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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 20
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Sammler und Markt
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SAMMLER UND MARKT

DIE SAMMLUNG v. NEMES
Zur Versteigerung in Amsterdam am 15.
und 14. November durch Ant. W, M. Men -
sing (Frederik Müller & Go.)
Die Kunstsammlungen des ungarischen Kunst-
freundes und Sammlers Marcell von Neines,
der eine der markantesten Persönlichkeiten
des internationalen Kunstmarktes ist, haben
schon viel von sich reden gemacht. Budapest,
Paris und München bezeichnen die Etappen
seines Bleibens, die Hauptorte des internatio-
nalen Kunsthandels die Zentren, aus denen er
sich die Schätze seiner Kollektionen holte. Für
die Internationalisierung des deutschen Kunst-
handels hat Nemes viel getan. Erst kürzlich
ist er im Zusammenhang mit dem Verkauf
der Sigmaringer Sammlung genannt worden.
Bekannt wurde Nemes durch seine erste
Sammlung, die er in München und Düsseldorf
ausstellte und von Tschudi katalogisieren ließ.
Die Versteigerung dieser Kollektion im Juni
1910 in der Galerie Manzi zu Paris brachte
ihrem Besitzer mehr als vier Millionen Mark,
die einer zweiten, sehr imposanten Sammlung,
die Avährend des Krieges in Paris sequestriert
und vom französischen Staat ausgeboten wurde,
dagegen schwere Verluste. Nun steht im No-
vember seine dritte Sammlung zum Verkauf,
die — vielseitiger und umfangreicher als seine
beiden ersten — neben Gemälden auch Tapis-
serien, kunstgewerbliche Arbeiten und Minia-
turen enthält. Der Umfang der Sammlung
läßt eine Teilung gerechtfertigt erscheinen. So
fehlen diesmal wesentliche Teile seines Besit-
zes, wie die Stoffe, der Hauptteil des Kunst-
gewerbes, von den Malern Tizian und Rem-
brandt, um nur Beispiele zu nennen. Eine An-
zahl der zur Versteigerung kommenden Ge-
mälde ist durch Leihgabe an die Münchner
Pinakothek bekannt geworden. So die dem
Spinello Aretino zugeschriebene Kreuzi-
gung ; Christus im Grabe von Giovanni
Santi, ein für den Künstler außerordentli-
ches Werk; das Bildnis eines jungen Mannes
vom Pseudo-Boccaccino, der mit Ago-
stino da Todi identifiziert wird; Susanna im
Bade von Tintoretto; eine Rialto-Brücke
von G u a r d i; eine Kreuzigung von T i e p 01 o;
die oftmals publizierte Himmelfahrt Mariae
von Greco (Cossio Nr. n5); die beiden be-
deutenden Bildnisse des Ministers Don Fran-
cisco de Savedra und der' Marquesa de S. An-
dreas von Goya ; das 1/192 datierte Jünglings-
bildnis eines bisher noch nicht identifizierten
„Fränkischen Meisters“; das ausgezeich-
676

nete Bildnis eines Mannes mit Pfeil und Ro-
senkranz von Bernard Strigel; das Bild-
nis des Landgrafen Karl von Hessen von P e r -
ronneau.
Zu den bereits öffentlich gezeigten Gemälden
Iritt nun eine Fülle anderer ausgezeichneter
Werke. Die italienische Malerei des i/i- Jahr-
hunderts hat außer dem bereits g;enannten
Werk des Spinello Aretino eine dem N a r d o
da Cione zugeschriebene Altarretabel auf-
zuweisen, ein Polyplychon mit der Madonna
und vier Heiligen, das durch Form und
Zeichnung auf fällt. Aus dem Quattrocento
nennen wir eine Anzahl von Madonnendar-
stellungen von Fra Angelico, die der um
i/|5o entstandenen Madonna mit sechs Heili-
gen und zwei Engeln in der Akademie zu Flo-
renz nahesteht; eine zweite vom Meiste r der
„Madonna d e 1 B a m b i n o V i s p o“, die der
Kunstweise des Lorenzo Monaco verwandt ist;
ferner Madonnen vom Maestro di Castel-
lo Nativitä, der unter Einfluß Fra Ange-
licos und Fra Filippo Lippis arbeitete, und
des in den Marken nach i/iho tätigen Gero-
lamo da Camerin o. Ein vielfiguriges,
schöngegliedertes Werk ist die Jacopo del
Sellaio mit Recht zugeschriebene Anbetung
der Könige, interessant und ausdrucksvoll der
versuchsweise Melozzo da Forli genannte
Humanist. Von der Malerei des Cinquecento
fallen eine heilige Familie von Francesco
Me 1 z i, ein Hauptwerk des von Lionardostark
beeinflußten Meisters, ein delikates weibliches
Bildnis von Andrea del Brescianino und
ein früher Giorgione genanntes Hirtenpaar
von Palma Vecchio auf. Die deutsche
Malerei ist noch mit Werken von Lucas
C r an ach, Urteil des Paris (Varianten z.B.
in Gotha, Museum und Darmstadt, Privatbe-
sitz) und Hans Dürer, Dreiteiliger Flügel-
allar mit der heilige Sippe, der jüngst auf der
Nürnberger Dürer-Ausstellung zu sehen war,
vertreten. Die niederländische Malerei wird
durch charakteristische Werke von Isen-
bran t, Rubens, Beyeren, K a 1 f f ,
Goyen, Pieter de Ho och, Jacob und
Salomon Ruisdael, Jan Steen, die
französische durch Boucher, Fragonard,
Hubert Robert repräsentiert.
Die zweite Abteilung der Versteigerung hat
eine Reihe beachtenswerter Tapisserien aufzu-
weisen. An erster Stelle steht ein spätgotischer
Jonathan -Teppich, der in Brüssel am
Ende des i5. Jahrhunderts gewirkt wurde. Von
den weiteren flämischen Teppichen sind he-
 
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