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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 7
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Adam, Leonhard: Alt-Amerika: ein neues Sammelgebiet
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0261
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ALT-AMERIKA / ein neues sammelgebiet
VON LEONHARD ADAM
Es ist interessant zu sehen, auf wie verschiedenen Grundlagen ein Sammlertum
für ein bestimmtes Gebiet erwachsen kann und wie verschieden auch die Rollen
sein können, die der Sammler im Verhältnis zu dem Fachgelehrten seines Lieb-
lingsgebietes spielt. So ist die Kunst Ostasiens für den Westen überhaupt erst
durch den Amateur entdeckt worden.
Mit den anderen außereuropäischen Kunstgebieten verhielt es sich anders. Es
ist nicht ganz richtig, wenn manchmal behauptet wird, daß gewisse moderne
Künstler, des überlebten Impressionismus überdrüssig und nicht gewillt, eine
der Methoden des Konstruktivismus einzuschlagen, die ersten gewesen seien,
die den Weg zur Negerplastik gefunden hätten. Denn diese ist von der ethno-
logischen Forschung immer auch als »Kunst« beachtet worden, und die Plastik
Westafrikas spielt beispielsweise bei den Anfängen der Kulturkreislehre in den
Forschungen von Leo Frobenius eine bedeutende Rolle. Auch die Südseekunst
ist nicht etwa von modernen Malern »ausgegraben«, sondern für die breitere
deutsche Öffentlichkeit 1907 von Stephan zum ersten Male dargestellt worden.
Vereinsamt lagen bisher im Zeitalter der Entdeckung der »exotischen« Kunst-
gebiete die amerikanischen Kontinente. Einiges darüber habe ich bereits im
Aprilheft 1927 des Cicerone erörtert. Es ist merkwürdig, daß alle uramerika-
nische Kunst mit uns Europäern im allgemeinen Jeichter Kontakt findet als
die Negerkunst. Selbst die kompliziertesten, bizarren mittelamerikanischen
Formen, so unverständlich sie dem Uneingeweihten (und oft genug noch dem
Archäologen) sein mögen, klingen eher in unserer Empfindungssphäre an als
Afrikanisches. Rein gefühlsmäßig mag man dies damit erklären, daß uns die
amerikanischen Menschen näher stehen als die Neger. Die Gesichtsbildung,
die oft sehr helle Hautfarbe, das Haar und viele andere Momente, nicht zuletzt
der »Völkergeruch«, ist uns beim Indianer sympathischer, weil relativ ver-
wandter als bei dem schwarzen, kraushaarigen und dicklippigen Afrikaner.
Aber vor allem ist die Ursache wohl darin zu suchen, daß indianische Orna-
mentik und Bildnerei — wie nun aus den Ergebnissen der Kulturkreisforschung
immer mehr plausibel wird — über die Südsee mit Asiatischem irgendwie so
viel stärker verwandt sind als afrikanische Kunst5 und alles Asiatische wieder
steht ja, wenn auch noch so weitläufig und in vorgeschichtliche Zeiten zurück-
gehend, zu den Urantängen europäischer Kunst in genetischer Beziehung. In-
dessen war schon die bloße Kenntnis amerikanischer Kunstwerke auf so wenige
Menschen außerhalb des engen Kreises der Amerikanisten begrenzt, daß z. B.
das Vorhandensein einer gewaltigen, reich illustrierten archäologischen Literatur
über die Kunstdenkmäler Mittelamerikas, insbesondere Mexikos, bis in die
jüngste Zeit nicht imstande war, das Interesse der Kunstfreunde zu wecken.
Walter Lehmanns Entwurf einer altmexikanischen Kunstgeschichte im »Orbis
Pictus«, eine äußerste Quintessenz aus vieljähriger archäologischer Forschung,
auf den Schultern einer großen Literatur stehend, gerade darum freilich für
einen ahnungslosen Laien eine nicht leichte Einführung, bedeutete in der
Kunstliteratur ein Stück völligen Neulandes. Lehmann bildete auch weniger
typische als individuell hervorragende Stücke ab. Doch seine Arbeit muß, viel-

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