Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 8.1908/1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0350
DOI issue:
Heft 25 (22. März 1909)
DOI article:Das Baden-Badener Ausstellungsplakat-Preisausschreiben
DOI article:Mielich, A. L.: Ueber bunte Entwürfe für Farbenreproduktionen
DOI article:Antwort auf die Anfrage in Heft 19 / Wetschs Allgemeiner Ausstellungskalender 1909
DOI article:Raudner, Robert Hermann: Ausstellungsbesucher
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0350
3^2
Die Werkstatt der Kunst.
L)eft 25.
deber bunte Entwürfe für ^arben-
.. reprociuktionen !—.. '
Line Entgegnung auf den Artikel in Heft ^8.
Gleich nach Erscheinen des l8. Heftes wollte ich zu
dem darin befindlichen Artikel „Ueber bunte Farbenrepro-
duktionen" von Johann Mai schon deswegen Stellung
nehmen, weil es mir als Künstler, der darin Erfahrung
besitzt, nötig erschien, sowohl vom künstlerischen wie auch
vom technischen Standpunkt dem Schreckschuß, den Herr
Mai gegen die Künstler abfeuert, möglichst viel von seiner
Wirkung zu nehmen.
Der Tenor dieses Artikels geht nämlich dahin, daß die
Künstler so arbeiten sollen, wie es dem Kaufmann resp.
der bequemen Reproduktionsanstalt wünschenswert erscheint,
damit sie billiger daraus kommt, indes in Wirklichkeit Herr
Johann Mai vom Wesen der künstlerischen Reproduktionen,
wie wir dieselben aufzufassen für gut befinden, wenig ver-
stehen mag.
Wenn ich auch ansonsten im allgemeinen — und um
ja nicht fehlzugehen, habe ich diesbezüglich von einer ersten
Autorität des Reproduktionsfaches Meinung eingeholt, die
gleichlautet — vom rein technischen Standpunkt diesem
Artikel zustimme, so muß ich um so entschiedener dagegen
Stellung nehmen, daß den Künstlern auch nur im ent-
ferntesten bezüglich Herstellung der Originale eine derartige
Beschränkung auferlegt wird, wie sie der Artikel enthält.
Denn es ist ja für jeden Sachverständigen ganz klar, daß
eine vollkommene originalgetreue Wiedergabe überhaupt
nicht zu erreichen ist und zwar wegen der Unzulänglich-
keit der photographischen Filter und der Klischierung und
dann wegen der absoluten Unzulänglichkeit der Druckfarben.
Es fall vor allem der Erscheinung des Bildes an
sich möglichst nahe gekommen werden, die Tonwerte sollen
in der Reproduktion im selben Verhältnis zueinander stehen
wie im Original. Die Farben an sich sollen gleichfalls im
selben Wertverhältnis zueinander bleiben und es ist jeden-
falls ein kleineres Uebel, nur eine Ähnlichkeit zu erreichen,
die aber bei geschickter Rücksichtnahme auf das vorher-
gesagte, dem Original außerordentlich nahekommen kann,
als den Künstlern Schreck einzujagen und ihnen bange zu
machen, ihre Werke würden in der Reproduktion schlecht
ausfallen oder vom Auftraggeber nicht akzeptiert werden,
wenn sie dieselben nicht in der von Herrn Johann Mai
zurechtgelegten Art und mit den von ihm empfohlenen
Farben schaffen würden.
Der Erfahrene wird ja über die Zeilen des Herrn
Johann Mai hinwegsehen und -gehen. Gefahr — vom
künstlerischen Standpunkt — bedeuten sie aber für den jungen,
strebenden Künstler, der im harten Kampf ums Dasein
ohnehin genug Opfer bringen muß und nun am Ende
auch noch die Freiheit in der Wahl seiner Mittel gefähr-
det sehen sollte, was aber gar nicht nötig ist. — Denn
die Reproduktionsanstalten arbeiten meist so tüchtig und
beherrschen ihr Thema so gut, daß es mir unverständlich
ist, wieso die in Frage kommender: Zeilen Eingang
finden konnten.*)
Um so weniger kann ich dies verstehen, als zu dieser
Sache schon so vielseitig und gut Stellung genommen
worden ist — aber fast keine Seite bis nun solche Rat-
schläge den Künstlern erteilt hat. „Bange machen aber
gilt nicht." 1^- I^lelicti-Wien.
Anmerkung der Schriftleitung: Ls ist mit der sachlich
recht tüchtigen Abhandlung des Herrn Mai, wie mit aller Theorie, sie ist
cum xrano salis, und zwar künstlerischen Salzes zu nehmen und nicht
sklavisch in die Praxis zu übersetzen. Anderseits halten wir gerade tech-
nische Anhaltspunkte für Anfänger richtig, die „ins Geschäft" kommen
wollen. Durch solche technischen Ratschläge hat wohl noch kein Künstler
seine Eigenart verloren, wenn er sie je besaß. Alur müssen ihr diese
Antwort au? ciie Anfrage in Heft 19
k>. 8t. iu Aurich, vast not least empfiehlt sich Ihnen
als Bezugsquelle für gute Holzstöcke das bekannte Spezial-
geschäft Leopold Heß in Berlin XV. 35, Genthinerstr. 29;
ferner die Firma Doris Ranfft in Berlin XV., Hots-
damerstr. ss8.
Mellcks Allgemeiner Ausltellungs-
. Kalen cler 1909 I
Wetschs Ausstellungskalender erscheint soeben und
umfaßt ca. 220 Seiten. Die Herausgabe, die sonst gegen
Ende Februar erfolgte, hat sich etwas verspätet, was auf
die bedeutende Erweiterung, die das Werk erfuhr, zurück-
zuführen ist. Der Kalender umfaßt in diesem Jahre nicht
nur die iu Deutschland stattfindenden Kunstausstellungen;
er enthält auch säst alle in Frankreich, Italien, Amerika,
Belgienusw. stattfindenden Ausstellungen und sonstige Aus-
stellungsgelegenheiten.
Die Sammlung des hierzu nötigen Materials hat be-
sonders viel Zeit und Mühe in Anspruch genommen und es
war nur durch die guten Verbindungen der Speditionsfirma
Wetsch mit dem Auslande möglich, diese weitausholenden
Informationen überhaupt zu erhalten.
Der Kalender, nach dem immer vielfache Nachfrage
besteht, ist, wie auch in den früheren Jahren, durch die
„Redaktion des Allgemeinen Kunstausstellungskalenders"
Wetschs Kunst- und Mobilientransport, München, Schützen-
straße 5, zu beziehen.
AussteUungsbesucker
Nicht alle Kritiker schauen ein Kunstwerk von oben
herab au; aber es gibt deren viele, welche glauben, sich
dies schuldig sein zu müssen. Von demselben erhabenen
Standpunkte aus knüpfen auch andere Laien ihre Betrach-
tungen au. Alle fühlen sich glücklich iu der Meinung,
über dem Künstler zu stehen und jeder sucht diesen Stand-
punkt nach Kräften zur Geltung zu bringen in fast selbst-
herrlicher Verzückung oder gar in faden Witzen, die da
klarlegen, daß zwischen Künstler und Hublikum vielfach
noch eine beschämende Kluft besteht.
Je weiter die guten Leute nun von der Kunst entfernt
sind, desto schärfer wird häufig ihr Urteil sein; denn viele
halten die Kunst nur für so eine Art von höherer Spielerei
talentierter Menschen, denen so etwas leicht von der Hand
geht oder auch nicht selten für weibische Geduldsarbeit,
kaum aber für eine ungewöhnliche geistige Tätigkeit, zu
deren Reife der Künstler meist erst nach jahrelangem Ringen
gelangt. Und wenn das Bild gar mit einer gewissen tech-
nischen Leichtigkeit von einem großen Könner herunter-
gemalt ist, so kann man zuweilen hören, daß sich der
„Kerl" bei der Arbeit keine besondere Mühe gegeben hat.
Nur ganz wenige Leute besuchen Kunstausstellungen,
um Bilder zu kaufen, sondern um Bilder zu kritisieren.
— Das ist das Vergnügen bei der Sache und das Eintritts-
geld wert. Erblicken sie ein tadelloses Bild, so gehen sie
meistens nach einem flüchtigen Blick vorüber. Es gibt
hier eben nichts zu ulken und verliert den Reiz.
Zeigt man ihnen ein grünes Bild, so wollen sie ein
graues haben. Vor einem grauen aber räsonieren sie,
daß es zu tot erscheint und grün schöner wäre. Kommt
man da nicht von selbst darauf, daß ein großer Teil der
Beschauer Bildern gegenüber direkt verwirrt wird und
einen momentanen psychischen Defekt erleidet?
Die Werkstatt der Kunst.
L)eft 25.
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Line Entgegnung auf den Artikel in Heft ^8.
Gleich nach Erscheinen des l8. Heftes wollte ich zu
dem darin befindlichen Artikel „Ueber bunte Farbenrepro-
duktionen" von Johann Mai schon deswegen Stellung
nehmen, weil es mir als Künstler, der darin Erfahrung
besitzt, nötig erschien, sowohl vom künstlerischen wie auch
vom technischen Standpunkt dem Schreckschuß, den Herr
Mai gegen die Künstler abfeuert, möglichst viel von seiner
Wirkung zu nehmen.
Der Tenor dieses Artikels geht nämlich dahin, daß die
Künstler so arbeiten sollen, wie es dem Kaufmann resp.
der bequemen Reproduktionsanstalt wünschenswert erscheint,
damit sie billiger daraus kommt, indes in Wirklichkeit Herr
Johann Mai vom Wesen der künstlerischen Reproduktionen,
wie wir dieselben aufzufassen für gut befinden, wenig ver-
stehen mag.
Wenn ich auch ansonsten im allgemeinen — und um
ja nicht fehlzugehen, habe ich diesbezüglich von einer ersten
Autorität des Reproduktionsfaches Meinung eingeholt, die
gleichlautet — vom rein technischen Standpunkt diesem
Artikel zustimme, so muß ich um so entschiedener dagegen
Stellung nehmen, daß den Künstlern auch nur im ent-
ferntesten bezüglich Herstellung der Originale eine derartige
Beschränkung auferlegt wird, wie sie der Artikel enthält.
Denn es ist ja für jeden Sachverständigen ganz klar, daß
eine vollkommene originalgetreue Wiedergabe überhaupt
nicht zu erreichen ist und zwar wegen der Unzulänglich-
keit der photographischen Filter und der Klischierung und
dann wegen der absoluten Unzulänglichkeit der Druckfarben.
Es fall vor allem der Erscheinung des Bildes an
sich möglichst nahe gekommen werden, die Tonwerte sollen
in der Reproduktion im selben Verhältnis zueinander stehen
wie im Original. Die Farben an sich sollen gleichfalls im
selben Wertverhältnis zueinander bleiben und es ist jeden-
falls ein kleineres Uebel, nur eine Ähnlichkeit zu erreichen,
die aber bei geschickter Rücksichtnahme auf das vorher-
gesagte, dem Original außerordentlich nahekommen kann,
als den Künstlern Schreck einzujagen und ihnen bange zu
machen, ihre Werke würden in der Reproduktion schlecht
ausfallen oder vom Auftraggeber nicht akzeptiert werden,
wenn sie dieselben nicht in der von Herrn Johann Mai
zurechtgelegten Art und mit den von ihm empfohlenen
Farben schaffen würden.
Der Erfahrene wird ja über die Zeilen des Herrn
Johann Mai hinwegsehen und -gehen. Gefahr — vom
künstlerischen Standpunkt — bedeuten sie aber für den jungen,
strebenden Künstler, der im harten Kampf ums Dasein
ohnehin genug Opfer bringen muß und nun am Ende
auch noch die Freiheit in der Wahl seiner Mittel gefähr-
det sehen sollte, was aber gar nicht nötig ist. — Denn
die Reproduktionsanstalten arbeiten meist so tüchtig und
beherrschen ihr Thema so gut, daß es mir unverständlich
ist, wieso die in Frage kommender: Zeilen Eingang
finden konnten.*)
Um so weniger kann ich dies verstehen, als zu dieser
Sache schon so vielseitig und gut Stellung genommen
worden ist — aber fast keine Seite bis nun solche Rat-
schläge den Künstlern erteilt hat. „Bange machen aber
gilt nicht." 1^- I^lelicti-Wien.
Anmerkung der Schriftleitung: Ls ist mit der sachlich
recht tüchtigen Abhandlung des Herrn Mai, wie mit aller Theorie, sie ist
cum xrano salis, und zwar künstlerischen Salzes zu nehmen und nicht
sklavisch in die Praxis zu übersetzen. Anderseits halten wir gerade tech-
nische Anhaltspunkte für Anfänger richtig, die „ins Geschäft" kommen
wollen. Durch solche technischen Ratschläge hat wohl noch kein Künstler
seine Eigenart verloren, wenn er sie je besaß. Alur müssen ihr diese
Antwort au? ciie Anfrage in Heft 19
k>. 8t. iu Aurich, vast not least empfiehlt sich Ihnen
als Bezugsquelle für gute Holzstöcke das bekannte Spezial-
geschäft Leopold Heß in Berlin XV. 35, Genthinerstr. 29;
ferner die Firma Doris Ranfft in Berlin XV., Hots-
damerstr. ss8.
Mellcks Allgemeiner Ausltellungs-
. Kalen cler 1909 I
Wetschs Ausstellungskalender erscheint soeben und
umfaßt ca. 220 Seiten. Die Herausgabe, die sonst gegen
Ende Februar erfolgte, hat sich etwas verspätet, was auf
die bedeutende Erweiterung, die das Werk erfuhr, zurück-
zuführen ist. Der Kalender umfaßt in diesem Jahre nicht
nur die iu Deutschland stattfindenden Kunstausstellungen;
er enthält auch säst alle in Frankreich, Italien, Amerika,
Belgienusw. stattfindenden Ausstellungen und sonstige Aus-
stellungsgelegenheiten.
Die Sammlung des hierzu nötigen Materials hat be-
sonders viel Zeit und Mühe in Anspruch genommen und es
war nur durch die guten Verbindungen der Speditionsfirma
Wetsch mit dem Auslande möglich, diese weitausholenden
Informationen überhaupt zu erhalten.
Der Kalender, nach dem immer vielfache Nachfrage
besteht, ist, wie auch in den früheren Jahren, durch die
„Redaktion des Allgemeinen Kunstausstellungskalenders"
Wetschs Kunst- und Mobilientransport, München, Schützen-
straße 5, zu beziehen.
AussteUungsbesucker
Nicht alle Kritiker schauen ein Kunstwerk von oben
herab au; aber es gibt deren viele, welche glauben, sich
dies schuldig sein zu müssen. Von demselben erhabenen
Standpunkte aus knüpfen auch andere Laien ihre Betrach-
tungen au. Alle fühlen sich glücklich iu der Meinung,
über dem Künstler zu stehen und jeder sucht diesen Stand-
punkt nach Kräften zur Geltung zu bringen in fast selbst-
herrlicher Verzückung oder gar in faden Witzen, die da
klarlegen, daß zwischen Künstler und Hublikum vielfach
noch eine beschämende Kluft besteht.
Je weiter die guten Leute nun von der Kunst entfernt
sind, desto schärfer wird häufig ihr Urteil sein; denn viele
halten die Kunst nur für so eine Art von höherer Spielerei
talentierter Menschen, denen so etwas leicht von der Hand
geht oder auch nicht selten für weibische Geduldsarbeit,
kaum aber für eine ungewöhnliche geistige Tätigkeit, zu
deren Reife der Künstler meist erst nach jahrelangem Ringen
gelangt. Und wenn das Bild gar mit einer gewissen tech-
nischen Leichtigkeit von einem großen Könner herunter-
gemalt ist, so kann man zuweilen hören, daß sich der
„Kerl" bei der Arbeit keine besondere Mühe gegeben hat.
Nur ganz wenige Leute besuchen Kunstausstellungen,
um Bilder zu kaufen, sondern um Bilder zu kritisieren.
— Das ist das Vergnügen bei der Sache und das Eintritts-
geld wert. Erblicken sie ein tadelloses Bild, so gehen sie
meistens nach einem flüchtigen Blick vorüber. Es gibt
hier eben nichts zu ulken und verliert den Reiz.
Zeigt man ihnen ein grünes Bild, so wollen sie ein
graues haben. Vor einem grauen aber räsonieren sie,
daß es zu tot erscheint und grün schöner wäre. Kommt
man da nicht von selbst darauf, daß ein großer Teil der
Beschauer Bildern gegenüber direkt verwirrt wird und
einen momentanen psychischen Defekt erleidet?