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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 10
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Kümmel, Otto: Altchinesische Malerei: zur Ausstellung der Galerie Dr. Otto Burchard, Berlin im Düsseldorfer Kunstverein
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0367
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ALTCHINESISCHE MALEREI
ZUR AUSSTELLUNG DER GALERIE DR. OTTO BURCHARD, BERLIN
IM DÜSSELDORFER KUNSTVEREIN 1
VON OTTO KÜMMEL
Die chinesische Töpferei hat die europäischen Sammler seit Jahrhunderten an-
gezogen, chinesische Bronzen, Jade und Skulpturen haben wir immerhin vor
einigen Jahrzehnten entdeckt, der chinesischen Malerei geht der europäische
Liebhaber immer noch achtungsvoll, aber entschieden aus dem Wege — wenn
er ihr überhaupt begegnet. Nur der Bezeichnung eines Sung- oder Yüan-
Meisters wird allenfalls die schuldige Reverenz erwdesen, und ein löblicher
Enthusiasmus steigert sich gelegentlich zu einem schönen, aber schwierigen
Glauben an ein T’ang-Meisterwerk empor. Es ist aber ein ziemlich wunder-
licher Zustand, daß uns chinesisches Gerät, das schließlich doch nur sinnlich,
durch die Schönheit von Form und Farbe, wirkt, so viel mehr sagt als die Ma-
lerei, die eigentliche Ausdruckskunst. Der Chinese selbst jedenfalls urteilt ganz
anders. Wir haben allerdings durchaus keinen Grund ihm blind zu folgen, denn
er wird von seiner Überlieferung beinahe erdrückt und hat zu fragen und zu
prüfen noch nicht wieder gelernt. Erst in neuester Zeit beginnen einzelne
Chinesen, den Entdeckerfahrten der traditionslosen Europäer in die Gefilde ihrer
eigenen Kunst mit erstauntem Interesse zu folgen. Aber die Chinesen brauchen
sich keineswegs wie einst die Italiener, ihre Kunst von Ausländern entdecken
zu lassen, denn sie haben sich selbst seit sehr langer Zeit sehr gründlich, wenn
auch einseitig mit ihr beschäftigt. Daß ihnen die Malerei neben der eng mit
ihr verbundenen Schriftkunst an erster Stelle steht, ja einzig als Kunst gewertet
wird, könnte uns also immerhin nachdenklich stimmen. Die Tatsache selbst
stellt ein Blick über die chinesische Kunstliteratur fest: hunderte von Werken
mit tausenden von Bänden behandeln die Malerei und Schrift, als deren Träger
auch die Sakralbronzen in erster Linie geschätzt werden, während die Schul-
mappe eines ABC-Schützen faßt, was jemals über Töpferei, Jade oder Skulptur
geschrieben worden ist. Noch krasser erscheint dieses Mißverhältnis, wenn wir
von den Werken zu den Persönlichkeiten gehen, die sich in ihnen offenbaren.
Das chinesische Gerät, auch die Skulptur, ist so gut wie namenlos; vermutlich
würde selbst die sorgfältigste Durchsicht der chinesischen Literatur und der
Bezeichnungen von Kunstwerken nicht mehr als ein kleines Hundert von
Töpfern und Bildnern an den Tag bringen — und die meisten von ihnen werden
ihrer gewerblichen Tätigkeit als Unternehmer und Fabrikleiter die Ehre einer
Erwähnung verdanken. Ein einziges umfängliches Werk verzeichnet dagegen
an die dreißigtausend Maler allein aus den drei Jahrhunderten der Ming.
Allerdings hat sich so gut wie jeder Chinese von Bedeutung in das chinesische
Pantheon auch hinein gemalt, mit Ausnahme einiger analphabetischer Kriegs-
gurgeln, die allein der Degen zur Höhe geführt hat. Schon ihre Söhne aber
pflegen dem Zauber des Pinsels rettungslos zu verfallen. Es ist allerdings in
China nicht sonderlich schwierig, dieser Versuchung zu erliegen, denn das
Werkzeug und das Material des Malers liegen dem gebildeten Chinesen jeder -
1 Der obige Beitrag ist dem Vorwort des Katalogs entnommen, der die Ausstellung in Düssel-
dorf wie die im Juni bei Paul Cassirer stattfindende Ausstellung begleitet.

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