Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

DOI Heft:
Heft 14
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0511
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
RUNDSCHAU

ERFAHRUNGEN MIT DEM ABEND-
BESUCH DER MUSEEN
VON WILHELM WAETZOLDT
Wird irgendwo die Frage: „Museum und Ge-
genwart“ erörtert, so dauert es nicht lange,
bis die Forderung auf taucht, man solle die
Museen auch des Abends zugänglich machen.
Noch vor kurzem hat Max Pechstein, gelegent-
lich einer Zeitungsumfrage auf unseren mit
der Abendbeleuchtung des Berliner Schloß-
museums gemachten Yers uch hingewiesen, und
daran den Wunsch geknüpft, es möchten alle
Museen diesem dankenswerten Beispiel bald
folgen.
Vom 9. Februar bis zum 3o. April, also knappe
drei Monate, ist das Schloßmuseum bis 9 Uhr
abends geöffnet gewesen. Wie sind nun die
Erfahrungen mit dem Besuch der beleuchteten
Sammlungsräume? Die Neuerung hat nach
Ausweis der Besucherstatistik bei den kunst-
freundlichen Kreisen nicht den erhofften An-
klang gefunden. Die Zahl der Besucher in
den Abendstunden rechtfertigt das Wagnis mit
allen personellen, technischen und finanziel-
len Schwierigkeiten kaum. Bei durchschnitt-
lich achtzig täglichen Besuchern an den März-
abenden und durchschnittlich hundert Abend-
besuchern täglich im Februar und im April
kann man von einem kunstpolitischen Erfolg
nicht reden.
Dies Ergebnis konnte keinen Wissenden über-
raschen. Hat sich doch die abendliche Öffnung
der Museen auch an anderen Stellen schon als
ein Fehlschlag herausgestellt. Die älteren Ber-
liner werden sich noch erinnern, daß das ehe-
malige Kunstgewerbemuseum abends beleuch-
tet war, man aber den Versuch wieder auf-
geben mußte, weil, nachdem die erste Neu-
gier des Publikums befriedigt war, meist mehr
Aufseher als Besucher in den Sammlungssälen
gezählt wurden. Auch in London war schon
vor dem Kriege das Victoria- und Albert-Mu-
seum an drei Wochentagen bis 10 Uhr abends
bei künstlicher Beleuchtung zugänglich. Nach
dem Urteil der Museumsverwaltung blieb aber
der Besuch zwischen 5 Uhr nachmittags und
9 Uhr abends — in den Dinnerstunden — so
gering, daß man nach dem Kriege das Mu-
seum nur noch an zwei Wochentagen bis 9 Uhr
abends offen hält.
Uns liegt jetzt das interessante Ergebnis einer
Umfrage bei einigen der großen Museen des
Auslandes vor, über Erfahrungen mit dem
Abendbesuch der Museen und über die etwa

bestehenden Absichten, künstliche Beleuch-
tung in die Sammlungen einzuführen. In
Wien sind bei künstlichem Licht zu sehen:
die geistliche und weltliche Schatzkammer,
die Wagenburg, die Estensische Sammlung
(diese nur an dunkeln Tagen). Das Belvedere-
Schloß benutzt seine Beleuchtung gelegentlich
gesellschaftlicher Veranstaltungen des Ver-
eines der Museumsfreunde. An zwei Abenden
der Woche sind die graphischen Sammlungen
der Albertina, die ja bibliotheksartig benutzt
werden, bis 7 Uhr zugänglich. Mit der Be-
leuchtung der Galerie des 19. Jahrhunderts im
oberen Belvedere hat man keine guten Erfah-
rungen gemacht.
In Holland liegen die Dinge verwickelter als
in Österreich. Ohne Beleuchtung sind die älte-
ren Museen im Haag und in Amsterdam; ein-
zelne Räume des Rijksmuseums haben künst-
liches Licht. Das Städtische Museum in Am-
sterdam hält an einigen Abenden der Woche
seine Säle auf. Für die Neubauten der Mu-
seen im Haag und in Rotterdam plant
man Lichtanlagen. Im allgemeinen sind die
holländischen Museumsleiter mit dem Besuch
an den Abenden nicht ganz zufrieden. Ko-
penhagen hat Erfahrungen mit der Öff-
nung zweier Museen an zwei Abenden für
zwei Stunden gemacht. Das Ergebnis ist nach
Ansicht der Kunstverwaltung: Die Besucher-
zahl lohne eigentlich nicht die Kosten für
Licht, Aufsicht usw. Die Staatlichen Museen
Stockholms sind nur für Tagesbesuch ein-
gerichtet. Periodische Ausstellungen in der
Städtischen Kunsthalle finden auch bei künst-
licher Beleuchtung statt. Da man die hohen
Kosten für Lichtanlagen und Bewachung
fürchtet, besteht zur Zeit keine Aussicht, daß
die Verhältnisse geändert werden. Das Os-
lo er Museum hat keine Möglichkeit abendli-
cher Öffnung, aber in den Sommermonaten
bleibt es auch in den Nachmittagsstunden zu-
gänglich. Paris, die Stadt des Lichtes, hat
nur Museen ohne Licht. Es besteht die Ab-
sicht, es dabei zu belassen. Genau so liegen die
Dinge in den belgischen Museen, in Antwer-
pen und Brüssel. Italien plant wenigstens
den Versuch mit der Beleuchtung einzelner
Räume in dem neusten Museum Roms, im
Palazzo Venezia. Im übrigen würde gerade bei
italienischen wie bei allen in Palästen unter-
gebrachten Sammlungen die Einführung von
Beleuchtungsanlagen zu außerordentlichen
Schwierigkeiten führen. Die Museen Un-
garns und Spaniens kennen keinen Abend-

54 Der Cicerone. XX. Jahrg., Heft 14

477
 
Annotationen