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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 8
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Rosenthal, Erwin: Ein unbekannter Nürnberger Holzschnitt des 15. Jahrhunderts und sein Verhältnis zur venezianischen Buchillustration
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0289
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EIN UNBEKANNTER NÜRNBERGER HOLZSCHNITT
DES 15. JAHRHUNDERTS UND SEIN VERHÄLTNIS
ZUR VENEZIANISCHEN BUCHILLUSTRATION
VON ERWIN ROSENTHAL
Nebenstehend findet sich die Abbildung
eines Flugblattes, dessen Entstehung in
die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts
fällt und das entsprechend seiner all-
gemeinen Aufmachung, den Typen und
dem Dekor wohl um 1570 angesetzt
werden muß. Ein bisher nicht weiter
feststellbarer Verlag, der des Georg
Scheurer zu Nürnberg hat hier einen
Holzstock, darstellend den Triumph-
wagen der Keuschheit, mit einigen er-
klärenden Versen zusammengestellt und
als Flugblatt der Öffentlichkeit über-
geben. Es würde sich um ein Blatt von
allzuvielen handeln, gewänne nicht
der Holzschnitt für uns besondere Be-
deutung. Ohne Schwierigkeit erkennt
man, daß hier kein Holzschneider aus
der Zeit des Verlages gearbeitet hat5
vielmehr weist der Stil weit zurück in
die Vergangenheit desNürnberger Holz-
schnittes. Wir machen etwa um das
Jahr 1490 Halt, in der Zeit, da das um-
fangreiche Holzstockmaterial für das
Passionale (1488) beendet worden war,
da man eine Fülle kleinerer Holz-
schnittbücher illustrierte und eben die
Stöcke für die großen Hauptwerke der
Koberger-Werkstatt bereitete: fürSche-
dels Weltchronik und das Erbauungs-
buch des Schatzbehalters.
Es genügt ein Vergleich der Frauen-
typen wie der Hintergrundlandschaft mit Holzschnitten der Schedelschen Chro-
nik, um die enge Berührung mit der WohlgemuthWerkstatt als erwiesen zu
betrachten. Ohne daher einen Vergleich im einzelnen durchzuführen — man
mag als besonders überzeugend allein die Baumzeichnung und den Hügel mit
der hinaufführenden Straße hervorheben — kann man sogleich zum Inhalt-
lichen weiterschreiten. Wie kam der Nürnberger zu seiner Allegorie der
Keuschheit? Sie lag sicher nicht im Programm der damaligen heimischen Illu-
stration. Der Zeichner hat sich die humanistische Paraphrase von auswärts ge-
holt, und es ist nicht schwer, seine Quelle zu entdecken.
Im Jahre 1488 erschien zum erstenmal in Venedig eine illustrierte Ausgabe



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Jßmar Da* SBiefclan fuhrt ©ifff/
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* QVriiiatr ©diaDen felcbcn ©feilen/
fie©ottc$©rraffetrifft.
S Siöcn&tca bo) ©tora ©eftratf t.


Flugblatt »Triumphwagen der Keuschheit«
des Nürnberger Verlegers Georg Scheurer,
ca. 1570 Originalgröße 31,5x16 cm

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