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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 6
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Sammler und Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0244
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SAMMLER UND MARKT

VOM AMERIKANISCHEN MARKT
Die zwei großen Auktionshäuser in New York,
die American Art Galleries und die Ander-
son Galleries, die jetzt beide dem Mr. CorL-
landt F. ßisliop gehören, und von denen die
letztere später in der ersten aufgehen soll (wor-
über später noch Näheres zu berichten sein
wird), künden für die allernächste Zeit zwei
oder drei außergewöhnliche Versteigerungen
an, deren Bedeutung nicht hinter denen der
Holford- und der Iiuldschinsky-Auktionen in
London und Berlin zurückstehen dürfte.
Vor nicht sehr langer Zeit starb in hohen Jah-
ren der ehemalige Richter Elb er t II. Gary,
der lange Zeit der Leiter des größten Indu-
strieunternehmens der Vereinigten Staaten,
des United States Steel Corporation gewesen
war und über viele Millionen verfügt hatte.
Was er an Gemälden, Teppichen, Kunstmö-
beln, Porzellan und Bildhauerwerken,Marmor
und Bronzen kaufte, war das beste und er-
lesenste, das um teures Geld zu haben war.
Ohne ein eigentlicher „Sammler“ zu sein,
hatte er sich so mit den herrlichsten Kunst-
gegenständen in seinem Hause in der 5. Ave-
nue umgeben. Die New York Trust Company
hat nun, als seine Testamentsvollstreckerin,
seine sämtlichen hinterlassenen Kunstwerke
der American Art Association (Ameri-
can Art Galleries) zur öffentlichen und völlig
reservelosen Versteigerung an vertraut, was ein
Beweis dafür ist, wie hoch man jetzt den
Wert von bedeutenden Auktionen durch diese
Firma hier einschätzt. Die Versteigerung ist
am 19. bis 21. April.
Die Sammlung Gary enthält u. a. einen Rem-
brandt („Krieger sich den Harnisch anle-
gend“); einen Frans Hals („Junger Kavalier“);
einen Gainsborough (eine Version des „Ernte-
wagens“); zwei Reynolds („Herzog von Bucc-
leuch mit Bruder und Schwester“ und „Bild-
nisse dreier Kinder“); einen Tintoretto („Mit-
glied der Spinolafamilie“) und bedeutende
Werke anderer Meister, vor allem auch der
Barbizon- und verwandter Schulen. Unter den
Teppichen ragen die „polnischen“ und alten
Ispahans als wahre Museumsstücke hervor; un-
ter den Marmorwerken Iloudons „Sabine Hou-
don“. Die American Art Association bereitet
gerade einen reich illustrierten, kos tbaren Ka-
talog de luxe der Sammlung vor. Ein paar der
Werke seien hier abgebildet.
Die Anderson Galleries werden am 3o.
und 3i. März Antiken aus dem Besitz des
Metropolitan Museums versteigern, die

cyprische, griechische, etruskische und römi-
sche Kunst umschließen, und unter denen sich
einige Stücke von Bedeutung befinden. Da sie
für die Zwecke des Museums nicht benötigt
werden, bat man sich offenbar nach europäi-
schem Vorbilde entschlossen, diese „Doublet-
ten“ zu verkaufen und dadurch einmal eine
Summe zum Schließen noch vorhandener Lük-
ken in die Hand zu bekommen und zugleich
den Sammeleifer von Liebhabern antiker
Kunst anzuspornen, der hierzulande — trotz
all der pekuniären Unterstützung, deren sich
Ausgrabungen in verschiedenen Ländern er-
freuen — noch sehr schwach ist.
Sodann wird in denselben Galleries am 28.
und 29. März die Auktion der Sammlung
Charles TI. Sen ff stattfinden, deren Exi-
stenz fast vergessen war. Mr. Senff starb schon
1911, hinterließ aber seine in den 90 er Jah-
ren des vorigen Jahrhunderts zusammenge-
brachte Sammlung seiner Frau auf Lebens-
zeit. Die letztere starb vor kurzem, und so
kommt jetzt diese Kollektion auf den Markt.
Sie trägt den Stempel ihrer Zeit, weshalb die
Barbizonmeister, wenigstens der Zahl nach, do-
minieren. So befinden sich in ihr nicht weni-
ger als acht Corots, sechs Dupres, sechs Mon-
ticellis, sechs Diaz’, fünf Daubignvs und Werke
anderer Meister dieser Schule. Mr. Senff aber
batte auch den Ehrgeiz, eine Reihe bedeuten-
der Werke der großen alten Meister sein eigen
zu nennen, wobei es ihm offenbar auf die Höhe
des Preises nicht sehr ankam, denn er hat die
meisten seiner Gemälde von den bekannten
Händlern erworben. Daß Mr. Senff dazumal
Corots „Lebende Frau“ ankaufte, beweist, daß
er einen feinen Geschmack und inneres Ver-
ständnis für Kunst besaß oder zum mindesten
auf einen guten Berater zu hören verstand. Es
wird interessant sein zu sehen, ob für dieses
superbe Figurenwerk Corots nunmehr auch
hier schon die Zeit gekommen ist. Von Frans
Hals finden sich zwei Bildnisse aus seiner mitt-
leren Periode und von Rembrandt ein Por-
trät, das wohl Ilendrickje Stoffels darstellt
und nach iG5o anzuselzen ist. Pieter de Hooghs
„Kartenpartie“ und Ifobbemas „Fischteich“
sind beide vortrefflich erhalten. F
BERLINER VERSTEIGERUNGEN
Am 3. und 4 ■ April findet bei L e p k e die Ver-
steigerung der Kunstsammlung des Berliner
rumänischen Gesandten C. G. Nano statt.Un-
ter den Möbeln befinden sich italienische
Tische, Sitzmöbel, Kabinette, reich intarsierte

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