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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 6
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Wendland, Hans: Zwei unbekannte Gemälde des Konrad Witz
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0215
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ZWEI UNBEKANNTE GEMÄLDE DES KONRAD WITZ
VON HANS WENDLAND
Vor kurzem erhielt ich die Mitteilung eines Lesers meines Buches überKonrad
Witz, daß er auch Gemälde des Meisters besitze. Bei einer Untersuchung der
Originale bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß es eigenhändige Werke
des Meisters sind, die zu publizieren der Eigentümer, Herr Sturzenegger in
St. Gallen, mir gestattet hat (Abb. 1-—-5).
Es handelt sich um zwei Gemälde, 155,5 cm hoch, 164,5 cm breit. Sie sind
auf Holz gemalt, auf beide Seiten eines Altarflügels, dessen originaler Rahmen
nicht erhalten ist. Durch seinen sorgfältig präparierten Goldgrund charak-
terisiert sich das eine Gemälde: die Geburt Christi als Innenflügel, durch
flüchtigere Malweise das andere als Außenflügel. Dieses stellt eine Szene des
Heilspiegels dar: Christus zeigt seine Wunden dem ungläubigen Thomas, dann
kniet er vor Gottes Thron und bittet für die Menschen, für die er gelitten
hat, daneben kniet Maria und weist auf ihre Brüste, die den Heiland genährt
haben.
Nun habe ich bei meiner Rekonstruktion des Basler Heilspiegel-Altares des
Konrad Witz1 gerade zwei große Gemälde desselben Themas als Mittelbilder
des Basler Altars angenommen. Die Verführung war daher für mich groß,
hierin keinen merkwürdigen Zufall zu sehen, sondern die Bilder in St. Gallen
für meine Rekonstruktion des Basler Altares in Anspruch zu nehmen. Ein
äußerlicher Umstand spricht auch noch für die Zusammengehörigkeit: das
Brokatmuster des Goldgrundes ist das gleiche, das sich auf den Basler Tafeln:
»Cäsar und Antipater« und »David und Abisai« befindet und auf anderen
Werken des Meisters nicht vorkommt. Aber trotz alledem gibt die neue Ent-
deckung m. E. nur dem Zufall Recht und ist leider keine Bestätigung meiner
Rekonstruktion. Die Verwendung als Mittelbilder verbieten die Maße, dann
aber vor allem der Umstand, daß die Tafel beidseitig bemalt ist und eine per-
spektivische Anordnung hat, die die Bilder deutlich als rechten Flügel eines
Altares kennzeichnen mit der Geburt als Innen-, der Heilspiegelszene als
Außenbild. Da aber die Anordnung der Basler Tafeln als Flügel des Heil-
spiegelaltares nunmehr feststeht, woran die Kritik nichts ändert, die sich nur
im allgemeinen äußert, ohne im einzelnen die Beweisführung zu widerlegen,
so ist für die St. Gallener Gemälde im Basler Heilspiegelaltar kein Platz.
Dieselben Gründe sprechen gegen die Eingliederung der Bilder in den Genfer
Altar. Zwar passen sie im Format ziemlich gut zu den Genfer Bildern: diese
sind ca. 152 X 154 cm groß, unsere Bilder 155 X 164 cm. Alle sind aber, wie
die erhöhten Ränder beweisen, zweifellos noch in ihren ursprünglichen Aus-
messungen erhalten, so daß diese kleine Differenz in den Maßen schon schwer
zu erklären wäre. Wie bereits gesagt, kommen unsere Tafeln als Mittelinnen-
bilder eines Altars nicht in Frage. Nun hat man auch behauptet, die Genfer
Flügel seien zweigeschossig gewesen. Würde man sich über die Größen-
unterschiede hier hinwegsetzen, so käme dann aber die Geburt Christi über
dem Genfer Bilde der Madonna mit dem knienden Stifter zu stehen, und
1 Wendland, Konrad Witz, Gemäldestudien. Basel 1924. Seite 50ff.

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