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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 22
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Schubring, Paul: Gherardinis "Esau und Jakob"
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0766
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GHERARDINIS »ESAU UND JAKOB«
VON PAUL SCHUBRING
Allessandro Gherardini ist ein Florentiner Barockmaler, 1665 dort geboren und
17 25 in Livorno gestorben. Lanzi bezeichnet ihn nach Voss (Künstlerlexikon XIII,
S. 523) als Eklektiker, der sich hauptsächlich an Veronese und Luca Giordano
angeschlossen hat. Man kennt viele Altarbilder und Fresken von ihm in Flo-
renz und Pisa, Pistoja, Livorno, Genua. In Deutschland gibt es Bilder von ihm
in Schleißheim, Bamberg, Aschaffenburg, meist alttestamentliche Stoffe wie
Salomo und die Königin von Saba, die Findung des Moses, Esther und Ahasver.
Wie der Florentiner Lokalhistoriker Gaburri in dem Manuskript der Biblioteca
nazionale in Florenz versichert, seien viele Bilder Gherardinis nach Dänemark
gekommen. Von dort scheint auch das Bild zu stammen, das im Krieg in Polen
gefunden und rechtmäßig erworben wurde- es ist jetzt in Berliner Privatbesitz
und stellt die Versöhnung Esaus und Jakobs dar. Es eignet sich als glanzvolles
Paradestück der Zeit um 1700, als Repräsentant einer sonst nicht eben liebe-
voll gewürdigten Epoche zur genaueren Betrachtung.
Die Barockmalerei hat sich, namentlich in ihrer zweiten kläffte, des Alten
Testamentes viel stärker angenommen als die Renaissance. Das Heroisch-
Pathetische der alten Patriarchen und die wilden Schicksale eines vielgeplagten
Volkes paßten gut zu dem lauten Stil der Emphase. Man liebte zunächst Einzel-
gestalten oder eine Gruppe (Judith, David, Simson, Joseph und Frau Potiphar,
Rebekka und Elieser). Aus der Jakobsgeschichte finden wir den Traum der
Himmelsleiter, den schon Raffael an die Decke der Heliodorstanze gemalt hat,
Jakob, der die Herden Labans hütet, und Jakob, der den Segen Isaaks empfängt.
Inzwischen hatte man in Neapel sich der großen Szene zugewandt. Luca Gior-
dano ist z. B. im Prado mit folgenden alttestamentlichen Stoffen vertreten:
Das Opfer Abrahams, die Verstoßung der Hagar, der Kampf Jakobs mit dem
Engel, die Kämpfe Simsons, Bathseba im Bade, das Urteil Salomos^ in Dresden
finden wir von Luca einen David, Susanna und die Alten, Lot mit seinen
Töchtern. Hier nun setzt Gherardini ein. Er wählt für seine rauschend üppigen
Bilder, die ja nicht in die Kirchen, sondern in die Paläste gehören, jene schon
oben genannten repräsentativen Stoffe, Salomo und die Königin von Saba,
Esther und Ahasver usw. Aus der Jakobsgeschichte aber wählt er sich in
unserem Bilde diejenige Szene aus, die nach allerhand Betrug, Täuschung und
Bruderzwist den pathetischen Schlußakkord der Versöhnung bringt, bei der
Esau, der bisher Verfehmte, der eigentliche Held ist.
Die Jakobsgeschichte gehört wohl zu den anstößigsten des Alten Testamentes.
Sie beginnt mit der Täuschung Jakobs und Rebekkas, die den alten Isaak und
Esau mit dem Geschlechtersegen betrügen. Esau will darauf Jakob erwürgen
und dieser flieht zu Laban. Da wird nun Jakob ordentlich betrogen um Rahel
durch Lea, betrügt seinerseits aber auch Laban mit der Herde und läßt ihm
durch Rahel seine Hausgötter stehlen. Nach zwanzig Jahren zieht Jakob mit
großer Angst dem Bruder entgegen, der mit 400 Mann anrückt. Durch ein Ge-
schenk von 200 Ziegen, 20 Böcken, 200 Schafen, 20 Widdern, 30 Kamelen mit
ihren Füllen, 40 Kühen, 10 Farren, 20 Eselinnen und 10 Füllen stimmt er Esau
günstig, und es folgt nun die Versöhnung der Brüder. Jakob kommt mit seinen
beiden Weibern, deren Mägden und elf Kindern^ Esau kommt mit 400 Mann an.

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