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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 1
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Rundschau
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Suzanne Valadon / Die Künstlerin und ihre Familie
(im Hintergrund Utter, sitzend Utrillo)
fAus der Bildnisausstellung in der Galerie Bernier, Paris

nur noch ein willenloses Geschöpf ,
den Naturmächten ausgeliefert, bis
dann zuletzt die Natur zu kochen
beginnt, und der Mensch an ihrer
Brust verbrennt. Kuhn
In diesem Zusammenhang wird die
Mitteilung interessieren, daß J u -
lius Meier- Gr aefe in Kürze
im Verlag Otto Wacker, Berlin, ein
Werk über den Zeichner Vin-
cent van Gogh herausgibt, das
eine bedeutende Ergänzung zu dem
bekannten „Vincent“ des gleichen
Autors zu werden verspricht. Der
imposan te Band, über den hier noch
gesprochen werden soll, bringt zum
Teil unpubliziertes Material auf
52 Lichtdrucktafeln. B
PARISER AUSSTELLUNGEN
ln einer Epoche, der es an der not-
wendigen Zeit zu metaphysischen
Erwägungen fehlt, die ganz den
Eindrücken der äußeren Welt un-
tertan ist, in der die Maler nur den
Wunsch haben, möglichst schnell
zu schaffen, und die Kunstfreunde
gewöhnt sind, Bilder so anzusehen,
wie man aus dem fahrenden Auto-
mobil die „Landschaft“ betrachtet,
in einer solchen Zeit Bildnisse ma-
len zu wollen, erscheint wunderlich,
paradox.
Die Galerie Bernier bat es trotz-
dem vers tanden, 5o Bilder von bedeutender Qua-
lität, Porträts zeitgenössischer Personen, gemalt
von lebenden Künstlern, zusammenzubringen.
Hier sind Maler, die sich die Zeit genommen
haben, sich in Gesichter zu vertiefen, sie in ihre
richtige Atmosphäre zu stellen, und wenn etwas
aus dieser Ausstellung klar wird, so ist es dies,
daß jede Technik, sei sie impressionistisch, ex-
pressionistisch oder neuklassisch, imstande ist,
ein Gesicht zu definieren und seinen Ausdruck
zu übersetzen. Der moderne Maler sucht die
Synthese, die Synthese auch im Bildnis. Ohne
die Mittel psychologischer Zerlegung sichtbar
zu machen, mit seinem Grundsatz „Auf die
Malerei kommt es zuerst an, nicht auf ihren
Gegenstand“ findet er eine Form, die aus-
drucksvoll genug ist, das menschliche Antlitz
treu wiederzugeben. Die Werke der Suzanne
Valadon, von Vlaminck, Kisling, Per Krohg,
Bonnard sind dafür vor allem kennzeichnend.
Aus „Unsinn“ und nichts anderem sammelte
der witzige Courteline seit vierzig Jahren Bil-

der, die ihm grotesk und stupide genug er-
schienen, um mit der „hohen“ Kunst nichts
zu tun zu haben. Er fand sie im „Salon des
Independants“, bei irgendeinem Trödler an
einer Ecke des Quais oder auf dem berühm-
ten „Flohmarkt“ (Foire aux puces), aber nun
zeigt es sich, daß in dieser Sammlung einige
— anonyme und doch unzweifelbare — Mei-
sterwerke vertreten sind. Da sind vor allem
zwei Bilder von dem Zöllner Rousseau, die bei
Courteline ungefähr die Aufgabe erfüllten wie
im Laboratorium eines Chemikers die Proben
im Reagensglas. Da sind aber noch eine Reihe
anderer Werke, die eben diesem Maßstab ent-
sprachen, und die es wohl verdienen Avürden,
in unseren Museen, wo man etwas Derartiges
noch nicht kennt, eine Abteilung moderner
Anonymen zu begründen — wie es die Ano-
nymen des i5. und 16. Jahrhunderts gibt.
Von neuerer Kunst sind drei Ausstellungen
junger Maler, drei Erfolge, anzuzeigen: Sal-
vado in der Galerie Bing, Terechkovitch

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