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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 4
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Kümmel, Otto: Ein Schmuckkasten der Han-Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0151
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EIN SCHMUCKKASTEN DER HAN-ZEIT
VON OTTO KÜMMEL

Das hier wiedergegebene Bronzegefäß, das der ostasiatischen Kunstabteilung
der Berliner Museen gehört, ist 15,7, mit dem konischen Deckel 20,7 cm hoch
und mißt 18,1 cm im Durchmesser. Eine weitere Beschreibung der Form er-
sparen die Abbildungen. Die drei niedrigen Füße haben die Form hockender
Bären, den Deckel schmücken drei eingenietete rückwärtsschauende Vögel,
ein vierter in der Mitte dient als Griff. Der Körper wird durch drei profilierte
Bänder in zwei Zonen geteilt, die durch dreikantige Gravierungsstriche mit
Wolkenbändern, das heißt sinisierten Palmettenranken verziert sind. Dasselbe
Motiv wiederholt sich auf dem Deckel, die beiden Bänder zwischen der mitt-
leren und der äußeren Zone sind aber durch Zickzacklinien in derselben Technik
gemustert. Über die Gußtechnik läßt sich nichts Bestimmtes sagen. Wahr-
scheinlich wurde über dem Tonkerne eine Wachsschicht aufgetragen, der mit
Hilfe einer Leere die gewünschte Form und Dicke gegeben wurde. Die Füße
sind anscheinend Vollguß; ihre Wachsform wurde vermutlich in geschnittenen
Teilformen gegossen und der Gefäßform angefügt. Außen ist die Bronze gold-
plattiert, die Wolkenmuster werden durch Silberplattierung betont. Der starke
Dreiklang des Goldes, Silbers und der an den abgeriebenen Stellen hervor-
tretenden roten Bronze wird durch die blaue, grüne und rotviolette Patina,
die ursprünglich fast das ganze Gefäß überwucherte, noch mehr bereichert.
Das Innere und die Außenseite des Bodens sind auf Zinnobergrund trocken
bemalt. Das Innenfeld des Deckels und die Außenseite des Bodens füllt ein
Fabelvogel mit ausgebreitetem Gefieder in Spangrün, Dunkelgrün und Grau-
blau mit schwarzer Innenzeichnung. Das Innere ist so stark versintert, daß nur
das aus Rauten gebildete Randmuster und darunter ein Fries von Vögeln zu
erkennen sind.
Der nicht übermäßig häufige Typ der Bronze wird von den chinesischen An-
tiquaren anscheinend mit Recht als Lien bezeichnet. In dem bis zur Unkennt-
lichkeit deformierten modernen chinesischen Charakter, der dieses Wort wieder-
gibt, ist allerdings von der Form des Gerätes nichts mehr bewahrt, ein zweites,
weniger häufiges Zeichen derselben Aussprache und Bedeutung zeigt aber in
seiner ursprünglichen Gestalt ein zylindrisches Hohlgefäß mit unbestimmtem
Inhalte und konischem Deckel, entspricht also unserer Bronze ziemlich genau.
Es wird heute mit dem Radikal »Bambus« geschrieben, offenbar einer archäo-
logischen Theorie zuliebe, die im Bambus das ursprüngliche Material für die
Lien sah. In den alten Formen ist von diesem Radikal nichts zu entdecken.
Das Wort Lien findet sich zuerst unter den früheren Han, die 206 vor bis
g n. Chr. regierten, in der Bedeutung eines Spiegelkastens, während es später
auch Weihrauchbehälter bezeichnet. Einen chinesischen Spiegel normaler Größe
würde in der Tat eine Bronze, wie die abgebildete, gut auf nehmen können,
böte allerdings auch noch Platz für den Schmuck und die chinesischen Frauen
vertrauten Mittel der Verschönerung, Schminke, Puder, Kämme u. dgl. Die
japanischen Ausgrabungen in Lo-lang haben uns ein solches Lien mit dem
ganzen Arsenal einer chinesischen Schönen der Han-Zeit beschert. Als Lack-
arbeit ist es aber in so abweichenden Formen gehalten, daß es zum Vergleiche

IO Der Cicerone, XX. Jahrg., Heft 4

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