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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 8
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Waldmann, Emil: Schule, Kunstausstellung und Museum
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0293
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Adolph v. Menzel Dächer im Schnee. Um 1847
Aus der Menzel-Ausstellung der Galerien Thannhaus'er, Berlin

SCHULE, KUNSTAUSSTELLUNG UND MUSEUM
VON EMIL WALDMANN
Es wird in absehbarer Zeit nötig werden, die Frage des Museums- und Kunst-
ausstellungsbesuchs durch Schulklassen zu regeln. Denn auch die Erwachsenen
möchten, wenn auch nicht in Scharen, so doch einzeln gelegentlich einmal
eine Kunstausstellung oder eine Gemäldegalerie besuchen, natürlich in all jener
Bescheidenheit, die ihnen im sogenannten »Jahrhundert des Kindes« zukommt.
So wie die Dinge heute liegen, ist dies uns Erwachsenen kaum noch möglich.
Seit in den Unterrichtsplan der Schulen systematischer Besuch der Museen und
der wichtigen Ausstellungen aufgenommen wurde, sind Museen und Kunst-
ausstellungen für Erwachsene nicht mehr die Stätten der stillen Erbauung und
des künstlerischen Genusses.
In der Böcklin-Ausstellung der Nationalgalerie konnte man sich vor dem Lärm,
dem Getrampel und dem Geschwatze der Kinder kaum retten. In der Dürer-
Ausstellung der Akademie ist es noch schlimmer, weil die Räume dort kleiner
sind. An einem Dienstag, es war der 20. März, waren mehrere Hunderte von
Schulkindern in der Ausstellung, morgens zwischen 11 und 12 Uhr. Zu einer
Zeit also, in der die Ausstellung dem Publikum gegen ein Eintrittsgeld von
einer Mark geöffnet ist. Von künstlerischem Genuß, ja von ruhiger Betrach-
tung der ausgestellten Kunstwerke war keine Rede. Bei dem lauten Getrampel,
bei dem lauten Schwatzen und bei dem Gelächter, das ein paar hundert Kinder
ganz natürlich dort ausüben, war es unmöglich, sich still in die Kostbarkeiten
an den Wänden zu versenken. Und wenn man einmal sich einen Augenblick
den Platz vor dem Bildnis von Dürers Mutter erobert hatte, in einem Meter
Abstand, dann schob sich eine Reihe von zwölfjährigen Knaben an dieser Wand
entlang, ohne hinzusehen. Nur hin und wieder war der Blick auf Dürers
Mutter für den wartenden Betrachter frei.
Um sein Eintrittsgeld nicht ganz vergebens bezahlt zu haben, entschließt man
sich, wenn man schon auf den Kunstgenuß verzichten muß, wenigstens zu
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