Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928
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tingers Meinungen zu Recht bestehen sollten,
müßte der Verfasser, wie er in einer Anmer-
kung zugibt, seine Ansichten über Dürers Be-
ziehungen zu den Vischers gründlichst revidie-
ren. Am meisten verdankt Pierre de Colom-
bier den Büchern von Wölfflin und Friedlän-
der, denen er die verdiente Ehre antut. Thau-
sing hält er schlichtweg für dumm, aber
Ephrussis künstlerischem Feingefühl zollt er
Hochachtung und sagt manchen seiner Hypo-
thesen neue Wertung voraus.
Es ist ein künstlerisches Buch, das Colombier
da geschrieben hat, aber ein wissenschaftlich
gut dokumentiertes. Man liest es mit Genuß,
und das Wasser, das der Franzose in den deut-
schen Wein schüttet, wird und soll den Wein
in keiner Weise verderben. Wir wissen trotz
der Bedenken, die der Verfasser gegen den
Maler Dürer manchmal äußert, daß Dürer den-
noch ein sehr großer Maler war, mindestens
im Landschaftsaquarell. Wer die Ansicht von
,,Trient“ und von „Kalckreuth“ und vom
Weiherhäuschen gemalt hat, ist ein großer Maler
von liaus aus und von eigenen Gnaden. Und es
ist doch derselbe Mensch, der dann die so au-
ßerordentlich malerischen Bildnisse des Orley
und des sogenannten Imhoff, der Ilolzschuher
und des Muffel schuf. Das vor kurzem in
Schweden aufgetauchte, vorher vollkommen
unbekannte, mit der etwas auffallenden Jah-
reszahl 1507 versehene Männerbildnis konnte
dem Verfasser natürlich noch nicht bekannt
sein. Aber auch das venezianische Mädchen-
bildnis von i5o5, jetzt in Wien, ist ihm ent-
gangen. Das Mädchenbildnis von 1/197 jn (^er
Sammlung Heugel in Paris ist auf genommen.
Der schöngedruckte Band wird durch Go Licht-
drucktafeln ergänzt. Für eine Neuauflage
möchte man eine Änderung vorschlagen: eines
der beiden reproduzierten Holzschnittwappen
wegzulassen und dafür eine der Radierungen
hineinzunehmen. Wenn die Kanone dem fran-
zösischen Geschmack allzu sehr als Bilder-
bogen vorkommt, könnte man ja an die Ent-
führung auf dem Einhorn oder an das Gethse-
mane denken. Emil Waldmann
Jean Wauquelin überreicht Philipp dem Guten sein Werk
Aus Cartellieri, Am Hofe der Herzoge von Burgund / Verlag Benno Schwabe & Cie., Basel
116
müßte der Verfasser, wie er in einer Anmer-
kung zugibt, seine Ansichten über Dürers Be-
ziehungen zu den Vischers gründlichst revidie-
ren. Am meisten verdankt Pierre de Colom-
bier den Büchern von Wölfflin und Friedlän-
der, denen er die verdiente Ehre antut. Thau-
sing hält er schlichtweg für dumm, aber
Ephrussis künstlerischem Feingefühl zollt er
Hochachtung und sagt manchen seiner Hypo-
thesen neue Wertung voraus.
Es ist ein künstlerisches Buch, das Colombier
da geschrieben hat, aber ein wissenschaftlich
gut dokumentiertes. Man liest es mit Genuß,
und das Wasser, das der Franzose in den deut-
schen Wein schüttet, wird und soll den Wein
in keiner Weise verderben. Wir wissen trotz
der Bedenken, die der Verfasser gegen den
Maler Dürer manchmal äußert, daß Dürer den-
noch ein sehr großer Maler war, mindestens
im Landschaftsaquarell. Wer die Ansicht von
,,Trient“ und von „Kalckreuth“ und vom
Weiherhäuschen gemalt hat, ist ein großer Maler
von liaus aus und von eigenen Gnaden. Und es
ist doch derselbe Mensch, der dann die so au-
ßerordentlich malerischen Bildnisse des Orley
und des sogenannten Imhoff, der Ilolzschuher
und des Muffel schuf. Das vor kurzem in
Schweden aufgetauchte, vorher vollkommen
unbekannte, mit der etwas auffallenden Jah-
reszahl 1507 versehene Männerbildnis konnte
dem Verfasser natürlich noch nicht bekannt
sein. Aber auch das venezianische Mädchen-
bildnis von i5o5, jetzt in Wien, ist ihm ent-
gangen. Das Mädchenbildnis von 1/197 jn (^er
Sammlung Heugel in Paris ist auf genommen.
Der schöngedruckte Band wird durch Go Licht-
drucktafeln ergänzt. Für eine Neuauflage
möchte man eine Änderung vorschlagen: eines
der beiden reproduzierten Holzschnittwappen
wegzulassen und dafür eine der Radierungen
hineinzunehmen. Wenn die Kanone dem fran-
zösischen Geschmack allzu sehr als Bilder-
bogen vorkommt, könnte man ja an die Ent-
führung auf dem Einhorn oder an das Gethse-
mane denken. Emil Waldmann
Jean Wauquelin überreicht Philipp dem Guten sein Werk
Aus Cartellieri, Am Hofe der Herzoge von Burgund / Verlag Benno Schwabe & Cie., Basel
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