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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 24
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Ėttinger, Pavel D.: Alexander Dejneka
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0830
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ALEXANDER DEJNEKA

VON PAUL ETTINGER

Unter den diversen Künstlervereinigungen, die sich neuerdings in Moskau ge-
bildet haben und deren periodische Ausstellungen für das Kunstleben der Sowjet-
hauptstadt von mehr als bloß durchschnittlicher Bedeutung sind, nimmt der
»Ost« eine der ersten Stellen ein. Diese Spitzmarke hat mit dem Osten nichts
gemein und will durchaus nicht als »ex Oriente lux« gedeutet sein. Ganz im
Gegenteil — »Ost« ist nicht mehr als die russische Abkürzung für »Genossen-
schaft der Staffeleimaler« — orientiert sich die Gruppe eher nach dem Westen
und hält sich von den Traditionen nationalrussischer Kunst ziemlich fern.
»Ost« besteht vornehmlich aus ehemaligen Schülern der staatlichen Moskauer
Kunstschule nach deren Reorganisierung durch die Sowjetregierung in den jetzi-
gen »Wcliutemass«, und die Studienjahre all dieser jungen Künstler fallen in die
Revolutionszeit, in die Periode gährender Umwälzung des ganzen russischen
Kulturlebens, was natürlich nicht ohne Wirkung auf ihr Schaffen bleiben konnte.
Und der Unterschied zwischen der Ostgruppe und jener Malergeneration, die in
den Vorkriegsjahren, ja noch während des Weltkrieges aus der genannten Kunst-
schule hervorging, ist in derTat äußerst frappant. Waren für jene vorwiegend rein
malerische Tendenzen mit Fhntenansetzuno- des Zeichnerischen seit langem
charakteristisch, so tritt nunmehr der Zeichner, vielfach auch der Graphiker, in
den Vordergrund- die saftige Naturstudie findet wenig Beachtung und nur das
kompositioneile Bild steht im Mittelpunkte des Strebens. Auch rein thematisch
kommt die Evolution scharf zum Ausdruck, gibt sich in einem spezifischen Sinn
für Urbanismus, das Modern-Großstädtische im Fabrikbetrieb, Sport, Tanz und
Ähnlichem kund, deren Motive für die frühere russische Malerei kaum existierten.
Alexander Dejneka, 28 Jahre alt, ist wohl die markanteste Figur in dieser
Richtung und hat in gewissem Sinne sogar schon Schule gemacht. Ein firmer
Zeichner, dem besonders Bewegungsmotive gut liegen, hat er für den Typus
des neuen russischen Fabrikarbeiters, seine bildliche Darstellung inmitten neu-
zeitiger maschineller Betriebe eine individuelle Formel von expressiver Origi-
nalität gefunden. Dabei ist es Dejneka immer bluternst um seine Themen, was
besonders ins Auge fällt, da diese letzteren sich ja in Rußland großer offiziöser
Gunst erfreuen, aber in den meisten Fällen ganz äußerlich oder mit einem
Stich ins Theatralisch-Dramatische behandelt werden. Bei Alexander Dejneka,
srwohl in seinen Gemälden als auch in den zahlreichen graphischen Blättern,
fesselt neben der straffen Komposition und dem zeichnerischen Können stets
auch der Ernst seiner Auffassung
O
Diese tiefe Aufrichtigkeit war es wohl nicht zuletzt, welche seine neuesten,
hier reproduzierten Werke auf zwei großen Ausstellungen, die in Moskau
letzthin zur Dezenalfeier der russischen Revolution arrangiert waren, in die
erste Reihe rückte. Besonders gilt dies, trotz sichtbarer Anlehnung an das
Hodlersche Jenabild, von der »Verteidigung Petrograds«. Inmitten einer Un-
zahl schreiender Schlachtenbilder ging von der bescheidenen Koloristik dieses
ganz auf Schwarz-Weiß abgestimmten Gemäldes, sowie dem feierlichen Rhyth-
mus seiner unten zum Kampf ausschreitenden und auf der Brücke heimwärts
ziehenden Arbeitermassen eine starke Wirkuno- aus, welche den Namen Alexander
Dejnekas auch beim breiten Publikum populär machte.

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