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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 8.1908/​1909

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Heft 48 (27. September 1909)
DOI Artikel:
Die deutschen Katholiken und die Pflege der Kunst, 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.52076#0670

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im „Tag", und er fügte bei, daß dies „zumal in der Kunst"
gelte. Je höher nun diese Gesamtgeisteskultur, diese
Kultur der Geister und der Kerzen, jeweils entwickelt steht
— und unsere Zeit scheint trotz allen glänzenden Auf-
schwungs auf manchen Gebieten von einem kulturellen
Hochstand in diesem Sinne noch immer recht weit entfernt
zu sein —, um so höher wird auch der Stand der Kunst
sich zeigen. Bildet die Kunst so einerseits den krönenden
Schlußstein am Tempelbau der Kultur, so ist sie in anderem
Sinne wieder Prüfstein für den jeweiligen Kulturgehalt,
Höhenmarke für das Kulturniveau.
Zn weiten Lagern rings um uns regt es sich nun
heutzutage, um unserem deutschen Volke eine, wie man
es bezeichnet, „ästhetische Kultur" zu erwirken. Klan ver-
steht darunter eine Kultur, die mit feinen Sinnen überall
wieder die edle, einfache Schönheit sucht; die unter Ab-
weisung allen unwahren Tandes und Flitters und allen
aufdringlichen Schnörkeltums vor allem das Bodenständige,
Wurzelechte, Stammkräftige pflegen und zur Reife bringen
will; eine Kultur der Lebensveredelung und Lebensver-
schönerung durch die Einwirkung der Künste; eine Kultur
der Kunstfreude und des Knnstempfindens wieder bis hinab
in die Kreise des einfachen Volkes; eine Kultur, die auch
das Leben des Kindes schon vom Sonnenschein der Kunst
umspielen läßt und durch eine reiche öffentliche Kunstpflege
auch dem Letzten und Aermsten am Ldelgenuß der Kultur
teilnehmen lassen will. Tin hohes, schönes Streben, das
sich hier geltend macht. Und ernstgesinnte, wohlmeinende,
um die kulturelle Zukunft unseres Volkes treubesorgte
Kreise sind es, die solchem Streben ihre Mitwirkung leihen
wollen. Und wir hier können sagen: Auch ein gutes
Streben ist es. Nur werden wir mit besonderem Nach-
druck noch betonen, daß mit dieser ästhetischen Kultur un-
bedingt auch eine ethische Kultur, ein sittlicher Kochstand
des Volkes sich verbinden muß. Nur dann werden wir
eine Gesamthochkultur erreichen können, die sich von Fäulnis
reinzuhalten vermag; eine Kochkultur, in der die Bakterien
und Miasmen dekadenter Ueberkulturbestrebungen einen
empfänglichen Nährboden nicht finden, wenn nun die
Kunst in der Reihe der Kulturfaktore diesen hohen Rang
einnimmt und wenn andererseits wir Katholiken die kul-
turelle Gleichstellung erstreben und zu einem Kulturhoch-
stand uns erheben wollen, so ist damit von selbst die Auf-
gabe für uns gegeben, ja, es stellt sich als dringende Not-
wendigkeit uns vor Augen, auch unsererseits mit freudigem
Eifer, verständnisvoll und opferwillig Kunst zu pflegen.
Zn diesen weiten Gesichtswinkel des kulturellen Problems
für den katholischen Volksteil in Deutschland wollte ich
deshalb die Frage nach unserer Stellung zur Kunst und
Kunstpstege einrücken. Von dieser höheren Warte aus ge-
sehen, wird uns erst so recht klar, wie groß und bedeutungs-
voll die Aufgabe ist, die wir auf diesem Gebiete zu lösen
haben, und um was es sich dabei für uns handelt. Und
noch ein Weiteres werden wir sagen müssen: Kunst ist
nicht bloß ein edles, ergötzlich-reizvolles Spiel der Linien,
Farben, Formen, Worte, Töne. Sie ist auch eine starke
geistige Macht, eine Zdeenkünderin, Geistesweckerin und
Herzensbezwingerin. Ls ist daher im Kampfe der Welt-
anschauungen wahrhaftig nicht gleichgültig, auf welcher
Seite die höhere künstlerische Kultur zu finden ist, die
stärkeren künstlerischen Kräfte wirksam sind. Erkennen wir
als unsere gemeinsame höchste Aufgabe, unserer christlichen
Weltanschauung auf allen Gebieten der Kultur nicht nur
Geltung zu sichern, sondern auch ihre erobernde Kraft sich
immer weiter und voller auswirken zu lassen — und dabei
reichen wir allen Lhristusgläubigen, mögen sie auch sonst
in der Lehre von uns getrennt stehen, gerne und in treu-
friedlicher Gesinnung die Bruderhand —, so werden wir
hieraus auch den mächtigsten Ansporn empfangen, die
Kunst als edelste Blüte der Kultur auch in unseren Gärten
erblühen zu lassen, die Fackel der Kunst, leuchtend und
wärmend, auch in unseren künden zu schwingen. Sollten
wir etwa zur Pflege und Uebung der Kunst an sich weniger
in der Lage sein als andere? Andere mehr (Dualitäten

Heft 48.

hierfür mitbringen als wir? Durch keine der auf die
Menschen wirkenden Mächte wird die Kultur des inneren,
sittlichen Menschen, aus welcher vor allem, wie wir gesehen
haben, die Kunst entspringt, mehr gepflegt und gefördert,
als durch die Religion, und zwar, wie wir beisetzen, durch
unsere heilige christliche Religion. Sie macht die Herzen
hochgestimmt und empfänglich für alles Edle und Schöne,
da ihre Aufgabe ja die Veredelung alles Menschlichen ist.
Zn Ergriffenheit erzittern die Seelen vor den erhabenen
Geschehnissen der Keilsgeschichte. Die Begeisterung ent-
zündet sich an den Vorbildern ihrer großen Helden, der
Heiligen. Mit den höchsten Gedanken und fruchtbarsten
Zdeen erfüllt sie Sinn und Herz. Hat schon im heidnischen
Altertum die Kunst ganz überwiegend aus religiösen
Stoffen und Vorstellungen geschöpft, so sind seit dem sieg-
haften Eindringen des Christentums in das Kulturleben
der Völker Religion und ihre Mittlerin, die Kirche, erst
recht zum reichsten und wahrhaft unerschöpflichen Lebens-
quell für die Kunst und alle Kunstbetätigungen geworden.
Danach mangelt es uns wahrlich nicht an den besten
Vorbedingungen für eine großzügige Kunstpflege, und wir
bleiben nur getreu den großen Traditionen unserer hl. ka-
tholischen Kirche, wenn wir sie üben.
Nachdem wir so die Frage nach unserer Stellung zur
Kunst und Kunstpflege, die Frage, ob wir Katholiken heut-
zutage auch auf dem Gebiete der Kunst mit allem Nach-
druck uns wieder betätigen sollen und müssen, in positivem
Sinne und mit einem entschiedensten „Za" beantworten
werden, erhebt sich die zweite wichtige Frage: Wie pflegen
und fördern wir Kunst?
Zch habe bisher von Kunst im allgemeinen gesprochen.
Nicht bloß der bildenden Kunst, auch ihren Schwestern, der
Poesie und der Tonkunst, kurz allen Künsten und Kunst-
gattungen sollten meine Darlegungen gelten.
Mit Rücksicht auf die mir zugemefsene Zeit muß ich
mich nun aber beschränken. Dieselbe würde nicht erlauben,
auch das weite Gebiet der Dichtkunst, wie überhaupt der
schönen Literatur, und jenes der musikalischen Künste hier
mitzubehandeln. Meine weiteren Ausführungen haben
deshalb nur die bildende Kunst zum Gegenstand. Doch
werden manche derselben ohne weiteres analoge Anwendung
auch auf jene Kunstgebiete finden dürfen. Auch innerhalb
der bildenden Kunst muß ich mich noch bescheiden und
werde deshalb hauptsächlich nur jene Kunstsxarte des näheren
berühren, die uns hier, wo wir versammelt sind, um als
Katholiken über unsere gemeinsamen katholischen Znteressen
Beratung zu pflegen, besonders nahe stehen muß, die
christliche Kunst.
Nicht als ob wir der Profankunst nicht gleichfalls
regstes Znteresse entgegenbringen, sie nicht ebenfalls eifrig
pflegen und fördern sollten. Auch die Profankunst stellt
ein eminent wichtiges Kulturgebiet und Kulturmittel dar.
Wie die Kunst im allgemeinen nicht bloß Produkt der
jeweiligen Zeitströmung ist, sondern ihrerseits wieder mäch-
tig auf die zeitgenössische Kultur einwirkt, so gilt dies von
der Profankunst im besonderen. Gerade in ihr sehen wir
heutzutage nicht selten einen gottentfremdeten Geist lockenden,
bestechenden Ausdruck gewinnen. Demgegenüber muß uns
daran gelegen sein, die Profankunst von dem Geiste des
Christentums nicht vollständig entleeren zu lassen, vielmehr
unsere christliche Weltanschauung auch in ihr — und das
ist möglich, soweit die Behandlung eines profanen Stoffes
ethisches Gebiet berührt — zur Geltung zu bringen.
Zch will damit keineswegs einer eigentlichen Tendenz-
kunst das Wort reden, die häufig, weil nicht aus dem rein
künstlerischen Bedürfnis heraus frei geboren, der Gefahr
unterliegt, zuvörderst den Anforderungen der Tendenz und
erst in zweiter Linie jenen der Kunst sich zu unterstellen.
Noch weniger möchte ich anderseits beistimmen einem bloßen
„I'art pour I'art", „Kunst für die Kunst", einer Kunstan-
schauung, der die Kunst nichts anderes ist, als rem gegen-
ständliche Darstellung, erreicht mit künstlerischen Mitteln in
möglichst technischer Vollkommenheit, wobei alle Fragen
nach Zdeengehalt, nach geistigen (Dualitäten als angeblich

Die Werkstatt der Kunst.
 
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