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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 19.1927

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Heft 14
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.39946#0479

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Stephan Hirsch New Yorker Wolkenkratzer
The Stephan Bourgeois-Galleries

Wesen und Wollen ihm ähnelten. Und so hat
Bourgeois eine ganze Schule amerikanischer
Künstler gegründet, deren bisher bekanntester
wohl Maurice Sterne, auch in Deutschland
kein Unbekannter mehr, ist. Der Einfluß,
den Bourgeois auf seine „Boys“ übte und
noch übt, ist nur der, ihnen sozusagen eine
kongeniale Atmosphäre zu schaffen, in der sie
atmen und wachsen können, wie es ihrer be-
sonderen Eigenart entspricht. Sie alle um-
schlingt so ein Band, ein Fühlen, nämlich
das oben schon angedeutete vom Verstehen
des inneren Werdens und Wachsens durch
Hingabe und Aufnahme zugleich. Jeder aber
behält sein eigenes Sehen und kann sich
so, trotz seiner Zusammengehörigkeit zur
„Schule“ individuell entwickeln.
Von den drei „Boys“, von denen ich heute
kurz sprechen möchte, Emile Branchard,
Arnold Friedman und Stephan
Hirsch, stellt der letzte, Hirsch, dem brau-
senden Leben der stürmenden Gegenwart am
nächsten. Aber, jung wie er ist, hat er bereits
ein Gleichmaß gefunden, indem er nach dem
Gesetz hinter und in den Dingen selber ge-
forscht hat.

Friedman, der sein tägliches Leben still als
Postangestellter verbringt, lebt innerlich ein
freies, fast idyllisches Leben. Die Beziehungen
der Dinge zueinander, der lebenden und so-
genannten nichtlebenden, sprechen zu ihm.
Ihnen geht er nach. Aus ihnen erwachsen
ihm seine großen Flächen, seine Linien, seine
Farben und Rhythmen. Das Einzelne ist wohl
da. doch es sucht sich mit dem anderen zu
einen: ein Band umschlingt alles; ein Leben
durchflutet alles. Man wird inne: in diesem
Menschen ist das Gefühl der Sehnsucht zur
Natur rege.
Branchard ist der Träumer unter den Dreien.
Wie im Traume geht er einher. Wie im
Traume lebt er: seine Mutter unterhält eine
Pension, und er hilft ihr mit den niedersten
Diensten des Zimmeraufräumens und ähnli-
chen Handlangereien. Das berührt ihn aber
nicht. Denn in ihm leben Visionen, die dann
und wann zur Gestaltung drängen. Dann sieht
er weite Flächen sich dehnen, von Wasser-
wegen durchzogen, die sich in eine mystische
Weite verlieren, und Wunderbäume, dunkle
und jugendweiße, wachsen auf und knospen
wie im Paradies. Oder ein Wunderweib zeigt

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