors" I
In der vorigen Nummer teilten wir mit, daß diese
Vereinigung scheinbar mit dem Namen eines Kgl. Amts-
richters, den sie als „Referenz" angab, Unfug treibe.
Ein bei uns eingelaufenes Schreiben bestätigt unsere
Vermutung. Der Herr Amtsrichter schreibt uns:
„. . . . Dabei habe ich aber nicht bedacht, daß dieser
Brief (an Herrn Schleusing — Red.) veröffentlicht werden
könnte, oder daß gar mein Name in diese Angelegenheit,
die sich jetzt weit anders gestaltet hat, hineingezogen werden
könnte.
Angesichts der Veröffentlichung meines Namens aber
möchte ich mich hüten, meinen Namen mit einer Ver-
Organ für ctie Interessen cler bildenden Künstler
^eäaklem: hellvsLg.
VIII. Jakrg. !)eft 41. 19» Juli 1909.
Vom veuls^en Rimstlerverbanck
„Deutscher Künstlerverband zur Wahrung der mate-
riellen Interessen" lautet der volle Titel der neuen Ver-
einigung, die hier ins Leben getreten ist und nach ihrer
am Montag, den 28. Juni, stattgehabten zweiten öffent-
lichen Versammlung bereits zahlreiche Mitglieder (an die
dreihundert) aufweist. Line definitive Vorstandswahl ist
noch nicht erfolgt, die letzte Versammlung leitete Herr Jean
pilliet mit Energie und parlamentarischem Geschick.
Die Mitglieder des Verbandes rekrutieren sich aus
allen Lebensaltern, aus allen Gruppen und sozialen Ab-
stufungen der Künstlerschaft. Sie suchen bei dem Verbände
offenbar alles andere eher, als die Propagierung bestimmter
ästhetischer Auffassungen, die Durchsetzung irgendeiner neuen
Richtung. Nicht künstlerische, sondern rein praktische Be-
dürfnisse, die Exklusivität der bestehenden Korporationen,
die immer seltener werdenden Verkaufsmöglichkeiten bei
uferloser Ueberxroduktion, mit einem Worte, der wirtschaft-
liche Druck, der hier wie heute allenthalben auf der Künstler-
schaft lastet, hat zu dieser interessanten Bewegung geführt.
Den geringsten Anteil an ihr hat der Ehrgeiz zurückgesetzter
oder sich zurückgesetzt Fühlender, denen nur daran liegt,
sich und ihr Schaffen in den Vordergrund des öffentlichen
Interesses zu bringen.
Handelt es sich also mit dem Deutschen Künstlerverband
um eine im Kern gesunde, zeitgemäße und hoffnungsvolle
Sache, so ist doch auch nicht zu verkennen, daß derselben
aus der geringen Erfahrung, die Künstlern in praktisch-
organisatorischen Dingen zu Gebote steht, allerhand Hem-
mungen und Schwierigkeiten erwachsen können. Die Debatte,
die auf der obenerwähnten Versammlung zustande kam,
war durchaus enttäuschend und die rasch errungenen Er-
folge nach außen, die günstige Aufnahme des Verbands-
gedankens durch die hiesige Tagespresse, die magistratliche
Verheißung einer Ausstellungshalle auf der Schwanthaler-
höhe für nächstes Jahr wollen wenig gegenüber der Un-
klarheit besagen, in der sich der Verband einstweilen noch
über seine Ziele und über die Wege befindet, sie zu er-
reichen.
Mir scheint, daß mit dem Zustandekommen periodischer
juryfreier Ausstellungen, dem Hauptprogrammxunkte, der
von dem Privatdozenten der hiesigen Universität, Herrn Or.
Burger, schwungvoll und geistreich in den Versammlungen
verfochten wird, noch lange nicht alles, noch lange nicht
das Wesentliche getan ist. Und selbst über die Art und
weise dieser Veranstaltungen brachte die zweite Versamm-
lung noch keine Aufklärung. Man hörte nur, daß eine
ziemlich hohe Platzgebühr eingehoben werden soll, daß man,
entgegen einer anfänglichen, rigoros ablehnenden Haltung
gegen die Künstlerinnen, diesen den korporativen Anschluß
an den Verband gestatten will. Mar: vernahm nach vielen
zwecklosen und zum Teil geradezu grotesken Expektorationen
einen sachlichen Redner, der mit Recht für die Aufnahme
landeseingesefsener Ausländer eintrat. Von anderer Seite
wurde mit Nachdruck der problematische Lharakter der an-
gestrebten Iuryfreiheit betont und darauf hingewiesen, daß
die Rolle der in Acht und Bann erklärten Jury einfach
an die — Hängekommission übergehen und so im Grunde
alles beim Alten bleiben würde. Positive Vorschläge, wie
dieser Gefahr zu steuern wäre, fehlten.
Umsonst wartete inan auch auf ein eigentliches, wirt-
schaftliches Programm, das den bedarfskünstlerisch
tätigen Mitgliedern, den Graphikern, Illustratoren, Plakat-
künstlern ufw. doch wohl viel mehr am Herzen liegen dürfte,
als die Aussicht, hier und da einmal ein paar Bilder aus-
stellen zu können, die damit ja noch lange nicht verkauft
sind. Dieser Verband zur Wahrung der materiellen Inter-
essen der Künstlerschaft nimmt meines Dafürhaltens viel
zu wenig Rücksicht auf die im Erwerbsleben Kämpfenden,
auf den geschäftlichen Verkehr mit Kunstanstalten, Ver-
lagen, Redaktionen, Gewerbtreibenden angewiesenen Kreise,
die heute in der Künstlerschaft fast vor denen überwiegen,
denen es noch vergönnt ist, in Ruhe ihre Bilder zu malen
und ihre Statuen zu meißeln. Wohl war anfangs davon
die Rede, ein Nusterzimmer für kunstgewerbliche und be-
darfs-graxhische Entwürfe einzurichten, aber der Gedanke
verschwand in der Versenkung. Von der Notlage der wirt-
schaftlich schwerringenden Bedarfskünstlerschaft hörte man
auch nicht ein Wort. Zum mindesten sollte man auf diesem
Gebiete wieder die Schaffung einer Sammelstelle für Be-
schwerden der im praktischen Geschäftsleben stehenden
Künstler, wie eine solche schon, angeregt von dem Graphiker
Ernst Neumann, in früheren Jahren hier bestand, ins
Auge fassen.
Der Deutsche Künstlerverband ist ja noch jung und
biegsam und wird durch die Mitglieder, die ihm jetzt zu-
geströmt sind, wohl ganz von selbst nach deren vitalsten Be-
dürfnissen gemodelt werden. Daß der Künstler ohne Bevor-
mundung durch seine eigenen Kollegen und — Konkurrenten,
ohne Jury seine Bilder dem Publikum und der Kritik vor-
führen dürfe, ist gewiß eine berechtigte, durchaus zeitgemäße
Forderung. Eine solche Ausstellung der Nichtinkorporierten
kann, selbst wenn sich starke eigenartige Persönlichkeiten
unter ihren Beschickern nicht finden sollten, immerhin einen
recht lehrreichen Einblick in den Durchschnitt des Schaffens
einer Kunststadt bieten. Sie zustande zu bringen, würden
die Künstler am besten tun, wenn sie neutralen, unpar-
teiischen Instanzen, den mit der Sache sympathisierenden
Kunstgelehrten, den Kritikern und selbst kunstverständigen
Laien das Arrangement der Säle überließen. Eine unsach-
liche und rauhbeinige Anrempelung, mit der einer der
Diskussionsredner für den etwas kathedermäßigen Ton der
Ausführungen des um den verband hochverdienten Herrn
Or. Burger Rache nahm, läßt in dieser Beziehung freilich
nichts Gutes erhoffen. Nsruaauri Lsswslu-Nünchen.
Oie „Deutsche liunllvereinigung Veriin-
...... München-Orescien-Düsselciors" I
In der vorigen Nummer teilten wir mit, daß diese
Vereinigung scheinbar mit dem Namen eines Kgl. Amts-
richters, den sie als „Referenz" angab, Unfug treibe.
Ein bei uns eingelaufenes Schreiben bestätigt unsere
Vermutung. Der Herr Amtsrichter schreibt uns:
„. . . . Dabei habe ich aber nicht bedacht, daß dieser
Brief (an Herrn Schleusing — Red.) veröffentlicht werden
könnte, oder daß gar mein Name in diese Angelegenheit,
die sich jetzt weit anders gestaltet hat, hineingezogen werden
könnte.
Angesichts der Veröffentlichung meines Namens aber
möchte ich mich hüten, meinen Namen mit einer Ver-