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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 2
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Rundschau
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PRAG
Gäbe es in Prag nicht eine ausgezeichnete j unge
Architektur, man müßte in punkto „Kunst“
hier völlig resignieren. (Aber gerade die jun-
gen Architekten lehnen cs ja strikt ab, „Kunst“
zu machen!) An eigener Malerei und Plastik
wird wenig Wichtiges produziert, und von au-
ßen kommt so gut wie nichts herein, ein Um-
stand, den man bei der sonstigen starken Ideen-
einfubr aus dem Westen schwer versteht. Bleibt
nur die übliche Ausstellung der Künstlerver-
einigung „Manes“, bei der man unter Dutzen-
den wenigstens drei oder vier Maler findet.
Aber auch von denen (Filla, Spala, Krem-
licka, in Ansätzen noch Muzika und Bauch)
ist nichts eben Neues zu melden. Die Gedächt-
nisausstellung für den im Sommer in der Mol-
dau ertrunkenen Bildhauer Otto Gutfreund
erstickte in „pietätvollem“ Übereifer durch
Quantität die paar wirklich feinen Gebilde die-
ses zarten Künstlers. Auf deutscher Seite gibt
die schlecht organisierte „Concordia“-Ausstel-
lung ein etwas wackeliges Bild des derzeitigen
deutschen Kunstschaffens, unter dem nur
Kars (Paris) und der Bildhauer Vogel (Prag)
auf fallen. (Daß Kars der einzige in Betracht
kommende Prätendent für eine der immer
noch unbesetzten Lehrkanzeln an der Akade-
mie ist, um die hier ein hitziger Streit gefoch-
ten wird, dem die Tschechen lächelnd Zusehen,
scheint an den „maßgebenden“ Stellen immer
noch nicht erkannt zu sein!) Richard Schröt-
ter, von dessen hoffnungsvoller Malerei für
das deutsche Kunstleben Prags viel zu erwar-
ten gewesen wäre, hat sich nach seiner erfolg-
reichen Ausstellung bei Nierendorf jetzt in Ber-
lin etabliert. — Nein, die positive Leistung
Prags liegt auf dem Gebiete der Architektur.
Da stößt heute eine neue Generation in breiter
Front vor und errichtet mitten in der von Ba-
rock durchschäumten Stadt klare, reine Bau-
ten eines heutigen Empfindens, deren Beton
und Eisengerüst eine Schärfe und Eleganz in
das Stadtbild bringen, die wunderlich von den
sonst hier gewohnten östlichen Zuständen ab-
stechen. Tyl, Libra, Krejcar, Riha sind Bau-

meister voll zielbewußten Willens. Sie schaf-
fen eine Physiognomie, die später vielleicht
wieder die intimeren Künste der Malerei und
der Skulptur beleben könnte. Heute fegen sie
energisch alle alte Salonkunst über den Hau-
fen und zucken die Achseln, wenn man vom
„Prager Kunstleben“ spricht. Schürer
BRÜSSEL
Im Modernen Museum ist kürzlich die gleiche
Van-Gogh-Ausstellung eröffnet worden, die im
Sommer zuerst in der Basler Kunsthalle ge-
zeigt worden ist. (Siehe Cicerone Ileftiö.)
Der Besitzerin dieser kostbaren Sammlung,
Frau Kröller-Müller im Haag, wurde vom bel-
gischen König der Kronenorden verliehen. In
der Tat hat diese Van-Gogh-Ausstellung ge-
rade für Brüssel eine besondere Bedeutung,
denn bisher besitzt kein belgisches Museum
ein Werk von van Gogh, obwohl der Künstler
zu Beginn seiner Laufbahn Schüler der Aka-
demie in Antwerpen gewesen ist und lange
Zeit unter den Bergarbeitern im Borinage ver-
bracht hat. Die Sammlung soll übrigens im
Januar in Berlin gezeigt werden. n

PERSONALIA
Der Direktor des Ostasiatischen Museums in
Berlin Dr. Otto K ü m m e 1 wurde zum Hono-
rarprofessor an der Berliner Universität er-
nannt und erhielt gleichzeitig als erster in Eu-
ropa einen Lehrauftrag für ostasiatische Kunst-
geschichte, der besonders zu begrüßen ist und
hoffentlich bald auch anderswo Nachahmung
findet.
Dr. Walter Riezler, Direktor des städti-
schen Museums in Stettin, wurde als Nachfol-
ger des verstorbenen Dr. Storck zum Direktor
der Karlsruher Kunsthalle ernannt. Riezler
nimmt seit Jahren führend an den Bestrebun-
gen des Werkbundes teil, und es ist zu hof-
fen, daß seine Berufung auch dem modernen
Kunstleben in Baden frische Impulse zufüh-
ren wird. n

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