Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928
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Heft 15
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Vespergruppe aus Kalkstein, farbig. Vermutlich Böhmisch
Um 1420 Höhe 90 cm / Stadtmuseum Jena
De Braekeleer, Stobbaerts sind mit ganz erst-
klassigem Material verlreten. Zu bedauern ist
nur, daß der Platz, der diesen Werken einge-
räumt wurde, ihren Wert nicht zur vollen
Geltung kommen läßt. Anstatt diese Haupt-
stücke in zwei oder drei Säle zu vereinigen,
wo dieselben ein würdiges Gesamtbild abgege-
ben hätten, wurden sie ohne Systematik auf
die i4 Säle verteilt, wo sie von den sie umge-
benden Durchschnittsqualitäten erdrückt wer-
den. G.M.
JENA
Seit Pfingsten ist das Stadtmuseum in Jena
der Öffentlichkeit wieder zugänglich. Die
Sammlungen haben während der Winter- und
Frühjahrsmonate eine fast vollständige Neu-
ordnung und Erweiterung erfahren.
Die wertvollen Bestände des Museums an Wer-
ken mittelalterlicher Kunst haben in einem
großen, gutbelichteten Raume Platz gefunden,
in welchem die einzelnen Stücke ihre Wir-
kung gut entfalten können. Als vornehmstes
Werk hebt sich die bekannte böhmische Ves-
pergruppe aus Kalkstein (um 1/120) ab, die
tig für die impressionistische Vision erklärte
— besonders charakteristisch sind. Ferner gibt
es eine kräftige und farbige „Marine“ von
Claude Monet von 1884, eine kleine poetische
und klare Landschaft von Seurat „La Fa-
laise“, ein Bild Raffaelli und einige hervor-
ragende Arbeiten von Fantin-Latour.
Muß man auch bedauern, daß Herr van Cut-
sem sich nicht noch mehr für den französi-
schen Impressionismus interessierte, so ist die
Tatsache um so erfreulicher, daß dank die-
sem Nachlaß der unverzeihliche Fehler, den
der gänzliche Mangel an Werken dieser kapi-
talen Periode der modernen Malerei in den
Brüsseler und Antwerpner Museen beweist,
einigermaßen gut gemacht wurde.
Die belgische Kunst vom Ende des 19. Jahr-
hunderts ist im allgemeinen im neuen Mu-
seum gut repräsentiert dank wieder dem kost-
baren Nachlaß der ehemaligen Sammlung van
Cutsem. Dieser scheint zu der Bewegung „La
Libre Esthetique“ in engen Beziehungen ge-
standen zu haben, denn wir finden hier die
meisten dieser Künstlergruppe angehörenden
Maler wieder: Boulanger, Dubois, Degroux,