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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 5
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Henry, Françoise: Ein neuentdecktes Selbstbildnis des jungen Dürers
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0184
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und Baurat Fr. Lenz, den kostbaren Band zu erwerben. Von ihm erhielt ihn
die Gesellschaft zum Geschenk. Der hohe Wert wurde aber noch nicht sofort
in vollem Maße erkannt, auch nicht, als anfangs dieses Jahrhunderts der ver-
dienstvolle Vorsitzende der Gesellschaft, der Provinzialkonservator Professor
Dr. Lemcke, in seinen Bau- nnd Kunstdenkmälern des Regierungsbezirks Stettin
den Teil des Bandes bearbeitete, der die Bildnisse der pommerschen Herzogs-
familie enthält.
Die handschriftliche Inhaltsangabe, die der Herzog auf das Titelblatt, einer
Zeichnung in Epitaphform, geschrieben hat, lautet: »Allerhand Viesierungen
von Conterfeyten und Gesichten von guten Meistern gecolligiret Ao 1617 In
Alten Stettin jm Monat Julio. Philippus Dux Pomeranorum manu propria«.
Als zweites Blatt folgt das in Wasserfarben auf Leinwand gemalte Bildnis
Dr. Martin Luthers, ein Werk von Lucas Cranach d. A. Darauf einige zwanzig
Porträts von Mitgliedern der pommerschen Herzogsfamilie, darunter mehr
als ein halbes Dutzend Köpfe, die auf der im Stettiner Altertumsmuseum be-
findlichen gemalten Kopie des Croyteppichs sofort wiederzuerkennen sind. Es
folgen dann in gleicher Anzahl Bildnisse von Mitgliedern des kurpfälzischen
und des kursächsischen Hauses, dann Charakterköpfe, Köpfe von Wolf Huber,
von Scorel, Jacopo Palma, ferner Karikaturen und Rötelzeichnungen italieni-
scher und süddeutscher Herkunft, zusammen hundert Blätter. Augenschein-
lich hat sie der Herzog selber auf die leeren Seiten aufgeklebt, wie er sie auch,
soweit die Seiten Porträts seiner Familie tragen, mit den Namen der Dar-
gestellten versehen und jedes Blatt mit einer Sammelnummer bezeichnet hat.
So ist der Band von großer Wichtigkeit für eine zuverlässige Ikonographie
des Stettiner Fürstenhauses, zumal er auch einige bisher unbekannte Porträts
enthält.
Gelegentlich einer Katalogisierungsarbeit nun stieß ich als Kustos der graphi-
schen Abteilung am Städtischen Museum auf ein Knabenbildnis, von dem das
holländische Verzeichnis die Vermutung ausspricht, es könne vielleicht den
jungen Erasmus von Rotterdam vorstellen. Es ist zu verwundern, daß keiner
von den Hunderten, die das Bildchen betrachtet haben, die dargestellte Per-
sönlichkeit erkannt hat. Keiner von ihnen kann Kenntnis von der Reproduk-
tion der in der Albertina zu Wien befindlichen Handzeichnung des drei-
zehnjährigen Albrecht Dürer gehabt haben, der seiner Zeichnung die Über-
schrift gab:
Dz hab Jch aus ein Spigell nach
mir selbs kunterfit Jm 1484 Jar
do ich noch ein kind was
Albrecht Dürer
Nun lautet aber die gemalte Unterschrift auf dem Ölbildchen des Bandes:
. im .15. iar . was . ich .
und am oberen Rande steht die Jahreszahl 14.84.
Freilich ist die letzte Ziffer nur in kleinen Bruchstücken erhalten geblieben,
aber sie ergänzt sich ganz selbstverständlich, sobald man von der Identität des
Dargestellten überzeugt ist. Dasselbe Gesicht, die völlig gleiche Tracht, die

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