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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 21
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Sammler und Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0746
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SAMMLER UND MARKT

NEUERWERBUNGEN AUS CHINA
VON LEONHARD ADAM
III.
(Fortsetzung aus Heft 5 des lauf. Jalirg.)
Vor kurzem ist der Einkäufer der Firma Theo-
dor Bohlken in Berlin, Peters, von sei-
ner letzten Einkaufsreise aus China zurückge-
kehrt. Seine Erwerbungen sind in den neuen,
ausgedehnten Räumen der Firma in der Pots-
damer Straße auf gestellt.
Unter den Neuerwerbungen finden wir eine
Anzahl bemerkenswerter Plastiken. An erster
Stelle ist ein monumentaler Löwe aus Basalt
von 1 m Höhe zu nennen, der, ungeachtet der
schon stark stilisierten Mähne, zweifellos der
T’ang-Zeit entstammt. Es ist ein raumbeherr-
schendes Stück von unerhörter Wucht der


Löwe Steinplastik der T‘ang-Zeit
Höhe 100 cm Berlin, Theodor Bohlken

Körper- und Gliederbildung. Dann ist eine
stehende, lebensgroße Ilolzfigur eines Bodhi-
sattva zu beachten, mit Spuren ehemaliger Be-
malung. Es fehlt die linke Hand und der
rechte Unterarm. Das Stück entstammt der
Sung-Periode und kann als ganz besonders
schönes Beispiel für die Holzbildnerei des 10.
bis 12. Jahrhunderts gelten. Wir haben in den
letzten Jahren mehrmals gute Proben dieser
Plastik in Berlin sehen können. Früher wenig
beachtet, findet die Holzskulptur dieser Epoche
heute immer mehr Freunde und ist auch
Gegenstand gesteigerten wissenschaftlichen
Interesses. Ich verweise da auf die Schrift von
Oswald Siren: „Studien zur chinesischen
Plastik der Post-Tangzeit“, bei welcher ledig-
lich der letztere Ausdruck schon wegen seiner
Vieldeutigkeit und Unklarheit vielfach und
mit Recht abgelehnt wird. Wir sahen bei
Worch noch im alten Hause eine große monu-
mentale, sitzende Figur, wir fanden dort fer-
ner jüngst eine der schönsten sitzenden Ilolz-
figuren der Sung-Zeit überhaupt, und konn-
ten auch bei Dr. Burchard jüngst einen sehr
schönen Bodhisattva in Holz bewundern. Die
hier im Bilde gezeigte Figur der Sammlung
Bohlken steht besonders hinter der letztere-
O
nannten Statue nicht zurück. Während bis in
die T’ang-Zeit hinein die Gesichterder buddhi-
stischen Heiligen gewöhnlich eine unpersön-
liche Erhabenheit und Weihe versinnlichen —
was letzten Endes zum guten Teil auf die
starke Nachwirkung der hellenistischen Vorbil-
der zurückgehen muß, —, fallen die Gesich-
ter der bedeutenderen Sung-Plastiken immer
wieder durch die Verkörperung chinesischer
Individualität, Lebendigkeit des Ausdrucks
und Intelligenz auf. So* ist auch die Verkör-
perung lebendiger Intelligenz bei dem vorlie-
genden Stück geradezu erstaunlich. Von den
kleinen Plastiken erwähne ich das Marmor-
köpfchen aus der T’ang-Zeit, das man etwa
mit dem hübschen Stück der Sammlung Lissa
vergleichen kann, welches seinerzeit Direktor
Kümmel bei Cassirer für das Ostasiatische Mu-
seum erwarb. Dazu tritt eine Reihe größerer
buddhistischer Steinfiguren der gleichen Zeit.
Von den Bronzegefäßen sei auf die hier abge-
bildete schöne Kanne der T’ang-Zeit hingewie-
sen, die den Vorzug zweifelloser Echtheit für
sich hat. Inzwischen ist schon wieder eine neue
Expedition des Hauses Bohlken in Ostasien
unterwegs, auf deren Ergebnisse man gespannt
sein darf.

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