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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 20
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Grohmann, Will: Kunst in Sachsen: 1880-1928 : (zweite Jubiläumsausstellung des sächsischen Kunstvereins in Dresden)
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0698
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KUNST IN SACHSEN 1880—1928
(ZWEITE JUBILÄUMSAUSSTELLUNG DES SÄCHSISCHEN KUNSTVEREINS IN DRESDEN)
VON WILL GROHMANN
Zweifellos ein Wagnis, der »Kunst in Sachsen vor hundert Jahren« eine Über-
sicht der letzten fünf Dezennien folgen zu lassen. Damals war Dresden Zen-
trum. Im Schatten des großen C. D. Friedrich standen alle. Und als Friedrich
1840 starb, war es immerhin die erste Besetzung der Düsseldorfer und der
Nazarener, die folgte. Allerdings zerfiel der Antrieb rascher als erwartet, es
folgten tote Jahre, in denen eine Begabung wie Rayski gar nicht aufkam. Es
herrschten die schlimmsten Epigonen an der Akademie und vertrieben die Ju-
gend. Die Akademieausstellungen lehnten Maler wie Thoma, Uhde und Lieber-
mann ab. Uhde lebte in München. L. Richter starb 1884, v. Rayski 1890;
J. Scholtz 1895, Chr. F. Gille 1897. Noch 1902 wurde Eugen Bracht als Pro-
fessor an die Akademie berufen, zu einer Zeit, als die »Brücke« gegründet
wurde! Es war wirklich nichts geblieben als der Ruhm vergangener Zeiten und
die Schönheit der Landschaft.
Waren die künstlerischen Kräfte Sachsens verbraucht? Oder war die roman-
tische Schule ein Geschenk des Zufalls gewesen? Waren doch außer Carus
alle Führer von auswärts gekommen, aus dem Norden, der Rheingegend, aus
Österreich, der Schweiz.
Wir wissen, daß sich ein ähnlicher Durchbruch wie 1800 um die Jahrhundert-
wende wiederholte. Waren in den neunziger Jahren schon beachtliche Kräfte
aufgetaucht, nach Uhde R. Sterl, K. Banzer, P. Baum, G. Kuehl, dann M. Klin-
ger, O. Gußmann, Zwintscher, der Bildhauer G. Kolbe, so wurde Dresden nach
1900 der Ausgangspunkt der neuen deutschen Kunst durch Kirchner, Heckel,
Schmidt-Rottluff, Pechstein, von denen nur Kirchner nicht gebürtiger Sachse
war, aber einen großen Teil seiner Jugend in Chemnitz zugebracht hatte. Die
»Brücke« war vielleicht die deutscheste Angelegenheit der jüngsten Kunstent-
wicklung, denn vom »Blauen Reiter« war nur Franz Marc Deutscher, die Ein-
stellung von Anfang an international. Und nochmal gab es einen gewaltigen
Ruck nach vorwärts, als G. Grosz und O. Dix zu arbeiten anfingen und der Aus-
gangspunkt einer neuen malerischen und zeichnerischen Kultur wurden. Als
Kokoschka sieben Jahre, fünf davon als Akademieprofessor, liier malte und
lehrte inmitten eines intelligenten Schülerkreises. Als Albiker 1915 eine Bild-
hauerklasse an der Akademie erhielt, als die Bildhauer Chr. Voll und E. Hoff-
mann, die Maler Lasar Segall, Felixmüller und Otto Lange u. a. in der »Dresd-
ner Sezession 1919« sich zusammenschlossen. Wesentlich lockerer sind mit
Sachsen verbunden, die wie M. Beckmann oder G. Wollheim nur ihrem Ge-
burtsort nach dazu gehören.
Das Bild ist bunt bewegt, scheinbar ohne Kontur. Scheinbar. Denn, um beim
Fehlenden anzufangen, Sachsen besitzt keinen einzigen Vertreter der abstrakten
Kunst, weder im Sinne Klees, noch Kandinskys; auch keinen Konstruktivsten,
weder im Sinne Schlemmers oder Baumeisters, noch Moholy-Nagys; keinen
Kubisten, weder im Sinne Picassos noch Feiningers. Dafür ein paar gute Im-
pressionisten, Ideenmaler wie Klinger, die »Brücke« und zahlreiche Veristen
wie Dix. Das gibt zu denken. Die Erschaffung der Weit aus intuitiver Erkennt-

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