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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 23
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Rundschau
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RUNDSCHAU

DIE NEUE UNGARISCHE BILDERGALE-
RIE DES BUDAPESTER MUSEUMS
1896 ließen sich junge Künstler in der alt-
ungarischen Bergstadt Nagybänya (jetzt rumä-
nisch) nieder, in offener Opposition zu aller
Akademie. Man verglich die Bewegung fälsch-
lich mit Barhizon. Sie war aber mit jeder Fa-
ser in der Sezession begründet. Nicht so sehr
in der Sezession als „Stil“, sondern in der Se-
zession als Tendenzknäuel aller noch so hete-
rogenen Neuerungsbestrebungen (wäre mithin
eher z. B. mit Worpswede zu vergleichen).
Szinyei-Merse halte damals seine hauchfein-
malerische, an den Impressionismus grenzen-
den Jugendleistungen längst hinter sich. Daß
er jetzt als vornehmer Bahnbrecher in den
Vordergrund gerückt wurde, galt zwar zum
Teil der künstlerischen, mehr aber noch der
oppositionellen Wesensverwandtschaft Nagy-
bänya konnte anderthalb Jahrzehnte hindurch
eine in der ungarischen Kunst regierende Rolle
spielen und einen sich zwar fast jährlich modi-
fizierenden, dennoch simultan geschlossenen
Charakter bewahren. Daß ein immer dekora-
tiv gehaltenes und nach dem stillen Leuch-
ten klarer Farben trachtendes Plein-air vor-
herrschte, das war der Führerpersönlichkeit
Karl Ferenczys zu verdanken. Instinktiv
klassizistischer Geist, verlieh er jeder Phase
seiner Kunst innere rhythmisch-dekorative
Haltung. Nach der obligaten Bastien-Lepage-
ßegeisterung bahnte er sich durch eine vor-
nehme lila-apfelgrüne Stimmungsmalerei den
Weg zur sonnenleuchtenden Sommerland-
scliaft. Bis etwa 19x0 war er unbestreitbar
Führer. Dann gewann in ihm der Klassizistdie
Oberhand, er rang um gesteigerte Synthese,
dann um den linearen Rhythmus einer plasti-
schen Aktmalerei und blich fortan — vonPlei-
nairisten, Primitivisten und Expressionisten
nicht mehr verstanden — ziemlich allein.
Da für moderne ungarische Malerei der Raum
im Museum der Schönen Künste bereits zu eng
wurde, zog für sie Generaldirektor Petro-
vics ein Stockwerk im alten Künstlerhaus her-
an. Kristallisationspunkt der neuen Galerie
wurde der Ferenczy der abgetönt plein-airisti-
schen Perioden. Mit unbeirrter Sicherheit
gruppierte Herr Petrovics alle Bilder im
Sinne dieser einen Geschmackstendenz. Er
hatte weniger historische, als vielmehr ästhe-
tische Absichten, die er mit dem Geiste des
Kenners restlos verwirklichen konnte. Er
wußte sogar aus der Arbeit sehr mittelmäßiger
Maler das Beste auszulesen und es so zu hän-

gen, daß sie von der Nachbarschaft guterWerke
unterstützt, nicht aber erdrückt werden. Eine
einheitliche, denkbar angenehmste Gesamt-
wirkung wurde dadurch erreicht. Zwei unserer
größten kamen allerdings hierbei zu kurz:
Rippl-Rönai und Mednyänszky. Rippl-Rönai
(Mitstreiter der Pont-Aven-Gruppe, 1861 bis
1927), mit seiner freidekorativen, exquisiten
Valeurkunst, und Baron Mednyänszky
(i8Ö2 bis 1919), dessen zarter Altersimpres-
sionismus zu einer seelisch betonten Men-
schen- und Landschaftsmalerei ausreifte — sie
verlangen Isolierung, weil sie qualitativ wie sti-
listisch ziemlich isoliert geblieben waren.
Die Moderne erfährt eine behutsame Rezep-
tion. Die expressionistischen Farbenorgiasten,
Traumseher und Formenzertrümmerer sind
nur mit salonfähig sordinierten — allerdings
qualitativ zumeist hochstehenden — Stücken
vertreten, doch dasselbe gilt zum Glück auch
von der offiziell bevorzugten neuromantischen
Akademie. Der Nachexpressionismus ist erst
mit einem einzigen Bild vertreten. Herrn Pe-
trovics kann —- in Anbetracht einer minima-
len Dotierung — seine Zurückhaltung dem
Zeitgenössischen gegenüber nicht zum Vor-
wurf gemacht werden. Um so weniger, als sein
schier unfehlbarer Blick für Qualität nach-
hilft, wo der Staatssäckel es verfehlt. Manches
nachzuholen und zu ergänzen, gehört zum
selbstverständlichen Programm der Neuen Ga-
lerie. Ra
FELTRE
Dieser Tage wurde in Feltre, im schönen Re-
naissancepalast der Villabruna, das Museum
eröffnet. Die Sammlung enthält manches
wertvolle Objekt, wie das neuentdeckte, klein-
formatige Prälatenporträt von Gentile Bel-
lini (12X9 cm) • Aor himmelblauem Hinter-
grund bebt sich scharf das Profil, wächsern im
Fleischton, ab. Ferner gibt es eine Altartafel
des Cima da Conegliano, die ehemals in der
Kirche von Zerman war und die man nach
i5io datieren könnte, was jedoch zweifelhaft
erscheint. Das einst in der Akademie von Ve-
nedig befindliche Bild des Morto da Feltre:
„Madonna mit Kind und Heiligen“ wurde dem
neuen Museum überwiesen. Es ist aber leider
ein sehr schadhaftes, abgeriebenes Werk. Eben-
da ein anderes Bild desselben Künstlers: „Die
Kreuzabnahme“, schön in der Komposition,
letzthin aber von Venturi als Jugendwerk Por-
denones angesprochen. Sehr originell ist auch
der mit Fresken geschmückte Saal des Morto

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