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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 11
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Rosenbaum, Heinz: Über Früh-Porträts von van Dyck, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0391
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ÜBER FRÜ H - PORTRÄTS VON VAN DYCK
VON HEINZ ROSENBAUM
II.
Noch heute begegnet man in Museen qualitätvollen Bildnissen van Dycks aus
den Jahren 1618/19, die unter Rubens’ Namen hängen. Ein Beweis für van
Dycks Anpassungsfähigkeit und nicht zuletzt für sein malerisches Können!
Man muß sich aber bei diesen Werken stets das Bewußtsein wach halten, daß
es sich nicht um einen fertigen, ausgeprägten, bewußt propagierten Kunststil
handelt, sondern nur um Anfangsstationen auf dem Weg des Lernens. Van
Dyck sieht Rubenssche Kunst, er nimmt sie auf mit seltenem Einfühlungsver-
mögen, setzt sich mit ihr auseinander und schreitet dann wieder selbstbewußt
und selbständig weiter. Solange van Dyck sich in jenen Jahren 1618/19 eng
an Rubens anschloß, liegt die Hauptwirkung seiner Dargestellten im Ausdruck
ihrer Gesichter, die zwar in ihren Einzelzügen nicht mehr mit der derben
Realistik seiner früheren Jahre gegeben sind, dafür aber eine feine psycho-
logische Belebung erfahren.
Im Laufe des Jahres 1619 erfolgte jedoch ein Wandel in van Dycks Porträt-
auffassung, der im Keime bereits die weitere Entwicklung des Porträtisten van
Dyck in sich birgt: Der Geist des Repräsentativen zieht in seine Bildniskunst
ein. Das Gesicht verliert in seinen Porträts an Wichtigkeit für den Eindruck
des Dargestellten, die Haltung gewinnt dafür an Bedeutung. Van Dyck erreicht
dies durch kompositioneile Mittel: unter Bevorzugung von Knie- und Stand-
figur rückte er den Oberkörper möglichst hoch ins Bild hinauf, Wucht und
Würde der Erscheinung unterstützte er durch die Steigerungsmittel des Bei-
werks, durch Säule und Draperie. Oft bleibt uns noch ein kleiner Ausblick auf
einen landschaftlichen Hintergrund.
Zu dieser Umbildung des Kompositionsschemas kommt eine allmähliche Ände-
rung der Malweise. Der Höhepunkt des »plastischen Stiles« — wir haben das
Frauenporträt der Sammlung del Monte in Brüssel als Beispiel angeführt —
hat als Charakteristikum eine glatte saubere Farboberfläche. Feine leuchtende
braune Schatten erzielen in sorgfältiger Verteilung eine exakte Modellierung.
Dieses Prinzip der Schattengebung, die das Plastische der Form betont, herrscht
auch noch in einigen Porträts, die schon der neuen Kompositionsweise an-
gehören, z. B. im Richardot des Louvre oder im prachtvollen Porträt eines
Herrn, das in der Auktion des Earl Amherst 1921 versteigert wurde (publiziert
im Arundel Club). Der Farbenauftrag wird im Laufe der nächsten Entwicklung
flüssiger, anfangs noch unter Wahrung der Plastizität der Form. In diese Stil-
stufe von 1619 gehört unserer Meinung nach die sogenannte Böhlersche Apostel-
serie, die Glück in das Jahr 1621 versetzt hat1. Der aus dieser Serie stammende,
abgebildete hl. Andreas im Besitz von Herrn Rosenheim, Berlin, zeigt deutlich,
welcher Wert auf das reiche Spiel von Licht und Schatten gelegt ist. Der
helle Teint auf Stirn, Wange und rechtem Handrücken wandelt sich in den
Schatten zu einem tiefen, warmen Braun, während hellrötlichgelbe Akzente
1 Die Tatsache, daß die Bilder erst mehrere Jahre später, als van Dyck schon in Italien
war, ins Ausland verkauft wurden, beweist nichts gegen unsere Annahme.

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