Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0163
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Heft 4
DOI Artikel:Wolfradt, Willi: Monet und der Impressionismus: zu den Ausstellungen der Berliner Galerien Thannhauser und M. Goldschmidt & Co.
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Claude Monet Felsenküste bei Etretat. 1884
aus dieser Periode. Das hätte etwa sein »Saint-Germain-rAuxerrois« aus dem
Kronprinzenpalais sehr deutlich demonstrieren können. Da das Stück nicht
zur Stelle ist, wie denn überhaupt unsere öffentlichen Kunstinstitute die doch
als Erkenntnisbeiträge so wichtigen Privatveranstaltungen dieser Art wenig
gern zu unterstützen scheinen, kann man sich bei Thannhauser an die »Dorf-
straße in der Normandie« halten und beobachten, wie fest bezirkt der graue
Schatten auf dem Boden liegt, wie klar sich Fenster, Türen und Dachkanten
markieren, wie jedes Glied des Bildes dunkel gerandet ist, der ferne Fleck einer
Staffage noch dick mit schwarzem Kontur umzogen wird. Damals und nur
damals malt Monet eine ganze Reihe von Interieurs mit Menschen oder ein-
zelne Menschen im Zimmer. So die Familie Sisley beim Abendessen unter
der Hängelampe, wovon die Ausstellung zwei Varianten zeigt. Wundervoll
sparsam und sicher gesetzte Flecken modellieren die beleuchtete Gruppe aus
dem umgebenden Dunkel hervor; sie zerstreuen nicht die Erscheinung, son-
dern haben geradezu plastische Funktion. Klar und ruhig scheiden sich Hell
und Dunkel, das Licht wie der Schatten liegen dort, wo sie hinfallen, huschen
nicht umher, rinnen nicht ineinander. Auch das große »Frühstück«, das die Städ-
tische Galerie in Frankfurt a. M. hergeliehen hat, bezeugt diese konstituierende
Bedeutung der in toniger Harmonie verbundenen Farbflecken, entsprechend
das Bildnis der Frau Gaudibert aus dem gleichen Jahre. Zwei Porträts der
Frau Monet kennzeichnen den Fortgang: eines von 1870, das wir wieder-
geben, im hellen Strandlicht gegen das Meer gesehen, skizzenhaft leicht und
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