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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 24
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Friedländer, Max J.: Ein Madonnenbild von Gerard David
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0817
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EIN MADONNENBILD VON GERARD DAVID
VON MAX J. FRIEDLÄNDER

Das hier farbig reproduzierte Madonnenbild ist vor wenigen Jahren aus Spanien
nach London gekommen und hat den üblichen Weg westwärts angetreten,
nach einiger Hin- und Herbewegung im europäischen Handel. Ohne Schwierig-
keiten wurde es dem »Werke« Gerard Davids eingeordnet. Der Brügger
Meister hat in diesem Falle ein altes Kompositionsmotiv tief eingreifend um-
gestaltet. Lehrreich zu beobachten, wie er dabei verfuhr. Er ging aus von
der in mehreren Exemplaren bekannten »Madonna in der Apsis«1, die ge-
wöhnlich auf den Meister von Flemalle zurückgeführt wird.
Sehen wir ab von den speziellen Eigenschaften der einzelnen Exemplare, ordnen
wir die Repliken nach dem Grade der Altertümlichkeit, mit der Absicht, das
verschollene Urbild zu rekonstruieren, so stoßen wir auf eine Komposition, die
selbst für die Generation von 1420 primitiv erscheint. Die Figuren dicht bei-
einander, die Fläche füllend, nicht in dem Raume, sondern davor. Die Falten
weit ausgeschwungen. Starke Aufsicht auf den Boden. In den Repliken werden
die Figuren mehr und mehr voneinander getrennt, und mit allerlei kleinen
Mitteln wird der Raum vertieft. Erst Gerard David vollzieht die Umgestaltung
der Komposition nach den Bedürfnissen seines gereiften Raumgefühls. Die
Madonna und die Engel stehen leibhaftig auf dem horizontal wirkenden
Boden, und der Kapellenraum umschließt die Figuren. Die Sicherheit und
Konsequenz, mit der David dem hieratischen Gebilde Illusion des Raumes und
der kubischen Masse verlieh, weist uns hin auf die Hauptrichtung seines Ge-
staltungswillens.

1 Meine Altniederländische Malerei II, Nr. 74.

54 Der Cicerone, XX. Jahrg., Heft 24

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