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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Sammler und Markt
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SAMMLER UND MARKT

DAS KÖNIGSZIMMER AUS TIIE GRANGE
IN BROADHEMBURY
VON FRANK E. WASHBURN FREUND
Charles of London, die bekannte große Anti-
quitätenfirma in New York, hat zur Zeit eine
der großartigsten getäfelten Säle aus dem
England der Renaissancezeit ausgestellt, die je
nach Amerika gebracht worden sind. Mr. Char-
les, der selber ein reich illustriertes Pracht-
werk ,,Elisabethan Interiors“ herausgegeben
hat, ist wohl der beste Kenner auf diesem Ge-
biet und hat in den Jahren seiner amerikani-
schen Tätigkeit als Berater zahlreicher Samm-
ler eine ganze Anzahl ähnlicher Zimmer aus
England eingeführt. Es ist ihm das als gebo-
renem Engländer von manchen Seiten übel-
genommen worden. Er hat sich aber mit Recht
verteidigt, denn was drüben oft vernachläs-
sigt wurde, ja wohlmöglich dem langsamen
Verfall ausgesetzt war, das wird in der neuen
Welt hochgeschätzt und aufs sorgfältigste ge-
pflegt. So ist es auch mit dem herrlichen Saal
aus geschnitztem Eichenholz aus der Zeit Ja-
kobs I., der aus der Grafschaft Devonshire
stammt und die Innendekoration jener Zeit
in England in ihrer etwas schweren aber
autochthonen Pracht glänzend repräsentiert.
Die äußeren Formen sind zum Teil der aus
Italien eingeführten Renaissance angemessen,
ebenso die Sujets, die z. B. an der reichge-
schnitzten Tür angebracht sind und über dem
mächtigen Kamin: sie stellen Szenen aus Ovid
dar und Ceres und Flora als Karyatiden zu bei-
den Seiten des königlichen Wappens. Die letz-
teren aber erscheinen charakteristischerweise
in elisabethanischer Tracht! Es ist wie in den
gleichzeitigen Stücken Shakespeares. Zu stark
ist der heimische Boden, zu lebendig noch die
Tradition, als daß man seine gesunde und ro-
buste Eigenart ganz drangehen möchte oder
auch nur könnte. So erinnert dieser Prunk-
saal in vielem, zumal in seinen Ausmaßen und
in seinem Gesamtrhythmus noch an die große,
mit einem Schirm von den anderen Quartieren
des Hauses abgetrennte Halle der alten befe-
stigten Herrensitze. Der innere, fast überquel-
lende eigene Reichtum zeigt sich auch darin,
daß nicht ein Ornament endlos wiederholt
wird, sondern sich eine Fülle solcher in Form
der Tudorrosei verschiedener W appen, Frächte,
Blumen, Tiergestalten und Grotesken in bun-
tester Reihe ablöst. Dabei wird doch durch Pi-
laster und den schmalen Fries oben eine Ein-
heit erzielt und ein bestimmter, auch durch

die Abwechslung einfacher Panelierung und
reichster Schnitzerei vorzüglich abgewogener
Raumeindruck erzeugt.
Der auch legendär und historisch interessante
Saal — der unglückliche König Karll. hat ihn
einst bewohnt — fand sofort einen Liebhaber
in der Person eines der größten Sammler Ame-
rikas.
VOM AMERIKANISCHEN KUNSTMARKT
Das Hauptereignis der letzten Wochen war die
erfolgreiche Versteigerung des künstlerischen
Nachlasses der Mrs. W.Salomon in den Ame-
rican Art Galleries, der über 800 Gegenstände
umfaßte und fast $700000 eintrug. Es war
die größte Auktion französischer Kunstgegen-
stände des 18. Jahrhunderts, die je in New
York stattgefunden hat. Eine sehr hohe Sum-
me erbrachte die außerordentliche Serie von
sieben Möbelstücken mit Beauvaisüberzügen
— vier Fauteuils, zwei Berger es und einem Ga-
nape — aus der Zeit Louis XVI. Die für sie
verwandten Beauvaistapisserien waren seiner-
zeit für Marie Antoinette angefertigt worden,
während die Holz teile der Möbel aus einer et-
was späteren Zeit stammten (Abb. Cic. 1928,
S. 71). Alan zahlte für diese seltene Serie
$44ooo. Von den wenigen, aber ausgesuchten
Bildern brachte es das Männerpor trät von Fra-
gonard, den Chevalier de Billaut darstellend,
ein Werk sicherster und scheinbar leichtester
Aleisterschaft, auf $24000; zwei Gemälde Bou-
chers, Jahreszeiten darstellend, auf je $ 11000.
Den Höchstpreis für einen einzelnen Gegen-
stand aber erreichte Augustin Pajous Meister-
büste der Madame de Wailly, die von der Fir-
ma French & Co. für $28000 erstanden wur-
de (Abb. Cic. 1928, S.82). Einige repräsenta-
tive Preise der großen Vente sind in den ,,Er-
gebnissen“ verzeichnet.
Von wichtigen Kunstwerken, die letzthin nach
New York gebracht und zum Teil bereits ver-
kauft worden sind, seien erwähnt Gains-
boroughs köstliches Damenbildnis der Airs.
Fitzpatrick, das als ein Pendant zu seinem
,.Knaben in Blau“ bezeichnet wird; Reynolds
wahrscheinlich erste Version seiner „Robinet-
ta“, jenes rotgoldhaarigen irischen Mädchens
von zehn oder zwölf Jahren, das ihn mit sei-
nen Elfenaugen fast behext haben muß. Das
Bild ist von einer wunderbaren Kühle der
Farbe in feinsten Abstufungen. Ein weiteres
Werk, das beweist, wozu Reynolds in seinen
besten Leistungen fähig war, ist das große

g Der Cicerone. XX. Jahrg., Heft 5

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