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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 3
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Kircher, Gerda: Chardins Doppelgänger Roland de la Porte
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0125
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CHARDINS DOPPELGÄNGER ROLAND DE LA PORTE
VON GERDA KIRCHER
Unter den fünf Stilleben J. B. Simeon Chardins in der Karlsruher Kunsthalle
ragt das Orangenbäumchen als gefeiertes Kleinod hervor. Vom Üblichen weicht
unser Bild in besonderer Weise ab. Wir finden meist abgenommene Früchte,
Schnittblumen mit toten Dingen aller Art zusammengestellt. Anders hier; dies
Bild ist keine »nature morte«, wie der Franzose sagt, in einfachen Blumen-
scherben steht ein fruchttragendes Orangenbäumchen. Wir verweisen an Stelle
einer ausführlichen Beschreibung auf die Abbildung des Bildes.
Nur etwas muß gesagt werden: die Malweise geht nicht ganz überein der jener
vier anderen Chardins, auf denen Wildprett, Zinnkrüge und Gläser mit Früchten
vereinigt sind.
Beim Orangenbäumchen sind die Lichter und der Flaum der Früchte nicht
pastös aufgetragen, letzte leicht aufgesetzte Drucker. Alles Licht leuchtet mit
der Dunkelheit eng verwoben mehr von innen heraus als durchscheinende
Untergrundierung. Mit ein paar Worten gesagt, das schwer zu fassende Ge-
heimnis dieses verschwiegenen Bildes scheint in Chardins Ausspruch seine
Lösung zu finden: »On se sert des couleurs mais on peint avec le sentiment«.
Allem sichtlich Bravourösen bleibt das Bild sympathisch fern. Im Vergleich zu
den anderen Gemälden mit ihrem kecken Farbenauftrag erklingt es wie in zart
gedämpften Mollakkorden. Es ist wenig berechtigt, impressionistisch gesehen
von »magie de Fair« zu sprechen; wir reden treffender von einem Zauber der
Seele. Macht dies den Ruhm des Bildes aus? Verspüren wir hinter vollendeter
Malkultur einen Hauch jener Naturandacht, die eigentlich erst der Romantik
zu eigen ist? — Die holländischen Stilleben und Blumenstücke des anstoßen-
den Saales wirken daneben wie glänzende Gebilde aus künstlichen Stoffen.
Aber ein kleines Ölbild des Kurpfälzischen Museums der Stadt Heidelberg
kommt uns in den Sinn. Es ist der Lorbeerzweig des Romantikers Phil. Georg
Schmidt, dessen Blätter sich genau so geheimnisvoll wie beim Orangenbäum-
chen aus dunklem Grunde dem Licht entgegen entfalten1.
Genaue Aktenbelege über den Erwerb dieses Bildes sind erhalten. Es stammt
wie der gesamte Karlsruher Franzosensaal aus der Privatsammlung der Mark-
gräfin Caroline Luise, der kunstsinnigen, ersten Gemahlin Karl Friedrichs
von Baden.
Aus einer größeren Veröffentlichung über die Sammeltätigkeit der Fürstin8, an
1 Das Orangenbäumchen, Katalog-Koelitz der Karlsruher Kunsthalle Nr. 495, finden wir
abgebildet: Als Farbentafel in Ed. Hildebrandts »Malerei und Plastik des 18. Jahrhunderts
in Frankreich (Burgers Handbuch der Kunstwissenschaft). Als Schwarzweiß-Reproduk-
tion 1. in »Kunst und Künstler«, VI. Jahrg., igo8, S. 503, gelegentlich des Aufsatzes
über Chardin von Otto Grautoff. (Ebenda S. 502, Totes Rebhuhn von Chardin, Karls-
ruher Kunsthalle Nr. 498.) 2. In W. F. Storcks Aufsatz über die Badische Kunsthalle in
der Zeitschrift »Feuer«, Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur, II. Jahrg.,
H. 12, Sept, 1921, S. 676.
2 Aus der Korrespondenz der Markgräfin Caroline Luise von Baden, im Besitz des groß-
herzoglich badischen Haus- und Familienarchivs. Die Akten wurden der Verfasserin mit
Genehmigung des großherzoglichen Hauses von Herrn Geh. Rat Dr. K. Obser, Karlsruhe,
in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt. Man vergleiche auch die Veröffent-

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