Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 8.1908/​1909

DOI issue:
Heft 45 (6. September 1909)
DOI article:
R.-R., F.: Juryfreie Kunstausstellungen, 4
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0629

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Werkstatt der Kunst
Organ für ckie Interessen cker bilctentten Künstler

keäaktem: ^ritz hellvoag.

VIII. Jabrg. k)ekt 4Z. 6. Sept. 1909.

Iurysreie Kunstausstellungen. IV

(vgl. die Artikel in den Nummern H2, HS und HH.)

Daß es nun auch in Deutschland zu juryfreien Aus-
stellungen kommen muß, ist eine Frage, die wohl als
erledigt betrachtet werden darf. Mögen sich manche
auch noch heftig gegen sie sträuben, die Zukunst wird
uns bald belehren, daß das Prinzip der Iuryfreiheit die
notwendige Folgeerscheinung der Verhältnisse ist, wie diese
heute liegen. Für uns handelt es sich heute nur noch
darum, in welcher Form solche Ausstellungen zustande
kommen sollen, und sei hier diesbezüglich ein Vorschlag
gemacht.
So sehr der Begriff „juryfreie Ausstellungen" den
heutigen Kunstverhältniffen entspricht, so sehr er zum künst-
lerischen Bedürfnis geworden ist, so wenig bin ich der
Ansicht, daß die erste deutsche juryfreie Ausstellung
von Künstlern selbst ins Leben zu rufen sei. (Ich will
hier sogleich erklären, daß ich darunter nicht das Arrange-
ment der Ausstellung selbst verstehe, das natürlich in
möglichst bewährten pänden liegen soll.) Ganz und gar
scheint es mir unmöglich, daß solch eine Ausstellung aus
einer Vereinigung von Künstlern hervorgehe. Man
sollte auch hier von der Tradition abweichen und die Ver-
anstaltung der Ausstellung selbst der Gründung einer
Künstlervereinigung (die dann — später — die jurylosen
Ausstellungen als Hauptpunkt auf ihren: Programm hätte)
vorangehen lassen, wird jedoch das Umgekehrte geschehen,
und zwecks jurysreier Ausstellungen zuerst eine betreffende
Vereinigung gegründet werden, wird inan mit einem Wort
(wie dies beispielsweise in München der Fall ist) erst
Mitglied einer Vereinigung von Künstlern werden müssen,
um juryfrei ausstellen zu können, so wird das persönliche
Moment, das gerade dem Wesen der juryfreien Aus-
stellungen so sehr widerspricht, neuerdings wieder in den
Vordergrund treten, daß man an dem vollen Gelingen des
Unternehmens zweifeln darf. Das Wort „Vereinigung"
hat bei aller Liberalität und Programmfreiheit einer solchen
dennoch eine gewisse Gleichgesinntheit ihrer Mitglieder zur
Voraussetzung, bedingt das pervortreten einzelner Persön-
lichkeiten als leitende (Organe — und schon sind wir bei
dem Punkt, da es manchem ungemütlich werden wird,
wir kennen uns und einander zu gut, um vor uns selbst
zu verhehlen, daß wir zu der Sorte Menschen gehören, die
das Pintansetzen des eigenen Ichs nervöser macht, als
andere, wir sind einfach schlechter diszipliniert, als andere
Leute, was ja eben unsere Künstlerschaft bedingt, und
selten gibt es unser zwei derselben Ansicht irr Kunstdingen,
wie uns auch das Unterordnen in den meisten Fällen recht
sauer wird. Aber für den Künstler finde ich das ganz in
der (Ordnung. In etwaigen, aus Vereinigungen hervor-
gegangenen juryfreien Ausstellungen wird man schließlich
doch nur wieder eine gewisse „Nuance" von Kunstwerken sehen,
nämlich die ihrer Mitglieder — und sowie es „Vereinigung"
heißt, gibt es eben naturgemäß Vorbedingungen zum Mit-
gliedwerden — und da haben wir den paken.
Die Vorbedingungen solcher Mitgliedschaft mögen so
frei gegriffen sein, als nur denkbar, an gewisse persönliche
Motive werden sie doch immer rühren. Aus diese weise
wird der Zweck solcher juryfreier Ausstellung beeinträchtigt,
denn in ihrem Wesen wird's ja doch nichts anderes,
als eine Künstlervereinigung, die ihren eigenen Mit-

gliedern Iurysreiheit gewährt, der alte Braten mit anderer
Sauce.
Auf der: juryfreien Ausstellungen aber sollen und
wollen wir einander gar nicht kennen und einander
nicht auf diese weise beeinfiussen. Keiner mag vom
andern wissen, wie er's macht und wer er ist. Die Aus-
stellung selbst soll uns zusammensühren, da sollen wir
einander begegnen — darnach bleiht es uns ja unbe-
nommen, uns zusammcnzuschließen. Beim erstenmal jedoch
wär's ein Mißgriff.
private, zum mindesten dem ZNetier fernstehende,
Kreise, mögen die Sache in die pand nehmen. Nicht
Fremde der Kunst, aber Leute, die mit dem Metier nichts
zu schaffen haben. Deren gibt es überall. Freilich weiß
ich momentan nicht, wer das sein könnte. Aber man soll
sich gegebenenfalls alsbald davon überzeugen: eine Ver-
anstaltung, die wohl von kunstkundigen Kreisen nicht aber
von Künstlern selbst ausgeht, wird weit, weit mehr Anhang
unter den Künstlern finden — und es soll ja eine große
und wichtige Kundgebung werden. Alle mögen kommen, die
das Bedürfnis juryfreier Ausstellungen fühlen, und niemand
mag durch den oder jenen, das oder jenes geniert oder
beschränkt sein, wir sollen uns zwanglos zusammenfinden,
geeinigt für diesen einen Zweck, bei Ausschaltung aller
Prinzipien und Heber Persönlichkeit, ungezwungen und
frei, nicht juryfrei allein.
vielleicht ist es die „Werkstatt der Kunst", die uns
hierfür den weg weisen kann. Denn ich glaube, hoffen
zu dürfen, daß mein Vorschlag so manchem gefallen werde.
v. Berlin.
Nachwort der Schriftleitung.
Mit perrn F. R.-N., Berlin, dem Linsender der
oben abgedruckten Zuschrift, sind wir in dein einen
Punkte durchaus einverstanden: wenn ein Künstler,
der juryfrei ausstellen will, erst einem Verein bei-
treten und sich dessen Bedingungen unterwerfen
muß, so ist die Gefahr einer Kontrolle über ihn
und seine Gesinnungsgenossen schon wieder in be-
denkliche Nähe gerückt, wirklich haben wir ja
auch aus den hier veröffentlichten Aeußerungen der
Mitglieder des „Deutschen Künstler-Verbandes" in
München entnehmen müssen, daß die Begründung
dieses Verbandes gleichbedeutend war mit dein
Akutwerden einschneidender Meinungsverschieden-
heiten. And erst in Berlin klaffte die Spaltung
gleich so tief, daß der hier angeregte „Freie Künstler-
verband" von Anfang an zu einem Scheindasein
verurteilt wurde, wenn er überhaupt noch existiert.
Die im Schlußsätze der obigen Linsendung an
uns gerichtete Aufforderung, für die Veranstaltung
einer ganz zwanglosen, juryfreien Ausstellung die
Wege zu weisen, wollen wir vorläufig doch lieber
 
Annotationen