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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 1
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Goebel, Heinrich: Die gestickten Wandteppiche des Klosters Wienhausen: Ausstellung Hinrichsen-Lindpaintner
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0041
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Abb. 2. Fragment eines gestickten Wandteppichs mit Darstellungen aus der Tristansage
Erste Hälfte des 14. Jahrhunderts. Kloster Wienhausen 1,55x1,64 m
Von weit größerem Interesse ist der dritte Tristanteppich (H. 2,45 m, L. 4,02 m).
Muten die beiden ersten Behänge wie höfische Erzeugnisse an, so läßt die dritte
Stickerei sowohl in der Zeichnung als auch in Technik und Farbenzusammen-
stellung, in dem horror vacui, der größere leere Flächen ängstlich meidet, in
der bunten Fabeltierbordüre, zweifellos den von der strengen Tradition los-
gelösten, volkstümlich gewandelten, farbenfrohen Sinn klösterlicher oder welt-
licher, jedenfalls bürgerlicher Kunstübung erkennen. Die Komposition verrät
in weit höherem Maße einen ausgesprochen ornamentalen Charakter; die in
fortlaufender Reihe sich abrollenden Bilder sind von erquickender Frische und
trotz zeichnerischer Unbeholfenheit von ausdrucksvoller Bewegung. Das Prinzip
des Aufbaues ist dasselbe wie bei den vorauf besprochenen Behängen. Die vier
Streifen der Legende werden von den schmalen Spruchstreifen (wiederum in
niedersächsischem Dialekt) begleitet und glossiert; die Fabeltier-Laubwerkbordüre
(nur noch stellenweise an den Längsseiten erhalten), mit den schmalen Treppen-
leisten, rahmt das Innenbild. Ebenso lückenhaft wie in den beiden ersten
Tristanteppichen entwickeln sich Episoden aus dem Leben des Helden, Szenen,
die weniger die peinlich genaue Wiedergabe der Fabel anstreben, die augen-
scheinlich mehr nach der dekorativen Wirkung hin ausgewählt sind. Die Tat-

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