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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 5
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Grohmann, Will: Die moderne Malerei in der Dresdner Gemälde-Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0187
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DIE MODERNE MALEREI IN DER DRESDNER
GEMÄLDE-GALERIE von will grohmann
Ausländer, die vor dem Kriege die neuere Abteilung der Dresdner Gemälde-
Galerie besucht haben und heute wiederkommen, sind von der Veränderung
des Bestandes an Bildern überrascht. Denn erst in den letzten zwanzig Jahren
sind die großen Meister der jüngsten Vergangenheit erworben worden, übrigens
mit wenigen Ausnahmen in allen deutschen Museen. Nimmt man sich die
Mühe, einmal festzustellen, in welchen Jahren die bahnbrechenden Künstler
Eingang gefunden haben, so fragt man sich kopfschüttelnd, was in den kauf-
kräftigeren Zeiten mit den verfügbaren Mitteln geschehen ist. Dresden hatte
beispielsweise seit 1880 einen hohen Zinsenertrag aus der Pröll-Heuer-Stiftung,
aber erst seit dem Amtsantritt Posses 1910 sind die Werke erworben worden,
um die sich die Privatsammler schon viele Jahre bemühten. Ein Beispiel: die
modernen Franzosen. Courbet wurde 1904 gekauft, Monet 1909, Degas 1919,
Manet 1921, Toulouse-Lautrec 1925, Renoir, Gauguin 1926. Van Gogh kam
1920, Ensor 1926 in die Galerie. Viele fehlen noch: Daumier, Delacroix,
Gericault, Corot, Daubigny, Pissarro, H. Rousseau, Redon, Cezanne, Matisse,
Picasso. Andere Galerien waren so glücklich, durch Geschenke und Stiftungen
Versäumtes rasch nachholen zu können. Die Berliner National-Galerie ver-
dankt alle großen französischen Meister von Daumier bis zu Cezanne, nicht
weniger als 23 Werke, großzügigen Schenkungen. In München ist es ähn-
lich. Von 29 Gemälden (Corot bis Matisse) sind 23 geschenkt, 4 Leihgaben,
2 gekauft. In Hamburg sind von 24 Werken (Delacroix bis Picasso) 16 ge-
schenkt, 8 gekauft. Dresden hatte bis heute nicht das Glück, einen Stifter zu
finden, der die klaffenden Lücken auszufüllen geneigt gewesen wäre. Bis da-
hin wird sich die Dresdner Galerie außer bei Degas mit je einem Bild der
französischen Impressionisten begnügen müssen. Aber auch die großen Deutschen
haben lange auf die Museumsreife warten müssen. Die Daten des ersten An-
kaufs sind für Slevogt 1908, H. v. Marees und R. Schuch 1912, Corinth 1918,
Nolde und Hofer 1919, Kokoschka und Beckmann 1920, E. L. Kirchner und
Schmidt-Rottluff 1926! Der erste Munch wurde 1926 erworben. Immerhin
ist es der Galerieleitung wenigstens in den letzten Jahren gelungen, die Öffent-
lichkeit am Ausbau der modernen Abteilung so weit zu interessieren, daß aus
Anlaß der großen Internationalen Kunstausstellung in Dresden 1926 Wesent-
liches zur Beseitigung der schlimmsten Mängel geschah, und man war weit-
sichtig genug, im richtigen Augenblick Werke eines Feininger, Kandinsky,
Klee mit anzukaufen, die in den meisten öffentlichen Sammlungen noch
fehlen.
Heute liegen die Dinge so, daß trotz Auffüllung der Bestände der Kunstfreund
aus zwei Gründen nicht ganz auf seine Kosten kommt. Einmal zwingt die
Raumnot zur Teilung des Materials und einer sehr provisorischen Unter-
bringung in zwei Gebäuden, außerdem zur Ausscheidung eines erheblichen
Teils. Zum andern ist nicht immer leicht zu erkennen, w'as bleibender, was
vorübergehender Bestand der Galerie ist. Darunter leiden mehr oder weniger
alle Sammlungen moderner Kunst in Deutschland. Die Leihgaben, die im
Katalog deshalb schon gar nicht mit aufgeführt sind, verschwinden oder werden

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