Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers (20.1928)

VOM ZUKÜNFTIGEN BAUEN
VON S. GIEDION
In diesen Tagen ist unter dem Titel »Bauen in Frankreich, Eisen, Eisenbeton« im Verlag
von Klinkhardt & Biermann, Leipzig ein reich illustriertes Buch erschienen, das die
historischen Grundlagen »neuen« Bauens auf zeichnet, aber auch in die Zukunft weist,
die die Umwandlung des handwerklichen in den industriellen Baubetrieb vollenden wird.
Diesem Buch sind die nachfolgenden Abschnitte entnommen.
KONSTRUKTION
Ist Konstruktion etwas Äußerliches?
Wir werden in einen Lebensprozeß getrieben, der nicht teilbar ist. Wir sehen
das Leben immer mehr als ein bewegliches, aber unteilbares Ganzes. Die Grenzen
der einzelnen Gebiete verwischen sich. Wo hört die Wissenschaft auf, wo be-
ginnt die Kunst, was ist angewandte Technik, was gehört der reinen Erkennt-
nis? Die Gebiete durchdringen sich, befruchten sich, indem sie sich durch-
dringen. Es interessiert uns heute gar nicht, wo etwa die Grenze zwischen dem
Isolationsbegriff Kunst und dem Isolationsbegriff Wissenschaft verläuft. Wir
werten die Gebiete gar nicht untereinander, sie sind uns gleichberechtigte Aus-
flüsse eines obersten Impulses: LEBEN! Das Leben als Gesamtkomplex
zu erfassen, keine Trennungen zuzulassen, gehört zu den wichtigsten
Bemühungen der Zeit.
Die Physiologen haben uns gezeigt, wie Körperbau und Wesen eines Menschen


Brice & Sainrapt. Safe (tour forte) der Banque de France
10 Stockwerke. Unterirdisch. Höhe 32 m. Durchmesser 50 m. — Schließung durch bewegliche
Betonflügel

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