Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Sammler und Markt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0179
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
SAMMLER UND MARKT

VOM EXPERTISENWESEN
Zu dieser kürzlich an dieser Stelle eingehend
von Hans Wendland behandelten Frage hat in-
zwischen auch Geh.-Rat Max J. Friedlän-
der im letzten lieft von ,,Kunst und Künst-
ler“ Stellung genommen. Die wichtigsten Ge-
dankengänge seien an dieser Stelle ebenfalls
festgehalten.
Der Händler, so schreibt Friedländer, wälzt
die schwerer gewordene Verantwortung auf
den Expert ab und wäscht im Fall eines Irr-
tums seine Hände in Unschuld; der Expert,
auf den er sich beruft, tritt naturgemäß fi-
nanziell für sein Versehen nicht ein. Also die
Verantwortlichkeit hat sich bedenklich gespal-
ten, in eine moralisch wissenschaftliche einer-
seits und eine geschäftliche andererseits. Das
Expertisen wesen ist gewachsen auf den Boden
einer sinnlosen Überschätzung des Autorna-
mens und hat wiederum diesen Aberglauben
gesteigert. Die Reform durch Schaffung einer
behördlichen Organisation lehnt Friedländer
ab: damit wäre nichts gebessert, vielmehr
würde der amtliche Stempel auf dem Attest
der Meinungsäußerung eine flache Legitimi-
tät verleihen. Auszurotten wird das Wesen
überhaupt nicht sein, wohl aber kann es nach
Friedländers Meinung entgiftet werden—durch
Aufklärung der Sammler. An deren Adresse
richtet der Berliner Kenner daher folgende
Sätze: i. Traut euren eigenen Augen, seht
euch die Bilder genau an, bemüht euch selbst
um Kennerschaft. 2. Geht zu den Fländlern,
betrachtet, was sie haben, wartet nicht auf An-
gebote, wendet euch an kenntnisreiche Händ-
ler, an solche, die auf ihre geschäftliche Ehre
bedacht sind. 3. Überschätzt nicht die Bedeu-
tung des Autornamens. Es gibt ausgezeichnete
Bilder, deren Urheber unbekannt sind. 4- Die
Meinungsäußerung in bezug auf den Autor be-
ruht auf mehr oder weniger sicherer Vermu-
tung. Die apodiktische Form, in der attestiert
wird, ist nichts als Selbsttäuschung des Exper-
ten, Konvention, wenn nicht Bluff. 5. \iele
Bilder sind schlecht erhalten. Davon steht
nichts in den Attesten. Der Wert eines Gemäl-
des ist aber im hohen Grad abhängig von dem
Zustande. 6. Sucht Verkehr mit den Kennern.
Bei direktem Gedankenaustausch mit ihnen
werdet ihr mehr erfahren und lernen, als auf
den Papieren steht, die euch von Händlern und
Agenten überreicht werden. Auf diese Weise
könnt ihr die Verbundenheit sprengen, jenes
gegenseitige Schutzverhältnis, das sich zwischen
den Händlern und den Gelehrten gebildet hat.

BERLINER AUKTIONEN
Am 27. und 28. März versteigern Gassirer-
Helb ing in Berlin die Sammlung des ver-
storbenen Geh.-Rats Dr. h. c. GustavSelig-
m an n in Koblenz. Einen Hauptbestandteil der
Sammlung bilden neben den Gobelins aus der
Zeit der Renaissance bis zum 18. Jahrhundert
die Möbel des 16. bis 18. Jahrhunderts: ty-
pisch-rheinische Schränke und Truhen; Ba-
rock- und Rokokositzmöbel, teilweise mit
Pointbezügen; Kommoden, Tische u. a. Unter
der Keramik ist Kreussen und rheinisches
Steinzeug durch vorzügliche frühe Erzeugnisse
vertreten. Einen breiten Raum nimmt das Por-
zellan ein, neben Meißen die Frankenthaler,
Höchster und Ludwigsburger Manufakturen,
dabei die Frankenthaler „Camargo“ mit ihrem
Gegenstück. Glasarbeiten sind aus drei Jahr-
hunderten vorhanden. Das 16. und. 17. Jahr-
hundert vertreten Schweizer Scheiben und zum
Teil datierte Gläser mit Emailmalerei. Aus
späterer Zeit folgen Zwischengold- und Scha-
pergläser, wie geschnittene und geschliffene
Gläser des 18. Jahrhunderts, vorwiegend böh-
mischer, schlesischer und brandenburgischer
Provenienz. Ein Unikum dürfte der durch die
Literatur bereits bekannte Elbinger Steinka-
min sein. — Der Katalog dieser Sammlung,
von Herrn von Falke bearbeitet, ist in Vorbe-
reitung.
Anschließend an die Sammlung Seligmann
kommt an gleicher Stelle diejenige des Barons
Goldegg zum Ausruf, in deren Mittelpunkt
eine durch Qualität und Seltenheit doppelt be-
merkenswerte Kollektion von Frankenthaler
Porzellan steht, aus der ,,Der Geburtstag der
Mutter“, Modell von Lück, besonders hervor-
ragt. — Nicht minder bedeutsam ist sodann
die kleine Serie von Brüssler Wandteppichen
des 17. und 18. Jahrhunderts und eine Reihe
hervorragender Aubussons, die nach Qualität
und Zahl eine Seltenheit auf dem deutschen
Kunstmarkt sind.
Ferner befinden sich innerhalb dieser Samm-
lung, die insgesamt etwa 70 Nummern um-
faßt, noch sehr schöne Möbel, sowie eine Point-
Garnitur (um 1700).
Nach dieser Auktion versteigert Paul Cassirer
noch den Gesamtbestand der Chinahandlung
E. Gutmann, der seinen Laden im Hotel
Esplanade aufgibt und sich sämtlicher Schätze
entäußert. Das Vorwort zu diesem Katalog
Gutmanns hat W. Cohn geschrieben, der mit
Recht darauf hinweist, daß es durchaus erst-
klassige und zum Teil seltene Stücke sind, die

149
 
Annotationen