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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 15
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0541
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RUNDSCHAU

DAS NEUE MUSEUM VON TOURNAI
Vor kurzem ist das neue Museum von Tour-
nai feierlich eröffnet worden. Der Bau, das
Werk des Architekten Viktor llorta, wurde
schon vor Kriegsausbruch begonnen, durch die
Ereignisse aber für viele Jahre unterbrochen.
Vielleicht ist die zu sehr ästhetisch betonte'
Fassade, deren Säuleneingang eine massige
Bronzegruppe überragt, diesem Aufschub zu-
zuschreiben. Das Innere besteht aus einem
Dutzend von der Zentralhalle ausstrahlenden
Sälen und ergibt ein sehr geräumiges und gut
beleuchtetes Ensemble.
Was die im neuen Museum untergebrachten
Sammlungen betrifft, so würden sich diese in
keiner Weise von denen anderer Provinzgale-
rien unterscheiden, wären da nicht einige in
Belgien einzig in ihrer Art darstehende Haupt-
werke.
Der frühere Bestand des Museums enthielt
eine ehrwürdige Kollektion älterer Meister
und, in der modernen Abteilung, die Bilder

einheimischer Maler, von denen die meisten
nur lokalen Wert hatten —- kurz, es ergab
sich ein Gesamtbild, welches keinen Anspruch
auf eingehendere Betrachtung erheben durfte.
Einen glücklichen Umstand darf man es nen-
nen, daß die Stadt 1920 die ehemalige Samm-
lung eines Brüsseler Mäcens, des verstorbe-
nen Henri van Cutsem, erbte. Diese Kol-
lektion, welche hier dem großen Publikum
zum ersten Male zugänglich wird, gibt dem
neuen Museum seinen Hauptwert. Selbstre-
dend enthält diese von 1874 bis 1904 zu-
stande gekommene und 3oo Bilder umfas-
sende Sammlung nicht nur Erstklassiges. Aber
sie birgt unter anderem einige Gemälde der
französischen Impressionisten, die hier um so
wichtiger erscheinen, da es die einzigen Bil-
der dieser Art sind, die man in öffentlichen
Sammlungen Belgiens findet. Dabei sei beson-
ders auf zwei Meisterwerke von Manet —
,,Argenteuil“ von 1874 und „Chez le pere La-
thuille“ von 1879 — hingewiesen, die für die
spätere Art des Meisters, — als er sich endgül-


Eduard Manet Chez le pere Lathuille. 1879
Museum Tournai

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