Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

DOI Heft:
Heft 1
DOI Artikel:
Kunst-Literatur
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0071
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNST-LITERATUR

KARL WITH: CHINESISCHE KLEINBILD-
NEREI IN STEATIT. i3o Seiten, 80 Ta-
feln, 7 Farbtafeln und 47 Textabbildun-
gen. Gerhard Stalling-Verlag, Oldenburg
1926.
With hat sich in diesem Buche dankenswer-
terweise eines bisher vernachlässigten Gebie-
tes der chinesischen Kunst angenommen. In
dem aufschlußreichen ersten Kapitel „Die
Steatitplastik als Exponent der volkstümlich-
bürgerlichen Kultur“ weist der Verfasser auf
den Nährboden hin, dem diese liebenswürdig
elegante Kunst entwachsen ist: dem chinesi-
schen Bürgertum. Es kam erst unter der
Herrschaft der Ming-Kaiser zur vollen Ent-
faltung, den Anstoß zu seiner steten Entwick-
lung hatte eine durchgreifende Agrarreform
unter der Sung-Dynastie gegeben. Vom i5.
Jahrhundert an geben Bauern und Bürgerden
Ton an, sie sind die eigentlichen Träger der
Kultur. Das Bürgertum tritt nicht schöpfe-
risch auf clen Plan, es wurzelt im Alten, das
es, inhaltlich und formal, übernimmt und in
seinem Sinne umgestaltet. Im Bewußtsein sei-
ner Kraft läßt es das volkstümliche Element
nun besonders stark in Erscheinung treten,
das unter der Feudalherrschaft kaum zu Worte
gekommen war.
Dies bürgerliche Zeitalter ist eine Spätphase
der chinesischen Kultur, die großen politi-
schen und künstlerischen Probleme waren da-
mals schon gelöst oder erledigt. Die Ming-
Zeit bedeutet eine Epoche des Ausruhens, des
Sichtens und Ordnens; man versenkte sich,
wie das abendländische Bürgertum zu Beginn
des 19. Jahrhunderts, in die große Vergan-
genheit; in der Wissenschaft tritt immer stär-
ker die Neigung zum Kompilieren hervor, in
der Kunst kommt eine bürgerlich anständige,
etwas bieclermeierliche Romantik auf. Die re-
ligiöse Plastik greift mit Absicht auf die alten
Schemata zurück, der philologisch infizierte
Archäologe hat mehr zu sagen als der Künst-
ler. In der Kleinplastik war es nicht anders,
nur daß hier, wie das im Wesen dieser für
den Schmuck des Zimmers oder Hausaltares
bestimmten Objekte lag, eine Verniedlichung
und raffinierte Verfeinerung der Form hin-
zutrat. Das Wohlgefällige, Elegante gehört
ebenso zu dieser bürgerlichen Kleinkunst wie
die peinliche Sauberkeit der Mache.
Was den Inhalt betrifft, so bezieht diese Pla-
stik ihre Vorwürfe aus der Religion, der Le-
gende, der Sage und Geschichte; stets ist aber
mit den Figuren ein ganz bestimmter magi-

scher Zweck verbunden, sie sollen dem Be-
sitzer Glück bringen oder ihn vor Unheil be-
wahren.
With teilt den ganzen Komplex in sechs Grup-
pen auf: 1. die lyrisch-malerische Gruppe, die
am reinsten durch Darstellungen der taoisti-
sehen Weisen und Eremiten vertreten ist;
2. die Gruppe des plastischen Realismus, die
am liebsten die Lo-hans wiedergibt; 3. Fi-
guren repräsentativer Art von plastisch ge-
bundener Formgebung, hauptsächlich Götter,
deifizierte Ahnen und Heroen; 4. eine deko-
rativ gerichtete Gruppe, von zeichnerisch-mi-
niaturhaftem, höfisch-kultiviertem und ver-
weiblichtem Mingtypus; 5. eine dekorativ
orientierte Gruppe, in Anlehnung an die Por-
zellanmalerei der Mingzeit; 6. eine volkstüm-
lich-synkretistische Gruppe. An Hand der rei-
chen Abbildungen werden die Unterschiede
der einzelnen Gruppen aufgezeigt. Es folgt
dann ein Exkurs über die wichtigsten der dar-
gestellten Typen, der besonders aufschlußreich
ist, weil diese Typen sich auch in der Halb-
edelsteinschnitzerei und in der profanen Bron-
zeplastik des 17.—18. Jahrhunderts finden.
With hat sich mit tiefem Verständnis in die
Welt, dieser bürgerlich feinen Kunst versenkt
und aus der gewonnenen Erkenntnis heraus
eine schöne und interessante Arbeit geschrie-
ben, die, weit über den Rahmen des vorge-
faßten Themas hinaus, von grundlegender Be-
deutung ist für das Verständnis der künstle-
rischen Kultur der ausgehenden Ming- und
der beginnenden Ch’ing-Dynastie.
Ludwig Bachhofer
WALDSCHMIDT, ERNST: GANDIIARA,
KUTSCHA, TURFAN. Eine Einführung in
die frühmittelalterliche Kunst Zentralasiens.
Leipzig. Verlag Klinkhardt & Biermann.
115 S., 119 Abb. und eine Karte auf 66 Tfn.
und im Text.
Dr. Ernst Waldschmidt, Hilfsarbeiter am Ber-
liner Museum für Völkerkunde, ist gleichzei-
tig Indologe und Sanskritist, dazu als Archäo-
loge Jünger A. v. le Coqs. So vereinigen sich
in ihm glücklich die Eigenschaften, die ihn in
den Stand setzten, dem gebildeten Publikum
das vorliegende, klar und übersichtlich ge-
schriebene Einführungswerk in das Verständ-
nis der nunmehr öffentlich aufges teil len Fun-
de der vier deutschen Turfanexpeditionen clar-
zubieten. Eine derartige Veröffentlichung
fehlte seit langem; denn die Veröffentlichun-
gen Grünwedels und v. 1 e Coqs können

4 1
 
Annotationen